"Der Euro", schreibt Leparmentier, "wurde ohne politischen Pakt geschaffen." Permanente wahltaktische Überlegungen in den einzelnen Ländern und kleine Feigheiten hätten über die Jahre dazu geführt, dass sich die Gemeinschaftswährung heute am Rande des Abgrunds befinde. Der Autor macht sich eine These des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu eigen, wonach am Anfang des Euro gleich ein Missverständnis stand. François Mitterrand habe geglaubt, Deutschland zu schwächen, in dem er dem Land die D-Mark entzieht. Doch das Gegenteil trat ein. Helmut Kohl habe gehofft, über den Euro eine politische Union zu erreichen, von der die Franzosen aber in der Realität nie etwas hätten wissen wollen. Arnaud Leparmentier:
"Die beiden haben die Grundlagen des Euro geschaffen, doch die blieben unvollständig. Die 20 Jahre nach Maastricht waren ein einziger Prozess der Schwächung des Euro und alle Nachfolger von Mitterrand und Kohl - also Balladur, Jospin, Chirac, Sarkozy – haben sämtliche Gelegenheiten verstreichen lassen, um die politische Union voran zu treiben, welche es ermöglicht hätte, die Katastrophe zu vermeiden, die wir vor zwei Jahren erlebt haben."
Der Höhepunkt der ausgelassenen Gelegenheiten und europäischen Fehltritte hinsichtlich des Euro ist für den Autor der deutsch-französische Gipfel von Deauville 2010, der mitten in der Griechenlandkrise stattfand:
"Nicolas Sarkozy hat damals gegenüber Angela Merkel die richtige Diagnose gestellt, nämlich dass die gesamte Eurozone bedroht ist und nicht nur Griechenland. Die beiden zögerten aber und trafen ein Übereinkommen, bei dem nicht beide gewonnen, sondern beide verloren haben. In Deauville gibt Sarkozy nach, Merkel will, dass die Banken bezahlen. Die Banken bezahlen zu lassen, das mag zwar moralisch korrekt erscheinen, nur hat es letztlich dieselbe Konsequenz wie bei den Lehmann Brothers, das heißt, der Euro geht Bankrott. Wenn man den Investoren signalisiert, ihr seid nicht sicher, euren Einsatz wieder zu bekommen, will niemand mehr in den Euro investieren und das löst die Krise aus. Indem Sarkozy 2010 gegenüber Merkel nachgegeben hat, hat er dafür gesorgt, dass die Griechenlandkrise zur Eurokrise wurde."
Der Essay lebt von gut dokumentierten Quellen und Informationen aus erster Hand. Eindringlich beschreibt Leparmentier die Wutausbrüche und die Verzweiflung des damaligen EZB-Präsidenten Jean Claude Trichet angesichts der Unfähigkeit der wichtigsten europäischen Politiker, das Ausmaß der Krise oder die Logik der Finanzmärkte zu verstehen. Leparmentier zitiert Trichet, der sich im Juli 2010 mit folgendem Satz an Angela Merkel richtete: "Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, Frau Kanzlerin, sie haben die Krise sehr schlecht gemanagt."
Auch der Autor selbst lässt Angela Merkel nicht ungeschoren davonkommen:
"Die Deutschen sagen: Jeder muss wettbewerbsfähig sein und der Bessere soll gewinnen, wenn es darum geht, Investoren und Unternehmen in sein Land zu holen. Okay. Nur: Wenn diese Regel mal zu Ungunsten der Deutschen ausfällt, etwa in der Luftfahrtindustrie - dann halten sie plötzlich die Uhr an und sagen: für uns gilt das nicht. Sie haben das Zusammengehen von EADS und British Aerospace abgelehnt, weil es Fabriken in Bayern und in Hamburg hätte bedrohen können."
