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Kunstverkäufe
"Museumsverkäufe sind eine Schande"

Die Spielbank Bremen will zwei Gemälde von Paula Modersohn-Becker versteigern lassen - um sich selbst zu sanieren. Ein ähnlicher Fall hatte in Nordrhein-Westfalen für Empörung gesorgt. Der Kunsthistoriker Wulf Herzogenrath hat für die öffentliche Erregung kein Verständnis.

Wulf Herzogenrath im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 04.11.2014
    Stefan Koldehoff: Noch schlagen die Wellen hoch über den Verkauf zweier Warhol-Gemälde aus dem Besitz landeseigener Unternehmen in NRW, um Spielbanken zu sanieren und zu gründen; da kommt aus Bremen die nächste Nachricht. Auch dort gibt es eine Spielbank, auch dort ist wie in Aachen die Westspiel beteiligt, an der die NRW-Landesbank eine Mehrheit hält, auch dort gibt es durch die Konkurrenz im Internet schon länger keine überzeugenden Bilanzen mehr und auch dort soll nun deshalb Kunst verkauft werden: Zwei Gemälde von Paula Modersohn-Becker, die zurzeit als Leihgaben in den Kunstsammlungen Böttcherstraße hängen. Professor Wulf Herzogenrath war viele Jahre lang Direktor der Bremer Kunsthalle. Ihn habe ich nach den Protesten von 26 seiner Kollegen aus NRW gefragt, was er denn zu den Bremer Plänen sagt.
    Wulf Herzogenrath: Sagen wir mal, erst mal ist der Unterschied im Wert natürlich das eine, aber das sollte nicht das Grundthema sein. Natürlich ist unmöglich, wenn aus Museumsbesitz etwas verkauft wird, was ja in Nordrhein-Westfalen mehrfach vorkam. Es ist immer wichtig, dass Sammlungszusammenhänge bleiben. Zum Zweiten finde ich es ein sehr erstaunliches Medienereignis. Ich meine, ein Elvis Presley einfach und ein Elvis Presley zweifach ist im Museum Ludwig. Ich habe noch nie irgendwie gehört, dass das die Medien interessiert, dass da zwei wunderbare Warhol-Werke sind. Wenn eine irgendwie doch privat wirtschaftende Firma das macht, dann wird man niemals das Negativum ausgleichen wollen als öffentliche Hand, sondern sagen, da sollen sie sich mal selber drum kümmern, und doch nicht öffentliche Gelder in eine Spielbank tun, wenn die privat wirtschaftet und in diesen Zeiten halt nicht gut wirtschaftet. Da werden irgendwie zwei Dinge miteinander vermischt, die mir auch nicht ganz richtig erscheinen.
    "Äpfel mit Birnen verglichen"
    Koldehoff: Nun hätte es ja wahrscheinlich zu Zeiten, in denen Sie Direktor der Bremer Kunsthalle gewesen sind, auch eine Menge von Gründen gegeben, aus denen die Stadt Bremen hätte sagen können, wir brauchen dringend Geld, und jetzt gucken wir doch mal, ob es da nicht noch irgendwelche Leihgaben gibt, oder irgendwelchen eigenen Bestand, den wir verkaufen können.
    Herzogenrath: Und das, meine ich eben, ist das Wichtige, der Unterschied, wenn ein Privatunternehmen fünf, sechs Werke kauft zur Ausstattung seiner Räume. Dieses geschickt beraten von guten Museumskollegen - ich weiß gar nicht, wer es damals war vor 35, 40 Jahren -, die sollten fast belobigt werden, dass so was gutes damals gemacht wurde, und sollte dieses Geld, sicherlich auch ein Großteil der Kultur wieder zurückkommen, wie es bei der Deutschen Bank, die den Giacometti verkauft hat für - was war es? - 80 Millionen ...
    Koldehoff: Eine Menge jedenfalls.
    Herzogenrath: ... und dann gesagt hat, wir geben davon hoffentlich das ganze Geld wieder in die Kultur zurück. Keiner hat das geprüft! Das wäre eine journalistisch schöne Aufgabe zu fragen, was ist mit dem Geld passiert. Mir scheint hier, ein bisschen zu einfach Äpfel mit Birnen vertauscht zu werden. Museumsverkäufe sind eine Schande, aber wenn eine Firma mit ein paar Ausstattungswerken etwas tut, ist das was völlig anderes.
    "Sehe die öffentliche Erregung nicht"
    Koldehoff: Nun streiten sich ja die Geister darüber, ob es tatsächlich ein rein privates Unternehmen ist. Wir sind keine Wirtschaftssendung, sondern eine Kultursendung; Deswegen versuche ich es jetzt mal mit der Moralschiene. Wenn es da ein Unternehmen gibt, das einer landeseigenen Bank gehört, bestünde dann nicht zumindest moralisch die Verpflichtung zu sagen, wir fragen mal erst, ob die Bilder nicht in einem öffentlichen Museum des gleichen Landes besser aufgehoben wären?
    Herzogenrath: Ich bin sicher, dass die das gemacht haben. Und bei der Summe, die im Raume steht - ob es nun 50 Millionen oder noch mehr ist, lassen wir mal da hingestellt -, ist völlig klar, dass weder das Land Nordrhein-Westfalen, noch jetzt die Möglichkeit da ist, dass das passiert in Bremen, auch wenn wir dort um kleinere andere Werke reden. Von daher muss man jetzt sehen, dass das ein heißes Thema ist, aber ich nicht ganz da diese öffentliche Erregung sehe. Es sind nicht zwei so bedeutende Werke. Die Kunsthalle hat eine wunderbare Reihe, das Paula Modersohn-Becker Haus hat auch einen gesamten Museumsbestand, der diese beiden Werke auch ergänzt.
    Koldehoff: Nun ist in der "FAZ" heute die Rede davon, dass das Geschäft noch nicht abgeschlossen sei. Man will auch nicht per Auktion, sondern per Direktverkauf diese beiden Modersohn-Beckers möglicherweise veräußern. Die Rede ist da von einer "Bremer Lösung". Helfen Sie uns: Was könnte eine "Bremer Lösung" sein?
    Herzogenrath: Es könnte dort sicherlich eine Lösung sein, dass die Sparkasse etwas tut, die ja der Träger des Böttcherstraßen-Museums ist. Das Geld braucht die Spielbank, die Sparkasse könnte was übernehmen, so könnte eine Lösung aussehen. Ich bin aber da jetzt nicht im Detail.
    Koldehoff: Wulf Herzogenrath - vielen Dank - zum nächsten geplanten Kunstverkauf, diesmal zur Kasino-Sanierung in Bremen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.