Mit grimmig zusammengekniffenen Augen überblickt Ahmed Varol den vor ihm liegenden Weiler mit seinen niedrigen,wellblechgedeckten Häusern. Es ist sein Heimatdorf, Kamisli, 1000 Einwohner, 200 Kilometer zur syrischen Grenze. Varol steht mit zwei anderen Männern auf einem grob gemauerten Unterstand. Sie tragen Kampfuniformen und halten automatische Waffen im Anschlag.
Die haben die Kurden vom türkischen Staat erhalten, damit sie gegen die PKK kämpfen. Sie nennen sich Dorfschützer – kurdische Paramilitärs im Kampf für die Türkei. Seit 20 Jahren schon ist Varol Dorfschützer. Sein Posten ist schon oft beschossen worden. Er hat Freunde und Verwandte verloren. Aber nun soll plötzlich Frieden sein zwischen dem Staat und der PKK. Ahmed Varol schüttelt den Kopf und deutet auf sein Gewehr und dann auf die Bauarbeiten auf der Landstraße unter ihm im Tal:
"Wenn mir der Staat dieses Gewehr wieder nimmt, werde ich mir selbst eines besorgen. Denn ich fühle mich überhaupt nicht sicher. Vor ein paar Tagen hat die Straßenbaufirma da unten von der PKK eine Aufforderung zur Zahlung von Schutzgeld bekommen. Das bedeutet doch: Die Typen sind hier immer noch in der Gegend."
Noch bekommen die Dorfschützer rund 360 Euro Monatslohn vom Staat. Doch wenn der Frieden mit der PKK hält, wird Ankara sie wohl entlassen. Sie stünden dann vor dem Nichts, beklagt Ali Haydar Yener von der Vereinigung der Dorfschützer:
"Normalerweise hat doch jeder einen Beruf gelernt. Aber diese Männer hier haben das nicht, weil sie schon als Jugendliche in den Dienst für den Staat eingetreten sind. Wenn sie ihre Waffen abgegeben haben, wird es für sie keine Arbeit geben. Der Staat muss den Dorfschützern nach dem Dienst ein Auskommen sichern, eine Abfindung oder eine Rente."
Gegen solche Forderungen wehrt sich die Kurdenpartei BDP. Der Ortsvorsitzende von Mardin, Resat Kaymaz empfängt den Besucher unter dem Porträt des inhaftierten PKK-Chefs Öcalan. Die BDP hat den Waffenstillstand zwischen Staat und PKK vermittelt. Für einen endgültigen Frieden fordert sie die sofortige Auflösung der paramilitärischen Dorfschützer. Die Wunden sitzen tief. Schließlich haben Jahrzehnte lang Kurden gegen Kurden gekämpft, sagt Resat Kaymaz:
"Der türkische Staat wollte mit dem Einsatz der Dorfschützer einen kurdischen Bruderkrieg provozieren. Vonseiten der Dorfschützer wurde der schmutzig geführt. Viele von ihnen sind für Menschenrechtsverletzungen, Folter und Mord verantwortlich. Dafür müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden. Danach kann es vielleicht eine Aussöhnung geben."
Beim Gang über den Friedhof seines Dorfes will Ahmed Varol von Aussöhnung nichts wissen. Mehr als 20 Opfer der PKK liegen hier begraben. Von einer Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild, von einem Aufeinandertreffen ehemaliger Feinde hält Dorfschützer Varol nichts. Er lächelt gequält.
"Das ist ausgeschlossen. Wenn ich weiß, dass einer früher mal bei der PKK war, dann kann ich mich nicht mit ihm zusammensetzen und einen Tee trinken. Soll ich mit einem Tee trinken, der mich und meine Familie jahrelang bedroht hat? Soll doch die Regierung mit denen Tee trinken."
Zum Mittagessen kommt Ahmet Varol nach Hause, das Maschinengewehr wird vor den fünf Kindern sorgsam im Schrank verschlossen. Als er sich vor 20 Jahren den Dorfschützern anschloss, waren kurdische Bücher und Musik noch verboten. Heute ist gibt es kurdischsprachige Fernsehsender und Zeitungen, außerdem ist Kurdisch Wahlfach an Schulen. Die PKK feiert diese Errungenschaften als Erfolge ihres bewaffneten Kampfes.
Noch viel mehr verbittert Varol aber, dass sein langjähriger Feind, die PKK, vielleicht eine autonome Kurdenregion zugesprochen bekommt. Für ihn ein Alptraum.
"Es ist ja heute schon so, dass nicht einmal unsere Kinder in anderen Gebieten der Gegend eine Arbeit finden, wenn herauskommt, dass ihr Vater Dorfschützer ist. Wenn es eine kurdische Autonomie unter deren Führung gibt, dann wandere ich aus. Oder sie schmeißen mich raus. Wenn sie mich nicht vorher umbringen."
