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Umstrittener Kunstverkauf
Warhol könnte nur der Anfang sein

Trotz aller Proteste, vor allem aus der Kunstwelt: Das Land NRW wird sich wohl von den zwei Warhol-Bildern zur Sanierung ihrer Casino-Gesellschaft trennen. Die Diskussion um den Umgang mit den landeseigenen Kunstschätzen dagegen hat gerade erst begonnen.

Von Thielko Grieß | 24.10.2014
    Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro.
    Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro. (dpa / Christie's/The Andy Warhol Found)
    Auf dem Schreibtisch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft liegt seit gestern Nachmittag ein neuer Brief – unterzeichnet haben ihn wieder knapp 30 Museumsdirektoren aus Nordrhein-Westfalen. In ihrem ersten Brief von vor zehn Tagen hatten die Direktoren noch gefordert, den Verkauf zu stoppen – inzwischen, so heißt es aus Museumskreisen, geht es eher darum, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Denn Nordrhein-Westfalen, danach sieht es aus, richtet sich darauf ein, künftig ohne die beiden Warhol-Bilder dazustehen.
    "Wenn Sie eine Aktion in dieser Dimension in dieser Größenordnung vorbereiten bei Christie’s in New York", argumentiert Rainer Priggen, Fraktionschef der Grünen im NRW-Landtag. "Wenn die Kataloge gedruckt werden, wenn Sie das ankündigen, dann müssen Sie hohe Pönalstrafen zahlen, wenn Sie das noch wieder stoppen wollen."
    Die Rede ist von zweistelligen Millionenbeträgen – ganz genau aber ist das nicht bekannt, beklagt die Opposition. Lukas Lamler ist kulturpolitischer Sprecher der Piraten, seine Fraktion hatte die Debatte über den Verkauf im Landtagsausschuss auf den Weg gebracht: "Es gibt vermutlich Wege, den zu stoppen. Das Problem ist, dass die Verträge, die scheinbar mit den Auktionshäusern geschlossen worden sind, nicht öffentlich sind. Das heißt, wir Politiker, wir Kulturpolitiker, haben keinen Einfluss darauf und haben keine Möglichkeit zu erfahren, welche Möglichkeiten es gibt, dort die Notbremse zu ziehen."
    Geld könnte in neues Casino fließen
    Nach wie vor aber hat Westspiel politischen Rückhalt in der NRW-Politik. Wie etwa den von Rainer Priggen, dem grünen Fraktionschef: "Wir brauchen Investitionen, gerade der Standort in Aachen. Da brauchen wir jetzt um die zehn Millionen von der Westspiel, um hier das alte Automatenspiel und das Klassische zusammenzufügen und dem Standort eine Chance zu geben. Die Bilder, die hier mal gehangen haben und jetzt schon lange in Tresoren sind, sind eine stille Reserve des Unternehmens, und ich finde das sehr richtig, dass das auktioniert wird und dann genutzt wird."
    Der Casino-Betreiber Westspiel, der mittelbar dem Land gehört und die Warhol-Bilder versteigern lässt, schreibt rote Zahlen, obwohl er in den vergangenen Jahren stets Millionen an den Landeshaushalt abgeführt hat. Bringen die Warhols den erhofften Erlös, will Westspiel in NRW ein weiteres Casino eröffnen: in Köln, wo es bislang keines gibt. Allerdings ist noch gar nicht entschieden, ob Westspiel die Versteigerungs-Millionen wirklich bekommt. Gerhard Heiligenberg, zuständiger Abteilungsleiter im Finanzministerium: "Das ist ganz klar geregelt, der Erlös nach dem Spielbankgesetz, fließt in Landeshaushalt. Und der Landesgesetzgeber entscheidet autonom, ob diese Mittel, ob diese Mittel in einer bestimmten Höhe an Westspiel zurückfliegen. Es keine Entscheidung, die allein die Landesregierung trifft, sondern diese Entscheidung wird auch vom Landtag getroffen. Diese Entscheidung ist noch zu treffen mit der Verabschiedung des Haushaltes 2015."
    Museen hoffen auf Millionen
    Wohl auch deshalb wollen die Museumsdirektoren den Gesprächsfaden mit der Landesregierung nicht abreißen lassen. Denn es wird wohl so kommen, dass die Warhol-Millionen zu verteilen sind. Außerdem gibt es in Nordrhein-Westfalen mannigfaltige weitere Kunstwerke und Schätze, die Unternehmen besitzen, die rechtlich zwar eigenständig sind, aber dem Land gehören: Westspiel selbst hat nach eigenen Angaben noch mehr als 230 Kunstwerke, plant sie zurzeit aber nicht zu verkaufen. Daneben fällt der Name Portigon, Rechtsnachfolger der einst stolzen und reichen Landesbank WestLB. Als sie das noch war, kaufte sie viel Kunst – die jetzt zur Abwicklungsmasse gehört.
    Die Landesregierung erwägt nun einen Runden Tisch, um über den Umgang mit Kunst sprechen. Denn es wäre doch gut, heißt es vielfach in Düsseldorf, wenn sich der Fall Warhol nicht wiederholte. Oder es Werken so ergeht wie dem "Lichtregen" von Heinz Mack im Casino Aachen. Die Installation mit Tausenden Leuchten war nicht mehr Ordnung, dann wurde sie weggeschafft. Wohin, vermag heute niemand mehr zu sagen.