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Krise in Honduras
Die zweifelhafte Rolle der USA

Seit Jahren ringt Honduras mit Gewalt, Korruption und Hoffnungslosigkeit, zahlreiche Menschen fliehen in Richtung USA. Doch gerade das Land, von dem so viele Honduraner träumen, ist für die politische Entwicklung und den wirtschaftlichen Niedergang ihrer Heimat mitverantwortlich.

Von Martin Reischke | 09.03.2019
Ein Mann hält sich an der Eisenstange eines Fahrzeuges fest, das ihn gemeinsam mit einer Gruppe von Migranten aus Mittelamerika zu einem Bahnhof in der mexikanischen Hauptstadt bringen soll.
Ein Migrant aus Zentralamerika auf dem Weg in die USA. Zahlreiche Menschen fliehen aus Honduras, Guatemala und El Salvador in Richtung Norden. (picture alliance / dpa / Gerardo Vieyra)
Oktober 2018 in Ciudad Hidalgo, einer kleinen mexikanischen Stadt an der Grenze zu Guatemala. Hunderte Menschen haben sich auf dem zentralen Platz der Stadt versammelt. Gerade erst haben sie auf kleinen Flößen den Grenzfluss Suchiate überquert, nun wollen sie ihren Marsch in Richtung Norden fortsetzen.
Die meisten von ihnen kommen aus Honduras. Sie haben sich zu einer großen Karawane zusammengeschlossen. Gemeinsam fliehen sie vor Gewalt und Hoffnungslosigkeit in ihrer Heimat. Ihr Ziel: Die USA.
Einer von ihnen ist der groß gewachsene Dilmer Vigil. Nach hunderten von Bewerbungen und vielen Monaten ohne Job und Einkommen sah der 27-jährige Elektriker aus dem Norden von Honduras keinen anderen Ausweg mehr, als zu gehen.
"Man macht sich seine Situation bewusst und sagt sich: Entweder ich bleibe in Honduras, um zu sterben, oder ich mache mich auf und sterbe dann eben auf dem Weg. Aber wenn ich Glück habe, dann komme ich durch, dann schaffe ich es in ein anderes Land, wo es Möglichkeiten gibt, um voranzukommen."
Mythos vom amerikanischen Traum
Aber nicht nur für Dilmer Vigil und seine Landsleute sind die Vereinigten Staaten das Ziel ihrer Wünsche und ein Sehnsuchtsort.
"Auf dem ganzen Kontinent gibt es ja diesen Mythos, dass die USA das Land sind mit dem amerikanischen Traum und der ganze Kontinent will in die USA, um dort erfolgreich zu sein."
Dilmer Virgils Karawane im Oktober 2018 war die bislang größte aus Honduras. Denn die Lage im Land ist verheerend: Die Mordrate zählt zu einer der höchsten der Welt, weite Teile der Bevölkerung leben in Armut. Korruption und Vetternwirtschaft gehören zum Alltag. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International landete Honduras 2018 abgeschlagen auf Rang 132 von 180 Ländern.
01.03.2018, Honduras, Tegucigalpa: Eine Mutter trägt eines ihrer Kinder auf dem Arm. Ihr 21-jähriger Sohn war von Mitgliedern einer Jugendbande ermordet worden. In Honduras müssen immer mehr Menschen vor der Gewalt von brutalen Jugendbanden, den sogenannten Maras fliehen. 
Ein Kleinkind auf dem Arm, doch der 21-jährige Bruder ist von Mitgliedern einer Jugendbande ermordet worden (pa / dpa / Delmer Membreno)
Wie konnte es dazu kommen? Das kleine Land in Zentralamerika mit etwa neun Millionen Einwohnern steht schließlich schon seit vielen Jahrzehnten unter der strengen Beobachtung des großen Nachbarn im Norden, sagt der frühere honduranische Finanzminister Hugo Noé Pino.
"Historisch gesehen ist Honduras eines der Länder, in denen der Einfluss der USA am stärksten gewesen ist. Seit der Zeit der so genannten Bananenrepublik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich die USA immer stark in die inneren Angelegenheiten von Honduras eingemischt."