Und so bleibt der kurdische Dorfschützer Ahmet Varol weiter auf seinem Posten. Ein Frieden zwischen Kurden und Türken scheint nah. Aber bis zu einer kurdisch-kurdischen Aussöhnung ist es noch weit.
Die haben die Kurden vom türkischen Staat erhalten, damit sie gegen die PKK kämpfen. Sie nennen sich Dorfschützer – kurdische Paramilitärs im Kampf für die Türkei. Seit 20 Jahren schon ist Varol Dorfschützer. Sein Posten ist schon oft beschossen worden. Er hat Freunde und Verwandte verloren. Aber nun soll plötzlich Frieden sein zwischen dem Staat und der PKK. Ahmed Varol schüttelt den Kopf und deutet auf sein Gewehr und dann auf die Bauarbeiten auf der Landstraße unter ihm im Tal:
"Wenn mir der Staat dieses Gewehr wieder nimmt, werde ich mir selbst eines besorgen. Denn ich fühle mich überhaupt nicht sicher. Vor ein paar Tagen hat die Straßenbaufirma da unten von der PKK eine Aufforderung zur Zahlung von Schutzgeld bekommen. Das bedeutet doch: Die Typen sind hier immer noch in der Gegend."
Noch bekommen die Dorfschützer rund 360 Euro Monatslohn vom Staat. Doch wenn der Frieden mit der PKK hält, wird Ankara sie wohl entlassen. Sie stünden dann vor dem Nichts, beklagt Ali Haydar Yener von der Vereinigung der Dorfschützer:
"Normalerweise hat doch jeder einen Beruf gelernt. Aber diese Männer hier haben das nicht, weil sie schon als Jugendliche in den Dienst für den Staat eingetreten sind. Wenn sie ihre Waffen abgegeben haben, wird es für sie keine Arbeit geben. Der Staat muss den Dorfschützern nach dem Dienst ein Auskommen sichern, eine Abfindung oder eine Rente."
Gegen solche Forderungen wehrt sich die Kurdenpartei BDP. Der Ortsvorsitzende von Mardin, Resat Kaymaz empfängt den Besucher unter dem Porträt des inhaftierten PKK-Chefs Öcalan. Die BDP hat den Waffenstillstand zwischen Staat und PKK vermittelt. Für einen endgültigen Frieden fordert sie die sofortige Auflösung der paramilitärischen Dorfschützer. Die Wunden sitzen tief. Schließlich haben Jahrzehnte lang Kurden gegen Kurden gekämpft, sagt Resat Kaymaz:
"Der türkische Staat wollte mit dem Einsatz der Dorfschützer einen kurdischen Bruderkrieg provozieren. Vonseiten der Dorfschützer wurde der schmutzig geführt. Viele von ihnen sind für Menschenrechtsverletzungen, Folter und Mord verantwortlich. Dafür müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden. Danach kann es vielleicht eine Aussöhnung geben."
Beim Gang über den Friedhof seines Dorfes will Ahmed Varol von Aussöhnung nichts wissen. Mehr als 20 Opfer der PKK liegen hier begraben. Von einer Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild, von einem Aufeinandertreffen ehemaliger Feinde hält Dorfschützer Varol nichts. Er lächelt gequält.
"Das ist ausgeschlossen. Wenn ich weiß, dass einer früher mal bei der PKK war, dann kann ich mich nicht mit ihm zusammensetzen und einen Tee trinken. Soll ich mit einem Tee trinken, der mich und meine Familie jahrelang bedroht hat? Soll doch die Regierung mit denen Tee trinken."
Zum Mittagessen kommt Ahmet Varol nach Hause, das Maschinengewehr wird vor den fünf Kindern sorgsam im Schrank verschlossen. Als er sich vor 20 Jahren den Dorfschützern anschloss, waren kurdische Bücher und Musik noch verboten. Heute ist gibt es kurdischsprachige Fernsehsender und Zeitungen, außerdem ist Kurdisch Wahlfach an Schulen. Die PKK feiert diese Errungenschaften als Erfolge ihres bewaffneten Kampfes.
Noch viel mehr verbittert Varol aber, dass sein langjähriger Feind, die PKK, vielleicht eine autonome Kurdenregion zugesprochen bekommt. Für ihn ein Alptraum.
"Es ist ja heute schon so, dass nicht einmal unsere Kinder in anderen Gebieten der Gegend eine Arbeit finden, wenn herauskommt, dass ihr Vater Dorfschützer ist. Wenn es eine kurdische Autonomie unter deren Führung gibt, dann wandere ich aus. Oder sie schmeißen mich raus. Wenn sie mich nicht vorher umbringen."
Und so bleibt der kurdische Dorfschützer Ahmet Varol weiter auf seinem Posten. Ein Frieden zwischen Kurden und Türken scheint nah. Aber bis zu einer kurdisch-kurdischen Aussöhnung ist es noch weit.