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Kritik am G7-Gipfel
Schwierige Proteste gegen die Wohlfühl-Kanzlerin

Die Demonstranten gegen den G7-Gipfel auf Schloss Elmau haben es nicht leicht. Ihre Themen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel schon längst aufgegriffen und in die Beratungen mit den anderen Staatschefs integriert. Sie macht es damit den verschiedenen Organisation richtig schwer, strikt "anti" zu sein.

Von Benjamin Hammer | 04.06.2015
    Protestteilnehmer halten Plakate hoch und schwenken Fahnen.
    Mit mehr als 30.000 Teilnehmern kamen deutlich mehr Menschen nach München als zunächst erwartet worden waren. (AFP / Christof Stache)
    Lagebesprechung bei Greenpeace, politische Vertretung, Berlin-Mitte. Vier Mitarbeiter sitzen an einem Tisch im Loft-Büro. Wie kann man die Bundesregierung noch vor dem Wochenende zu einer strengeren Kohlepolitik bringen? Wird das auf den G7-Gipfel ausstrahlen? Wer kümmert sich um die Pressemitteilungen in Bayern? Routine für eine der größten unter den NGOs. Routine auch, dass man sich hier gegen die Kanzlerin stellt - zumindest offiziell. Tobias Münchmeyer ist der Vizechef der Politikvertretung von Greenpeace. "Ich finde es eigentlich peinlich, dass sich eine Bundeskanzlerin flüchten muss in ein Schloss in den Bergen, weil sie irgendwie Angst hat vor der eigenen Bevölkerung."
    Angst vor der eigenen Bevölkerung? Angela Merkel und ihre Mitarbeiter haben alles getan, um diesen Eindruck zum G7-Gipfel in Schloss Elmau zu vermeiden. Und selbst Greenpeace muss eingestehen: Das Kanzleramt hat uns im Vorfeld zugehört. Für die Aktivisten ist das keine einfache Situation. Sie wollen "Anti" sein. Aber Merkel sagt: Ich rede doch mit Euch.
    1:0 für die Kanzlerin
    Internet-Fernsehen der Bundesregierung. In mehreren Videos stellt sich Merkel den Fragen ihrer vermeintlichen Kritiker. An einem Tisch im Kanzleramt stehen Merkel und eine Studentin:
    (Studentin:) "Frau Bundeskanzlerin, können Sie sich erklären, wo dieses starke Misstrauen der Globalisierungsgegner herkommt?"
    (Merkel:) "Ich denke erst einmal, dass der Dialog mit denen, die auch kritisch auf G7 schauen, sehr, sehr wichtig ist. Und deshalb haben wir eine ganze Reihe von Treffen mit Gruppen der Zivilgesellschaft. Und gleichzeitig sagen wir: Schaut euch mal die Themen an, mit denen wir uns beschäftigen."
    Na gut. Dann schauen wir uns die Themen doch mal an. Es folgt eine Auswahl. Die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch sollen verbessert werden. Im Meer sollen bald weniger Plastiktüten schwimmen. Und: Die Menschen sollen mehr Vorsicht bei der Einnahme von Antibiotika walten lassen. Um es mit Angela Merkel zu sagen: "Wäre die Welt besser, wenn wir uns nicht mit diesen Themen beschäftigen würden?"
    1:0 für die Kanzlerin.
    Rostock, 7. Juni 2007. Bono und Bob Geldof schmettern Weltverbesserungssongs auf einer Bühne. Sie fordern eine Aufstockung der Entwicklungshilfen. 20 Kilometer von der Bühne entfernt liegt Heiligendamm. Dorthin hat Merkel zum G8-Gipfel geladen. Das Wochenende an der Ostsee ist vielleicht so etwas wie die Geburtsstunde der Merkelschen Wohlfühlpolitik mit den Nichtregierungsorganisationen. Bono und Bob Geldof werden ins Grandhotel geladen, sprechen mit Merkel. Die Kamera des Bundespresseamtes klickt. Wer heute "Merkel" und "Heiligendamm" im Internet sucht, der stößt sofort auf diese Fotos.
