Dienstag, 19. März 2024

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Künstliche Intelligenz
Für das Handwerk bleiben echte Menschen unentbehrlich

Auch wenn KI unter Handwerkern noch nicht weit verbreitet ist, müssen sich Auszubildende und Berufsschulen auf die neuen Anforderungen einstellen. Und dennoch: Dass Maschinen und Algorithmen irgendwann echte Handwerker vollständig ersetzen könnten, ist zumindest momentan nur schwer vorstellbar.

14.06.2021
    Demonstration des pneumatischen Leichtbauroboters «Bionic Cobot» im Rahmen der Hannover Messe 2017.
    Theoretisch vorhanden, praktisch noch wenig im Einsatz: ein sogenannter Cobot, der menschliche Handwerker bei ausgewählten Aufgaben unterstützen kann. (picture alliance / Silas Stein)
    Zwei Stunden pro Woche – immerhin. In der Berufsschule im schwäbischen Nördlingen zählt Künstliche Intelligenz bereits als Unterrichtsfach, wenn auch nur im Modellprojekt. Im Vordergrund steht dabei aber nicht kompliziertes Programmieren, sondern klar der praktische Einsatz.
    Die Schülerinnen und Schüler müssten hauptsächlich erst einmal wissen, was Daten eigentlich genau sind, und die Schritte kennen, um aus diesen Wissen zu erlangen, erläutert Schulleiter Rainer Eberle.
    "Haben keine seriösen Experten für angewandte Ethik der KI"
    Deutschland brauche KI-Ethiker, fordert der Philosoph Thomas Metzinger. China habe die Führung in der KI-Forschung übernommen, teile aber die europäischen Werte nicht. Derweil kaufe Facebook einen Ausbildungsbereich, in dem "Fake-Ethiker" entstünden.
    Auf den immer häufiger digital vernetzten Baustellen können Maschinen mittlerweile problemlos mit Messdaten automatisiert arbeiten, die direkt aus Architektur- und Vermessungsbüros eingespeist werden – per WLAN oder USB-Stick. Die Schülerinnen und Schüler, die den KI-Unterricht in Nördlingen besuchen, sind Mechatroniker, Maurer, Bautechniker und Elektroniker. Um Daten beruflich zu nutzen, brauche man kein Studium, ist Eberle überzeugt:
    "Es gibt inzwischen am Deutschen Forschungsinstitut für KI über 40 Kurse, die die Künstliche Intelligenz erklären, und zwar auf jedem Niveau."

    Wo kommt KI konkret zum Einsatz?

    Es gibt zum Beispiel spezielle KI-Kameras, wie auch Beatrice Zenk weiß, die ihre Ausbildung bei einem Autozulieferer absolviert hat. "Diese Kamera fährt dann unter ein Bauteil und lernt selbst, wo ein Fehler sein könnte, ob es Ausschuss ist oder ob das Teil für gut befunden wird."

    KI im Handwerk mit Bedacht einsetzen

    Die allgemeine Hoffnung in die Künstliche Intelligenz scheint groß. "Dennoch müssen wir aufpassen, wo wir KI einsetzen und warum", sagt Norbert Huchler vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in München. Der Arbeitssoziologe forscht zum Zusammenspiel von Mensch und Maschine und betont, dass natürlich besonders das Handwerk von den speziellen Kompetenzen des Menschen profitiere – "vom Gespür und vom Einfühlungsvermögen in den Gegenstand" – und sich gerade dadurch von der maschinellen Produktion unterscheide.
    Die Versprechen der KI
    Künstliche Intelligenz verspricht, den richtigen Weg in die Zukunft zu kennen. Im selbstfahrenden Auto soll sie Menschen an ihre Ziele bringen. Aber wessen Ziele sind das eigentlich?
    Dennoch gebe es Bereiche, in denen der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Handwerk durchaus sinnvoll sein könne – vor allem im administrativen Bereich, sagt Huchler. Wahrscheinlich würden sich die Handwerker besonders über die Entlastung von Dokumentationspflichten der ganzen Büroarbeit freuen – z.B. in den Bereichen Beschaffung, Dokumentation von Nachweispflichten oder Lagerbestände. "Diese Arbeiten finden in kleineren Betrieben vor allem am Wochenende statt."
    Bei der eigentlichen handwerklichen Arbeit brauche es aber vor allem mehr intelligente Werkzeuge, sagt Huchler – "und die müssen auf die jeweilige Tätigkeit zugeschnitten und vor allem nützlich sein und die Kompetenzen der Handwerker in den Mittelpunkt stellen und nicht ersetzen."
    Junge Frau als Schreiner Lehrling mit Messschieber beim Messen von einem Brett
    "KI im Handwerk nur bedingt sinnvoll"
    Handwerkliche Arbeit vor Ort ist nie gleich, nie alles im Lot und genau nach Plan, sagt Arbeitssoziologe Norbert Huchler. KI eigne sich da nur als Hilfsmittel.
    So können bereits heute spezielle Scanner oder auch der Einsatz von Augmented Reality zum Ausmessen von Räumen helfen. Weitere Beispiele, die zumindest teilweise in der handwerklichen Praxis angekommen sind, sind sogenannte Coboter oder auch Jaibots. Coboter sind Industrieroboter, die mit Menschen zusammenarbeiten und etwa beim Lackieren oder Kleben komplizierter Teile helfen.
    Eine Weiterentwicklung dieser Cobots ist der Jaibot, der bei komplizierten Bohrungen über Kopf an der Decke per Baustellen-Cloud und Datenübertragung die Löcher alleine bohrt.
    Wird künstliche Intelligenz irgendwann einmal vollständig echte Handwerker ersetzen können? Nein, glaubt zumindest Arbeitssoziologe Norbert Huchler. Schließlich sei kein Handwerkseinsatz wie der andere: Kundenwünsche könnten sich noch vor Ort sehr spontan ändern oder die Materialien seinen plötzlich anders als erwartet.
    Quellen: Susanne Lettenbauer, Dlf, JMA