Zum Beispiel vor zehn Jahren, im Juni 2009. Manuel Zelaya, der liberale Präsident des Landes, hatte den Mindestlohn angehoben und Honduras überraschend an das linke lateinamerikanische Staatenbündnis ALBA angenähert.
Hinter den Kulissen mischen die USA noch mit
Als Zelaya per Referendum die Frage klären lassen wollte, ob zeitgleich zur Präsidentschafts- und Parlamentswahl im November 2009 auch über die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung abgestimmt werden sollte, die dann über die Einführung einer zweiten Amtszeit für den Präsidenten entschieden hätte, putschte das Militär mit Unterstützung der konservativen Wirtschaftselite. Die Begründung: Zelaya wolle mit dem Referendum seine Wiederwahl als Präsident sichern. Zelaya selbst betonte, dass eine mögliche Neuregelung erst nach dem Ende seiner Amtszeit in Kraft getreten wäre.
Die EU-Mitgliedsstaaten sowie zahlreiche lateinamerikanische Länder zogen ihre Botschafter aus der Hauptstadt Tegucigalpa ab. In den Wochen und Monaten nach dem Putsch habe das State Department in Washington offiziell daran gearbeitet, Zelaya im Rahmen einer "Regierung der Nationalen Einheit" an die Staatsspitze zurückzuholen. So schildert es die US-amerikanische Enthüllungsplattform "The Intercept" im Juli 2015.
Hinter den Kulissen sorgten die USA aber offenbar dafür, dass Zelaya nicht wieder zurück an die Macht kam. Darauf deuten E-Mails aus dem Umfeld der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton hin, die "The Intercept" ausgewertet hat.
Washington wollte anscheinend eine gemäßigt linke Regierung in Honduras verhindern, sagt auch Hugo Noé Pino, der unter Zelaya für einige Monate als Finanzminister des Landes arbeitete.
"Vielleicht lag es am persönlichen Stil von Manuel Zelaya, vielleicht auch an der Tatsache, dass die USA in ihm eine weitere Verkörperung des so genannten 'Sozialismus im 21. Jahrhundert' sahen – jedenfalls war klar, dass die Vereinigten Staaten in Honduras lieber Stabilität wollten als eine stärkere demokratische Entwicklung im Land."
Manuel Zelaya mit seiner Frau auf einer Veranstaltung 2016
Der ehemalige honduranische Präsident Manuel Zelaya mit seiner Frau auf einer Veranstaltung 2016 (picture alliance / EFE / Gustavo Amador)
Der Staatsstreich von 2009 war der Beginn eines beispiellosen Niedergangs: Einige Monate nach dem Sturz von Präsident Zelaya und einer kurzen Interimsregierung kam der rechtsliberale Präsident Porfirio Lobo an die Macht.
Lobo ist vor wenigen Wochen wegen des Verdachts auf Korruption angezeigt worden. Sein Sohn wurde 2017 in den USA zu einer langen Haftstrafe verurteilt, weil er als Mittelsmann zwischen Drogenhändlern und korrupten honduranischen Staatsbeamten fungierte.
Menschenrechtler: "Das ganze Land steht zum Verkauf"
Und Lobos Regierung begann nach dem Putsch mit der Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur, außerdem vergab sie hunderte Genehmigungen für Wasserkraftwerke, Solaranlagen oder den Abbau von Edelmetallen. Die Gewinner: Honduranische Großunternehmer oder transnationale Konzerne.
Das ganze Land stehe zum Verkauf, sagt Ismael Zepeda von der Nichtregierungsorganisation FOSDEH, die für soziale Gerechtigkeit und die Umsetzung der Menschenrechte in Honduras kämpft. Auf die Krise im Land reagiere die Regierung dagegen planlos.
"Es ist eine einzige Flickschusterei: Reformen hier und Entwicklungspläne dort, die sich aber eher als Geschäftspläne entpuppen. Autonome Wirtschaftszonen, öffentlich-private Partnerschaften, Bergbaukonzessionen, die Reichtümer des Landes werden einfach aufgeteilt."
Seitdem hätten sich die sozialen Konflikte im Land massiv verschärft. Denn oft wehrt sich die lokale Bevölkerung gegen die Megaprojekte, von denen die meisten Menschen vor Ort nicht profitieren – und die aufgrund großer Umweltschäden häufig sogar ihre Lebensgrundlage gefährden.
