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Organisierte Kriminalität
Italiens Methoden gegen die Mafia

Auf einer Anti-Mafia-Konferenz in Berlin tauschen sich Politiker am Mittwoch darüber aus, was gegen das organisierte Verbrechen in Europa zu tun ist. Auch der italienische Innenminister wird von den Erfahrungen seines Landes berichten. In Italien gehört die Zerschlagung mafiöser Strukturen seit Jahrzehnten zur Routine.

Von Sarah Zerback | 12.07.2017
    Demonstrationen im Mai 2017 in Palermo, im Gedenken an den Bombenanschlag auf die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino vor 25 Jahren. Vorne im Bild halten Demonstranten ein Plakat mit Fotos und eine italienische Flagge.
    "Armut ist auch ein Grund für Unfreiheit". Eine Unfreiheit, die viele, gerade junge Menschen in die Arme der Cosa Nostra, Ndrangheta oder Camorra treibt. (imago/Nino Pillitteri)
    Der Kampf gegen die Mafia beginnt in Italien nicht erst mit Razzien, Verhaftungen und Prozessen, sondern in den Köpfen. Mit Aufklärungskampagnen in Schulen und großen Demonstrationen, wie im Mai in Palermo - 25 Jahre nach dem Attentat auf Italiens größten Antimafiajäger Giovanni Falcone.
    "Agostino Catalano, Francesca Morvillo, Paolo Borsellino, Giovanni Falcone": Es sind nur einige der prominentesten Opfer des organisierten Verbrechens, die Pietro Grasso, der Leiter der Nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft hier aufzählt.
    Angriff auf das Vermögen der Mafia
    Über 130 Lokalpolitiker wurden in den vergangenen vier Jahrzehnten ermordet. Gewalt, Einschüchterungen und Erpressungen sind weit verbreitet, die Dunkelziffer hoch. Das belegen die jährlichen Berichte der Antimafia-Behörde in Rom. Dass es die überhaupt gibt, ist einer der Erfolge des italienischen Staates. Keine Regierung der Welt geht härter gegen das organisierte Verbrechen vor.
    "Die Beschlagnahmung ist dafür eine ganz zentrale Waffe. In Fußballsprache: Das ist das Tor, das Ergebnis eines Angriffs. Am Ende zählt die Beschlagnahmung. Der Mafia ihren Reichtum nehmen. Es reicht nicht, die Mitglieder der Organisation zu verhaften, man braucht auch die Beschlagnahmung. Den Angriff auf das Vermögen."
    Erklärt Franco Roberti, der oberste Antimafia-Ermittler Italiens. Schon Anfang der Achtziger hat die Regierung ein Gesetz erlassen und weiter verschärft, das es erlaubt, Immobilien, Land und Unternehmen aus Mafiahand zu konfiszieren - mehr als 17.000 Besitztümer sind so schätzungsweise zusammengekommen.
    Die Mafia profitiert von Armut
    Übertragen werden sie an soziale Projekte und Institutionen. Die bedeutendste ist Libera Terra, gegründet 1995 auf Sizilien und mittlerweile Dachverband für über 1.200 lokale Anti-Mafia-Initiativen. Nicht zuletzt ein wichtiger Arbeitgeber in Süditalien, so Mimmo Nasone, der sich dort seit Jahren engagiert.
    "Klar, wenn man dann neben den gesellschaftlichen Faktoren, die mit der Mafia zu tun haben, die sozialen Umstände bedenkt: In Italien leben viereinhalb Millionen Menschen in absoluter Armut, zweieinhalb Millionen Jugendliche, die die Schule aufgegeben haben! Wer unter solchen Umständen lebt, hat nicht dieselben Mittel wie die anderen. Die Armut ist auch ein Grund für Unfreiheit."
    Eine Unfreiheit, die viele, gerade junge Menschen in die Arme der Cosa Nostra, Ndrangheta oder Camorra treibt. Die mischen in vielen wichtigen Branchen des Landes mit - Baugewerbe, Landwirtschaft, Gastronomie und im italienischen Fußball. Um dort gegen Geldwäsche, Betrug und Drogenhandel vorzugehen, setzt Italien auf scharfe Gesetze, etwa um den Bargeldfluss zu begrenzen, auf hohe Strafen und auf immer neue technische Methoden - zum Abfangen von Telefon- und Handydaten etwa.
    Mafiosi denken grenzüberschreitend
    Das sei nötig, denn auch die Strategien der Mafia haben sich in den vergangenen Jahren verändert, so Staatsanwalt Nino di Matteo, der in Palermo schon große Prozesse gegen die Cosa Nostra geführt hat.
    "Wenn wir das nicht verstehen, können wir weiterhin dutzende, hunderte Mafiosi, Erpresser, Drogenhändler verhaften und doch würden wir die Mafia nie besiegen. Die Mafia ist ein für alle Mal besiegt, wenn wir der Organisation die Möglichkeit nehmen, sich mit der Politik, mit der Unternehmerwelt und mit der Wirtschaft zu verflechten."
    Dabei investieren die Clans ihr Geld längst nicht mehr nur innerhalb Italiens, sondern auf der ganzen Welt, auch in Deutschland. Deshalb sollten sich andere Länder am Anti-Mafia-Kampf Italiens ein Beispiel nehmen, sagt Ermittler Franco Roberti.
    "Es ist doch einfach sinnvoll, Informationen mit anderen Ländern, anderen Behörden zu teilen. Wir Italiener haben unsere Erfahrungen mit den Herausforderungen der Mafia und des Terrorismus und wir sind verfügbar, wir sind überzeugt davon, dass es am effizientesten ist, Informationen auszutauschen und Ermittlungen zu koordinieren."
    Die Globalisierung, sie hat längst auch das organisierte Verbrechen der italienischen Mafiosi erreicht.