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Kühlmittel im Crashtest

Wegen angeblich erhöhter Entflammbarkeit ist eine neue Kühlsubstanz für Autoklimaanlagen in die Kritik geraten. In Crashtests hat das Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg das Mittel namens R1234yf auf die Probe gestellt. Stephan Immen, Sprecher der Behörde, erläutert im Interview mit Eva Raisig die Details.

12.08.2013
    Eva Raisig: Der Streit um ein neues Kühlmittel für Autoklimaanlagen geht in die nächste Runde. R1234yf lautet der sperrige Name des Mittels. Schon länger bemängeln Autohersteller die Produktsicherheit dieser klimafreundlichen Kühlsubstanz. Nach EU-Vorgaben ist sie für Neuwagen vorgeschrieben. Das Mittel, so die Kritiker, sei leichter entflammbar und damit gefährlicher als die bisher verwendete Kühlsubstanz R134a. Nachdem sich der Autohersteller Daimler geweigert hatte, das neue Kühlmittel in seinen Fahrzeugen einzusetzen, sollten nun unabhängige Crashtests durch das Kraftfahrt-Bundesamt für Klarheit sorgen. Ich habe vor der Sendung mit dem Pressesprecher der Behörde, mit Stephan Immen, gesprochen und ihn zuerst gefragt, was denn das Ziel der aktuellen Tests war.

    Stephan Immen: Ziel der Crashtests war es, eine eigene Risikobewertung vornehmen zu können, wie sich dieses Mittel R1234yf in mobilen Klimaanlagen verhält – insbesondere bei eintretenden Verkehrsunfällen.

    Raisig: Was war denn der Hintergrund? Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Tests zu veranstalten?

    Immen: Hintergrund waren unterschiedlich Aussagen der Hersteller, die es uns nicht ermöglichen, hier tatsächlich eine Eigenrisikobewertung vornehmen zu können. Wir haben alle Hersteller befragt, sind zu keiner einheitlichen Aussage gekommen. Das war für uns Anlass genug, hier eigene Tests zu initiieren, zu koordinieren und durchzuführen.

    Raisig: Wie sind sie bei diesen Tests vorgegangen? Was wurde da genau getestet?

    Immen: Wir haben zunächst eine Projektgruppe gebildet unter Beteiligung von Experten der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bundesamt für Materialforschung und –prüfung, Umweltbundesamt – das Ganze unter Federführung des Kraftfahrtbundesamtes. Wir haben Fahrzeuge aus dem Markt genommen, die 1234yf in ihren entsprechenden Klimaanlagen verwenden, Fahrzeuge, die auch aufgrund vorhandener Abgasturbolader eine entsprechende Temperaturentwicklung aufzeigen, die möglicherweise zu einem Risiko führen könnten aufgrund der entsprechenden Temperaturen. Wir haben diese Fahrzeuge zunächst gecrasht, zerlegt, die Schadensbilder aufgenommen, haben dann entsprechende Ausströmversuche in den Fahrzeugen, die wir vorher gecrasht haben, vorgenommen. Das heißt, wir haben die Fahrzeuge wieder so weit fertiggemacht, dass die Motoren auf entsprechende Temperaturen gefahren werden konnten und haben dann dort realitätsnah die Versuche durchgeführt.

    Raisig: Und ist das neue Kühlmittel R1234yf denn nun gefährlicher als das alte?

    Immen: Es hat nach unserer Betrachtung im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes in Stufe II der Untersuchungen keine Entflammung gegeben, sodass wir hier als Produktsicherheitsbehörde keinen Handlungsbedarf haben, Fahrzeuge, die 1234yf verwenden, zurückzurufen. Was unstrittig und auch vorher bekannt war, ist, dass 1234yf einen niedrigeren Flammpunkt hat als 134a. Und wir haben in einer über das Maß der Produktsicherheit geforderten Untersuchung, nämlich in Stufe III, weitere Untersuchungen durchgeführt. Dabei kam es zu einer einzigen Entflammung. Das ist für uns aber Grund genug und Anlass, weitere Untersuchungen dringend zu empfehlen, sodass hier möglicherweise auch im Rahmen der Gesetzgebung Berücksichtigung findet, dass das Kältemittel möglicherweise eher entflammt bei Unfällen und entsprechende Richtlinien dazu ergehen müssten.

    Raisig: Sie sagen, dass sozusagen in dem normalen Verfahren keine Gefahr im Sinne dieses Produktsicherheitsgesetzes besteht, aber unter verschärften Bedingungen dann eben doch. Was raten Sie denn den Herstellern genau oder auch dem Gesetzgeber oder den Verbrauchern?

    Immen: Also in erster Linie raten wir dem Gesetzgeber, hier weitere Untersuchungen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Gerne auch unter Beteiligung entsprechender Experten. Denn letzten Endes ist es ja EU-Recht. Und wenn hier erkannt wird, dass dort ein Handlungsbedarf ist, dann wäre das etwas, das man im Rahmen der Rechtssetzung zum Typgenehmigungsverfahren berücksichtigen könnte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.