    Ein Ohr für die Zivilgesellschaft
    Auf einem Foto ist neben Merkel, Geldof und Bono ein Mann zu sehen. Sein Name: Bernd Pfaffenbach, er war der Scherpa der Kanzlerin. Plante also den Gipfel des Jahres 2007, traf sich über Monate mit seinen Kollegen der G8 und: Er war der Mann mit dem Ohr für die Zivilgesellschaft.
    Wenn man in diesen Tagen Vertretern der NGOs den Namen Pfaffenbach nennt, dann finden sie lobende Worte. Auch Claudia Schmucker kann sich an Bernd Pfaffenbach erinnern.Sie erforscht den Verlauf der G7-Gipfel bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Haben die NGOs einen Einfluss auf die Gipfelergebnisse? Schmucker ist da etwas skeptisch. "Es ist sehr, sehr schwer, wenn es einen Kongress gibt, wo man sich mit der Bundeskanzlerin trifft, das Ergebnis zu beeinflussen."
    Sicher, die Zivilgesellschaft spiele im Vorfeld eine gewisse Rolle. Die Kanzlerin habe für den G7-Gipfel auf Schloss Elmau jedoch populäre Themen ausgewählt. Weil sie ihr am Herzen lägen, und: weil sie nun einmal populär seien, weniger wegen der Lobbyarbeit der NGOs. "Im Großen und Ganzen ist die G7 eine Show des Kanzleramtes, der Bundesregierung."
    Handelt die Kanzlerin aus reinem politischem Kalkül? Nimmt sie mit Initiativen gegen Plastiktüten und für Textilnäherinnen den Wind aus den Segeln der Gipfel-Kritiker, die zunehmend auch aus dem bürgerlichen Lager stammen? Greenpeace will das so nicht stehen lassen. Ganz ohne Frage habe man Angela Merkel in den vergangenen Jahren beeinflusst, sagt Tobias Münchmeyer. Um dann fast lobend zu attestieren: Die Kanzlerin nehme das Klimathema sehr ernst. Es ist wirklich nicht leicht, "anti" zu sein in diesen Tagen.
    Es bleibt der Krawall vor Ort
    "Wissen Sie, die Kanzlerin ist eine sehr, sehr kluge Politikerin." Klaus Töpfer, ehemaliger Umweltminister, ehemaliger Umweltchef der Vereinten Nationen, Parteifreund Merkels - und: gipfelerfahren. "Wir stehen in der Gesellschaft als Politiker, es ist ja nicht eine neugeborene Kaste. Sie kommen aus der Zivilgesellschaft, sind damit verbunden. Nein, das wird sehr ernst genommen. Denn: Auch Wahlen stehen immer wieder vor der Tür."
    Angela Merkel, danach sieht es zumindest im Vorfeld des Gipfels aus, wird in Elmau nicht nur für schöne Bergfotos sorgen. Sie kann sich auch als Weltverbesserin präsentieren. Ob es beim Klimaschutz, beim Streit um die NSA oder zum chronisch ungelösten Konflikt in Syrien nennenswerte Impulse geben wird, ist da gar nicht so wichtig.
    Den Nichtregierungsorganisationen bleibt der Krawall vor Ort. Was die für ihre Aktionen bekannte Organisation Greenpeace vorhat, das will Tobias Münchmeyer noch nicht verraten. "Greenpeace kündigt nie Aktionen vorher an und deswegen kann ich das nicht beantworten."
    Sicher ist: Für die NGOs wird es ein schwieriger Protest gegen eine gut vorbereitete Angela Merkel.
    Übrigens: Nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm vor acht Jahren beeilten sich Bono und Bob Geldof mitzuteilen: Man sei mit den Beschlüssen der Politiker nicht zufrieden. Die Wohlfühl-Fotos vom gemeinsamen Treffen hatte Merkels Fotograf da längst im Kasten.