Ein Spielzeug-Baukasten, aber nicht mit ein paar Dutzend Klötzchen, sondern mit Abermillionen. Die gilt es nun so aufzustellen, dass eine bestimmte Ordnung entsteht – eine ausgesprochene Geduldsarbeit. So ähnlich sieht der Alltag von Chip-Designern aus: Unter anderem müssen sie Abermillionen von Schalterelementen und Speicherbausteinen zu einem Grundriss anordnen, der garantiert, dass der Chip wie gewünscht funktioniert, sagt Anna Goldie, Forscherin bei Google in Kalifornien.
"Wie können wir Speicherbausteine und Logikgatter so auf dem Chip platzieren, dass Stromverbrauch und Rechenzeiten minimal werden? Menschliche Fachleute brauchen dafür heute oft zwei bis drei Jahre."
Belohnungssignale für lernfähigen Algorithmus
Um diese enormen Entwicklungszeiten zu verkürzen, setzte das Google-Team auf eine KI, eine künstliche Intelligenz. "Wir verwenden einen lernfähigen Algorithmus, der die Komponenten nacheinander auf dem Chip platziert, eine nach der anderen. Zwischendrin erhält er immer wieder eine Art Belohnungssignal. Es sagt dem Algorithmus, wie gut er seine Arbeit erledigt hat und was er besser machen kann. Auf diese Weise wird der Algorithmus mit der Zeit immer leistungsfähiger."
Die KI von Google ist der Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachempfunden, Fachleute sprechen von einem neuronalen Netzwerk, erklärt Goldies Kollegin Azalia Mirhoseini.
"Am Anfang agiert das neuronale Netz rein zufällig, und seine Ergebnisse sind alles andere als optimal. Doch dank des Belohnungssignals wird es beim nächsten Mal schon etwas besser. Und diese Schleife lassen wir dann tausendfach durchlaufen."
Optimiertes Chipdesign innerhalb von sechs Stunden
Das Resultat: überaus verblüffend. "Innerhalb von sechs Stunden erhalten wir ein optimiertes Chipdesign. Menschen brauchen dafür Wochen oder Monate und liefern in vielen Fällen eine qualitativ schlechtere Lösung."
Das Team hat sich die von der KI geschmiedeten Chip-Grundrisse näher angesehen. Sie ähnelten nicht etwa jenen Grundrissen, die erfahrene Fachleute entwerfen, sondern sahen ganz anders aus – ein Zeichen dafür, dass die bisherigen Strategien nicht unbedingt die optimalen waren. Grundsätzlich lässt sich das neue Konzept auf alle Sorten von Chips anwenden. Google jedoch hat ein spezielles Interesse: Für seine Dienste wie Bildersuche und Routenberechnung setzt das Unternehmen auf künstliche Intelligenz. Und deshalb hat Google mit dem neuen Verfahren einen Spezialchip entwickelt, der Anwendungen in der KI voranbringen soll.
"Im Moment sind KI-Algorithmen für die Hardware optimiert, die wir heute haben. Bislang mussten wir Jahre auf eine neue Hardware-Generation warten – und damit auf die Möglichkeit, neue KI-Software zu erproben. Indem wir das nun verkürzen, können wir schneller zu neuen Chips zu kommen, auf denen dann die KI-Algorithmen der Zukunft laufen können."
KI soll den Menschen ergänzen und entlasten
Und das hätte eine bemerkenswerte Konsequenz: KI-Algorithmen sollen automatisch Chips entwerfen, auf denen sie dann anschließend schneller laufen und noch bessere Chip-Designs aushecken können – und so weiter und so fort. Klingt nach einer Entwicklung, die sich ganz von selbst immer weiter beschleunigt. Braucht es da überhaupt noch Chip-Designer aus Fleisch und Blut? Durchaus, meint Azalia Mirhoseini. Schließlich übernimmt der neue Algorithmus ja nicht das komplette Chip-Design, sondern nur den zeitaufwendigsten Teil, die Grundrisszeichnung.
"Wir glauben, diese Art von Techniken werden den Menschen ergänzen und entlasten können. Denn nun hat der Mensch mehr Zeit, neue Ideen und innovative Methoden zu entwickeln und zu testen."
Und damit, so die Hoffnung, könnte die Chipentwicklung wieder Fahrt aufnehmen. Die nämlich war in den letzten Jahren doch ziemlich ins Stocken geraten.