Leparmentiers Essay ist in Frankreich von der Presse ausgiebig und positiv gewürdigt worden. Die Wochenzeitung "Journal de Dimanche" sprach von einem kompromisslosen Buch über die so typisch französische Selbstgenügsamkeit der Staatschefs gegenüber ihren deutschen Kollegen. Damit gemeint ist der von Le Parmentier detailliert beschriebene französische Widerstand gegen deutsche Überlegungen, Europa politisch enger zusammenzuführen. In der Wirtschaftszeitung "Les Echos" ist von einer "starken und anklagenden These" die Rede, die den französischen Präsidenten der vergangenen letzten 50 Jahre vorwerfe, in der Europäischen Union stets nur ein vergrößertes Frankreich gesehen zu haben. Entsprechend respektlos nennt Leparmentier Präsident De Gaulle auch einen "großen Deutschen, aber einen kleinen Europäer". Ein wahrer Leckerbissen ist das Kapitel über den 9. Juli 2007, als die Finanzminister der Eurozone tagten und der frisch gewählte französische Präsident Sarkozy sich selbst einlud - nachdem er klar gemacht hatte, dass Frankreich das Ziel eines ausgeglichen Haushaltes erneut um zwei Jahre nach hinten verschieben wolle. Als ehemaliger Finanzminister, so Sarkozy, wisse er, dass in der Euro-Gruppe offen gesprochen werde, man solle dies jetzt ruhig auch in seiner Anwesenheit als Präsident tun:
"Peer Steinbrück, Merkels Finanzminister, ergreift daraufhin das Wort und sagt: Ich werde ihnen also sagen, was ich sagen würde, wenn sie Finanzminister wären. Sie greifen die Europäische Zentralbank an, das ist inakzeptabel. Sie respektieren die Regeln des Stabilitätspaktes nicht, wie wollen sie, dass andere Länder es dann tun etc. etc."
Arnaud Leparmentier: "Sarkozy sagt darauf hin sehr laut:"
Nicolas Sarkozy: "Wer ist dieses dicke Arschloch?"
Arnaud Leparmentier: "Und dann schnappt er sich den Finanzstaatssekretär, Thomas Mirow, der perfekt französisch spricht, und sagt ihm:"
Nicolas Sarkozy: "Richte deinem Minister aus, er soll sofort aufhören, sonst ruf ich Angela Merkel an und es ist Schluss mit der Deutsch–Französischen Freundschaft."
Arnaud Leparmentier: "Alles beginnt mit einem echten deutsch–französischen Desaster, bei dem sich Sarkozy auch noch durch Rüpelhaftigkeit auszeichnet. Das hat wirklich Spuren hinterlassen, denn von Anfang an war das Image der Franzosen gleich wieder ruiniert."
Leparmentiers provozierender Appell im Epilog seines Essays lautet: Befreit uns vom Deutsch-Französischen! Zumindest von diesem deutsch- französischen Paar der vergangenen letzten 20 Jahre, das einem Tanzball der Scheinheiligen gleiche und eher die Vergangenheit zelebriere, anstatt sich der Zukunft zuzuwenden. Jahrzehnte lang habe Frankreich in Europa nur ein großes Frankreich gesehen. Heute leide Deutschland unter demselben Syndrom. Es sei von seiner Beispielhaftigkeit derart überzeugt, dass es den anderen ein Europa nach seinem eigenen, föderalen Modell aufdrängen wolle – ein Europa, das alle Staaten kontrolliere – außer Deutschland.
Arnaud Leparmentier: Ces Francais, fossoyeurs de l'euro
Plon Verlag, 252 Seiten, 18,99 Euro
ISBN: 978-2-25922-008-8
"Die beiden haben die Grundlagen des Euro geschaffen, doch die blieben unvollständig. Die 20 Jahre nach Maastricht waren ein einziger Prozess der Schwächung des Euro und alle Nachfolger von Mitterrand und Kohl - also Balladur, Jospin, Chirac, Sarkozy – haben sämtliche Gelegenheiten verstreichen lassen, um die politische Union voran zu treiben, welche es ermöglicht hätte, die Katastrophe zu vermeiden, die wir vor zwei Jahren erlebt haben."
Der Höhepunkt der ausgelassenen Gelegenheiten und europäischen Fehltritte hinsichtlich des Euro ist für den Autor der deutsch-französische Gipfel von Deauville 2010, der mitten in der Griechenlandkrise stattfand:
"Nicolas Sarkozy hat damals gegenüber Angela Merkel die richtige Diagnose gestellt, nämlich dass die gesamte Eurozone bedroht ist und nicht nur Griechenland. Die beiden zögerten aber und trafen ein Übereinkommen, bei dem nicht beide gewonnen, sondern beide verloren haben. In Deauville gibt Sarkozy nach, Merkel will, dass die Banken bezahlen. Die Banken bezahlen zu lassen, das mag zwar moralisch korrekt erscheinen, nur hat es letztlich dieselbe Konsequenz wie bei den Lehmann Brothers, das heißt, der Euro geht Bankrott. Wenn man den Investoren signalisiert, ihr seid nicht sicher, euren Einsatz wieder zu bekommen, will niemand mehr in den Euro investieren und das löst die Krise aus. Indem Sarkozy 2010 gegenüber Merkel nachgegeben hat, hat er dafür gesorgt, dass die Griechenlandkrise zur Eurokrise wurde."
