Donnerstag, 28. März 2024

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Kritik an Nord Stream 2
"Echte Alternative zu Gas aus Russland"

Polen gehört zu den größten Kritikern der Gaspipeline Nord Stream 2. Warschau argumentiert, dass das Projekt die Ukraine verwundbarer mache, weil der Gas-Transport über deren Territorium überflüssig werde. Doch das Wohl des Nachbarlandes ist nicht der einzige Grund für die ablehnende Haltung Polens.

Von Florian Kellermann | 09.02.2019
    Das Verlegeschiff "Audacia" des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2
    An der Gaspipeline Nord Stream 2 wird bereits gebaut, doch die Kritik will nicht abreißen (dpa / Bernd Wüstneck)
    Im Sommer 2017 trat US-Präsident Donald Trump in Warschau auf. Mateusz Morawiecki, heute Ministerpräsident, damals noch Wirtschafts- und Finanzminister, gab im Anschluss eine viel zitiertes Interview.
    Mateusz Morawiecki: "Wir wollen zum internationalen Drehkreuz für Gas werden. Das können wir dank der Zusammenarbeit mit den USA schaffen. Wir können so nicht nur unabhängig von russischen Gasimporten werden, sondern eben auch Verteilerstation für Erdgas in Zentraleuropa."
    Im gleichen Interview argumentierte Morawiecki gegen das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2, das Gas über die Ostsee von Russland direkt nach Deutschland bringen soll. Gegen Nord Stream 2 führt Polen vor allem politische Gründe ins Feld.
    Tatsache ist aber, dass Polen auch wirtschaftlich von einem Verzicht auf Nord Stream 2 profitieren würde. Polen als Gas-Verteilerstation - das wäre ein Wettbewerbsvorteil für das Land. Es könne eventuell sogar im großen Stil Gas exportieren, etwa in die Ukraine, sagt Energieexperte Wojciech Jakobik.
    "Polen kann erreichen, dass es über das billigste Erdgas in der Region verfügt. Mit Gas aus den USA und aus Norwegen. Wir würden eine echte Alternative bieten zum Gas aus Russland - für die Region und für ganz Europa."
    Günstiger als russisches Gas
    Aus den USA kommt bereits Gas nach Polen - über das Flüssiggas-Terminal in Swinemünde. Polen bezog im vergangenen Jahr schon 20 Prozent seines Gas-Imports über das Terminal, auch Katar gehört zu den Lieferanten. Ende Januar vermeldeten die polnischen Medien die 50. Lieferung.
    Die USA böten besonders günstige Bedingungen, so der Leiter des halbstaatlichen polnischen Gaskonzerns PGNiG Piotr Wozniak.
    "Ich halte mich an die Verabredung und werde den Preis nicht öffentlich nennen. Aber ich kann klar sagen, dass er in keinem Vergleich steht mit dem, den wir Russland zahlen. Er liegt über 20 Prozent niedriger. Aber noch müssen wir ja Gas aus Russland beziehen."
    Vom Jahr 2022 an, wenn ein langjähriger Vertrag ausläuft, will Polen gar kein russisches Gas mehr kaufen. Dafür soll das Flüssiggas-Terminal in Swinemünde noch ausgebaut werden. Derzeit kann es jährlich 5 Milliarden Kubikmeter Gas aufnehmen, künftig sollen es 7,5 Milliarden Kubikmeter werden.
    Polen will zum Gas-Hub Europas werden
    Außerdem plant Polen, in drei Jahren Gas über eine Pipeline aus Norwegen zu importieren. "Baltic Pipe" heißt das Projekt. Sein Bau werde im kommenden Frühjahr beginnen, so Piotr Naimski, der federführende Staatssekretär in der Regierung.
    "Diese Pipeline wird durch die Ostsee nach Dänemark führen und uns so mit den Vorkommen in Norwegen verbinden. Dort, in der Nordsee, fördert auch der Gaskonzern PGNiG. Das Gas, das von dort kommt, wird also von einer polnischen Firma produziert. Auch das ist ein Element in unserer Strategie."
    Auch im Land schafft Polen derzeit die nötige Infrastruktur, um zu einem sogenannten Gas-Hub für die Region aufzusteigen. Das Pipeline-Netz wird durch zwei Nord-Süd-Verbindungen ergänzt. Auch wegen dieser weitreichenden polnischen Pläne auf dem Gas-Sektor wurde es in Warschau als positiv bewertet, dass über Nord Stream 2 in der EU zumindest weiterhin kontrovers diskutiert wird.