Doch wer sich mit mächtigen Investoren anlegt, lebt in Honduras gefährlich: Laut Recherchen der internationalen Nichtregierungsorganisation Global Witness sind seit 2010 mehr als 120 Menschen in Honduras ermordet worden, weil sie sich für den Erhalt der Umwelt eingesetzt haben. Die Täter seien staatliche oder private Sicherheitskräfte und Auftragsmörder.
Auf eine Verurteilung der Täter warten die meisten Familien dieser Opfer vergeblich, die Justiz funktioniert nur teilweise. Selbst nach dem Mord an der prominenten Umweltaktivistin Berta Cáceres im März 2016 arbeitet die Staatsanwaltschaft nur schleppend: Beweismittel wurden lange nicht ausgewertet. Vertreter der Nebenkläger bekamen keine Akteneinsicht, der Prozessbeginn wurde mehrmals verschoben. Bis heute sind die Auftraggeber der Tat nicht verurteilt.
Ein Bild von Berta Cacéres an einem Zaun, daneben steht ein mexikanischer Polizist
Vor der honduranischen Botschaft in Mexiko haben Demonstranten ein Bild der ermordeten Umweltaktivistin Berta Cáceres platziert (imago / Agencia EFE)
Zehn Jahre nach dem Putsch stehen auch die Vereinigten Staaten vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik, sagt Aktivist Zepeda: "Die USA konnten sich einfach nicht vorstellen, dass der Rechtsstaat und die Rechtssicherheit in Honduras durch den Putsch einen solchen Niedergang erleben würden, und dass er zu einer solchen sozialen und wirtschaftlichen Krise führen würde."
Widersprüchliche US-Außenpolitik in Honduras
Der frühere honduranische Finanzminister Hugo Noé Pino ordnet die Einmischung der US-Regierungen in Honduras drei wichtigen strategischen Interessen zu. Erstens: die Bekämpfung des Drogenhandels – Honduras ist ein wichtiges Transitland vor allem für Kokain auf dem Weg zu den Konsumenten im Norden. Zweitens: die Bekämpfung der Migration. Drittens nutzen die USA Militärbasen im Land, die zum Beispiel bei einem möglichen Militärschlag gegen Venezuela eine große Bedeutung hätten. Aber die Interessen ließen sich nicht alle unter einen Hut bringen, so Pino.
"Diese drei Ziele haben dazu geführt, dass die US-amerikanische Außenpolitik gegenüber Honduras widersprüchlich ist. Auf der einen Seite haben die US-Amerikaner angeblich den Kampf gegen die Korruption unterstützt – durch die 'Internationale Mission zur Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit in Honduras'. Gleichzeitig aber stützen sie die aktuelle Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández, die ganz offensichtlich bis heute Teil der Korruption ist."
Die "Internationale Mission zur Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit in Honduras" nahm ihre Arbeit auf 2016. Nachdem ein Jahr zuvor ein millionenschwerer Korruptionsskandal in der honduranischen Sozialversicherung öffentlich geworden war, gründete sich erst die Bewegung der "Indignados" – auf Deutsch: "die Empörten". Bürgerinnen und Bürger demonstrierten monatelang vor allem in der Hauptstadt Tegucigalpa und erzwangen so die Einrichtung der Internationalen Mission, die im Auftrag der Organisation Amerikanischer Staaten die honduranische Staatsanwaltschaft bei der Arbeit unterstützen soll. Doch den Präsidenten, dessen Nationale Partei mit den veruntreuten Sozialversicherungsgeldern den eigenen Wahlkampf bezahlt hatte, konnten die Bürger nicht stürzen. Juan Orlando Hernández blieb im Amt.
Hernández ließ sich sogar 2017 erneut als Präsidentschaftskandidat aufstellen, obwohl die Verfassung eine zweite Amtszeit verbietet. Der oberste Gerichtshof des Landes, mit Vertrauensleuten des Präsidenten besetzt, genehmigte die Kandidatur offiziell. Die internationale Gemeinschaft schaute zu. Weil die Regierungspartei auch die oberste Wahlbehörde kontrollierte, stand einem erneuten Wahlsieg des Präsidenten nichts mehr im Weg.