Der Essay lebt von gut dokumentierten Quellen und Informationen aus erster Hand. Eindringlich beschreibt Leparmentier die Wutausbrüche und die Verzweiflung des damaligen EZB-Präsidenten Jean Claude Trichet angesichts der Unfähigkeit der wichtigsten europäischen Politiker, das Ausmaß der Krise oder die Logik der Finanzmärkte zu verstehen. Leparmentier zitiert Trichet, der sich im Juli 2010 mit folgendem Satz an Angela Merkel richtete: "Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, Frau Kanzlerin, sie haben die Krise sehr schlecht gemanagt."
Auch der Autor selbst lässt Angela Merkel nicht ungeschoren davonkommen:
"Die Deutschen sagen: Jeder muss wettbewerbsfähig sein und der Bessere soll gewinnen, wenn es darum geht, Investoren und Unternehmen in sein Land zu holen. Okay. Nur: Wenn diese Regel mal zu Ungunsten der Deutschen ausfällt, etwa in der Luftfahrtindustrie - dann halten sie plötzlich die Uhr an und sagen: für uns gilt das nicht. Sie haben das Zusammengehen von EADS und British Aerospace abgelehnt, weil es Fabriken in Bayern und in Hamburg hätte bedrohen können."
Leparmentiers Essay ist in Frankreich von der Presse ausgiebig und positiv gewürdigt worden. Die Wochenzeitung "Journal de Dimanche" sprach von einem kompromisslosen Buch über die so typisch französische Selbstgenügsamkeit der Staatschefs gegenüber ihren deutschen Kollegen. Damit gemeint ist der von Le Parmentier detailliert beschriebene französische Widerstand gegen deutsche Überlegungen, Europa politisch enger zusammenzuführen. In der Wirtschaftszeitung "Les Echos" ist von einer "starken und anklagenden These" die Rede, die den französischen Präsidenten der vergangenen letzten 50 Jahre vorwerfe, in der Europäischen Union stets nur ein vergrößertes Frankreich gesehen zu haben. Entsprechend respektlos nennt Leparmentier Präsident De Gaulle auch einen "großen Deutschen, aber einen kleinen Europäer". Ein wahrer Leckerbissen ist das Kapitel über den 9. Juli 2007, als die Finanzminister der Eurozone tagten und der frisch gewählte französische Präsident Sarkozy sich selbst einlud - nachdem er klar gemacht hatte, dass Frankreich das Ziel eines ausgeglichen Haushaltes erneut um zwei Jahre nach hinten verschieben wolle. Als ehemaliger Finanzminister, so Sarkozy, wisse er, dass in der Euro-Gruppe offen gesprochen werde, man solle dies jetzt ruhig auch in seiner Anwesenheit als Präsident tun:
"Peer Steinbrück, Merkels Finanzminister, ergreift daraufhin das Wort und sagt: Ich werde ihnen also sagen, was ich sagen würde, wenn sie Finanzminister wären. Sie greifen die Europäische Zentralbank an, das ist inakzeptabel. Sie respektieren die Regeln des Stabilitätspaktes nicht, wie wollen sie, dass andere Länder es dann tun etc. etc."
Arnaud Leparmentier: "Sarkozy sagt darauf hin sehr laut:"
Nicolas Sarkozy: "Wer ist dieses dicke Arschloch?"
Arnaud Leparmentier: "Und dann schnappt er sich den Finanzstaatssekretär, Thomas Mirow, der perfekt französisch spricht, und sagt ihm:"
Nicolas Sarkozy: "Richte deinem Minister aus, er soll sofort aufhören, sonst ruf ich Angela Merkel an und es ist Schluss mit der Deutsch–Französischen Freundschaft."
Arnaud Leparmentier: "Alles beginnt mit einem echten deutsch–französischen Desaster, bei dem sich Sarkozy auch noch durch Rüpelhaftigkeit auszeichnet. Das hat wirklich Spuren hinterlassen, denn von Anfang an war das Image der Franzosen gleich wieder ruiniert."
Leparmentiers provozierender Appell im Epilog seines Essays lautet: Befreit uns vom Deutsch-Französischen! Zumindest von diesem deutsch- französischen Paar der vergangenen letzten 20 Jahre, das einem Tanzball der Scheinheiligen gleiche und eher die Vergangenheit zelebriere, anstatt sich der Zukunft zuzuwenden. Jahrzehnte lang habe Frankreich in Europa nur ein großes Frankreich gesehen. Heute leide Deutschland unter demselben Syndrom. Es sei von seiner Beispielhaftigkeit derart überzeugt, dass es den anderen ein Europa nach seinem eigenen, föderalen Modell aufdrängen wolle – ein Europa, das alle Staaten kontrolliere – außer Deutschland.
Arnaud Leparmentier: Ces Francais, fossoyeurs de l'euro
Plon Verlag, 252 Seiten, 18,99 Euro
ISBN: 978-2-25922-008-8