Doch in den ersten Hochrechnungen am Wahlabend im November 2017 lag plötzlich nicht mehr Juan Orlando Hernández, sondern der Oppositionskandidat klar vorne.
USA - keine glaubhafte Bekämpfung der Fluchtursachen
Das Lied "Juan Orlando Hernández – du musst jetzt gehen" wurde zur Hymne der Opposition. Doch während die Anhänger des Oppositionskandidaten Salvador Nasralla schon feierten, brach plötzlich das Computersystem der Wahlbehörde zusammen. Als es wieder funktionierte, drehte sich das Ergebnis – und nun lag Präsident Hernández plötzlich knapp in Führung und gewann.

Bei der Amtseinführung von Hernández kam es zu Protesten. Internationale Wahlbeobachter kritisierten den von Intransparenz und Betrugsvorwürfen überschatteten Urnengang. Sogar die eher konservative Organisation Amerikanischer Staaten forderte Neuwahlen. Doch daraus wurde nichts, und das hatte mit den USA zu tun, glaubt Ex-Minister Noé Pino:
"Eines Abends trat die US-Diplomatin Heide Fulton mit Präsident Hernández an die Öffentlichkeit und sagte: 'Wir werden noch 5000 Wahlurnen überprüfen und dann ist endgültig Schluss.' Und so war es dann auch. Nicht nur im Land, wo es bei Straßenprotesten 20 Tote gegeben hatte, sondern auch im Ausland, alle haben das gemacht, was die USA gesagt haben. Und als die USA am 22. Dezember 2017 den Wahlsieg von Juan Orlando Hernández anerkannt haben, haben sie damit natürlich auch das System von Korruption und Straflosigkeit anerkannt, auf dem diese Regierung basiert."
Doch wer wie die USA die Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández unterstützt, wird gleichzeitig kaum glaubhaft machen können, dass er auf eine Bekämpfung der Fluchtursachen setzt – also die korrupte Verwaltung, die hohe Arbeitslosigkeit, die Gewalt im Land angeht. Dabei haben die USA schon vor fünf Jahren erkannt, dass es eine gemeinsame Strategie mit den Staaten im Norden Zentralamerikas braucht, um den Massenexodus zu stoppen.
Aufgeschreckt durch die hohe Zahl unbegleiteter minderjähriger Migranten an der Südgrenze der USA, initiierte die US-Regierung damals noch unter Barack Obama die so genannte "Allianz für den Wohlstand". Sie versprach, die Entwicklung der drei Länder im sogenannten "Nördlichen Dreieck" – gemeint sind Honduras, Guatemala und El Salvador – nachhaltig anzukurbeln, um den Menschen vor Ort neue Erwerbsmöglichkeiten zu bieten.
Polizisten verschanzen sich bei Auseinandersetzungen mit Oppositionsanhängern nach der Präsidentenwahl.
Gewaltsame Auseinandersetzungen nach der Präsidentenwahl in Honduras (ORLANDO SIERRA / AFP)
Ein Papiertiger mit dem Namen "Allianz für den Wohlstand"
Doch die Pläne und die bisherigen Ergebnisse sind intransparent. Eine schriftliche Anfrage an die US-Behörde für internationale Entwicklung, USAID, bleibt wochenlang unbeantwortet. Für den früheren honduranischen Finanzminister Hugo Noé Pino ist die "Allianz für den Wohlstand" bis heute ein Papiertiger.
"Wenn man die Situation aus Sicht der USA analysiert, dann existiert diese 'Allianz für den Wohlstand' überhaupt nicht. Es gibt dazu kein einziges Dokument, keinen einzigen Plan von der US-Regierung. Sie haben einfach die Finanzierung für die schon bestehenden Programme für Zentralamerika erhöht."
Von 2016 bis 2018 wurden mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar von Washington in die Staaten des "Nördlichen Dreiecks" überwiesen. Aber die Ungleichheit in Zentralamerika sei immer noch extrem, bemängeln Experten. Die Fluchtgründe sind geblieben.
Dilmer Vigil jedenfalls, den jungen, groß gewachsenen Mann aus Honduras, hat die "Allianz für den Wohlstand" nicht davon abgehalten, sich der Migranten-Karawane anzuschließen und Richtung USA zu laufen.
Doch wenige Tage nach dem ersten Gespräch in der mexikanischen Kleinstadt Ciudad Hidalgo, an der Grenze zu Guatemala, schreibt er per WhatsApp eine Nachricht: aus San Pedro Sula in Honduras, der zweitgrößten Stadt des Landes.
Seine Reise mit der Karawane war schnell zu Ende. Er sei von der mexikanischen Migrationspolizei aufgegriffen und zurückgeschickt worden.

Der junge Mann führt den Reporter durch sein Zuhause, ein einfaches, gemauertes Haus mit Blechdach: zwei kleine Zimmer, ein Bad, ein Wohnraum, eine kleine Küche. Die Fenster sind vergittert, das Grundstück ist mit einem hohen Zaun von der Straße abgesperrt – aus Sicherheitsgründen.
Für das Haus zahlt er 3000 Lempira pro Monat, umgerechnet etwa 100 Euro. Das ist viel Geld. Denn obwohl Virgil nach seiner Abschiebung aus Mexiko durch großes Glück tatsächlich eine Stelle in seinem Beruf als Elektriker gefunden hat, reicht der Lohn von umgerechnet rund 350 Euro – etwas mehr als der Mindestlohn – kaum zum Überleben.
"Die Firmen suchen immer die beste Arbeitskraft zum niedrigsten Preis, das heißt auf eine Stelle bewerben sich bis zu 5000 Leute, und wenn es unter denen einen Lehrling gibt und einen Ingenieur mit großer Erfahrung, dann wird der Unternehmer den Ingenieur anstellen, aber er wird ihn bezahlen, als wenn er ein Lehrling wäre."
Migranten stehen am San Ysidro Grenzübergang an, um die Grenze in die USA überqueren zu können.
Die USA haben die Grenzsicherungen zu Mexiko verstärkt (AP / Gregory Bull / dpa-Bildfunk )
Für den honduranischen Wirtschaftswissenschaftler Rafael Delgado liegt das Problem auch im Denken der lokalen Unternehmer. Statt auf gut ausgebildete Fachkräfte zu setzen, bestehe der einzige Standortvorteil des Landes darin, Hungerlöhne zu zahlen.
"Wir brauchen einen Wandel in den honduranischen Unternehmen. Wir befinden uns in einem absurden Wettbewerb darum, wer die geringsten Löhne zahlt und die geringsten Arbeitskosten hat."
Freihandel zerstört Lebensgrundlage der Kleinbauern
Als weiteren Grund dafür, dass Honduras wirtschaftlich nicht vom Fleck zu kommen scheint, nennt Delgado das Freihandelsabkommen zwischen den USA, der Dominikanischen Republik und den meisten zentralamerikanischen Staaten, kurz CAFTA, dem ist Honduras 2005 beigetreten.
"Statt zum wirtschaftlichen Wachstum beizutragen, hat CAFTA zu sozialen Konflikten geführt. Die jungen Leute, die in die USA migrieren, sind ja nicht nur aus Städten wie San Pedro Sula, sondern auch aus den kleinen Dörfern im Land, wo Grundnahrungsmittel produziert werden. Aber die können sie auf den lokalen Märkten nicht mehr verkaufen, weil Produkte wie Mais, Reis und Bohnen längst importiert werden."
Denn der Freihandelsvertrag sieht auch den schrittweisen Abbau von Handelszöllen vor. Davon profitieren große Unternehmen, die im Import und Export tätig sind. Doch die lokalen Kleinbauern leiden: Weil die USA den honduranischen Markt mit subventionierten Agrarprodukten beliefern, wird der Anbau für honduranische Landwirte unrentabel.
Ökonom Rafael Delgado: "Wie bei allen Freihandelsverträgen gibt es in jedem Land Gewinner und Verlierer. Leider sind die Verlierer dieses Freihandelsvertrages die ärmsten Schichten, und die Gewinner sind die, denen es schon immer gut ging, und denen es jetzt mit CAFTA sogar noch besser geht."
Eine Erfahrung, die die honduranische Bevölkerung in den vergangenen Jahren immer wieder gemacht hat – und die wohl auch in Zukunft viele Menschen weiter Richtung USA treiben wird.