Dienstag, 19. März 2024

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Lämmel (CDU) zu Maaßen-Debatte
"Eine falsche Position reicht nicht für einen Parteiausschluss"

Andreas Lämmel (CDU) spricht sich dafür aus, unbequeme Meinungen wie die von Hans-Georg Maaßen in der Partei zu akzeptieren. Dessen Forderung nach Gesinnungsüberprüfungen von Journalisten teile er zwar nicht, sagte er im Dlf. Dennoch müsse Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich sein.

Andreas Lämmel im Gespräch mit Stefan Heinlein | 08.07.2021
Andreas Lämmel (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages
Es müsse wieder mehr diskutiert und weniger vorverurteilt werden, forderte Andreas Lämmel (CDU) im Dlf (picture alliance/dpa | Christoph Soeder)
Der Fall Maaßen lässt die CDU nicht zu Ruhe kommen. Während führende Köpfe der Partei für Gelassenheit im Umgang mit dem früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen plädieren, werden Stimmen lauter, die ein Parteiausschlussverfahren für den südthüringer Bundestagskandidaten fordern. Zuletzt hatte Maaßen Journalisten des NDR in die Nähe von Linksextremisten gerückt und einen Untersuchungsausschuss gefordert. Zudem verlangte er, die charakterliche Eignung von "Tagesschau"-Redakteuren auf den Prüfstand zu stellen.
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Vor allem von der Opposition war kritisiert worden, dass der CDU-Vorsitzende Armin Laschet tagelang nicht öffentlich Stellung zu den Äußerungen Maaßens bezogen hatte. Nun hat sich der Unionskanzlerkandidat bei einer Veranstaltung der Frauenzeitschrift "Brigitte" von den Äußerungen distanziert. Gerade in einer Zeit wie dieser, in der es viele Falschnachrichten zur Pandemie gebe, sei ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk wichtig. Dies sei die Position der gesamten CDU. Er habe aber nicht vor, Bemerkungen Maaßens jedes Mal durch eine eigene Positionierung aufzuwerten, fügte Laschet hinzu.
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Andreas Lämmel, CDU-Bundestagsabgeordneter für Sachsen sowie wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher stellt sich hinter seinen Parteivorsitzenden. Er mache seine Sache gut, sagte er im Deutschlandfunk. Die Forderung nach einem Parteiausschluss Hans-Georg Maaßens hält er für falsch: "Da müssen ganz klare Verstöße gegen die Grundprinzipien einer Partei vorliegen." Er plädiert dafür, unbequeme Meinungen zu akzeptieren und zu diskutieren. Doch eine offene Diskussion sei heute gar nicht mehr möglich, weil man mit bestimmten Meinungen sofort in eine Ecke gestellt werde, kritisierte der Unionspolitiker. Er hält die Forderung von Hans-Georg Maaßen nach einem Gesinnungstest für Journalisten zwar für falsch, Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber grundsätzlich für berechtigt. Auch innerhalb der CDU werde heftig über die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert. "Wir brauchen das duale Rundfunksystem. Aber wir möchten, dass entsprechende Teile Deutschlands entsprechende Berücksichtigung finden."
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Das Interview im Wortlaut:
Heinlein: Herr Lämmel, warum scheut ihr Kanzlerkandidat Laschet offenbar die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Meinung von Hans-Georg Maaßen?
Lämmel: Ich glaube nicht, dass der Herr Laschet die inhaltliche Auseinandersetzung mit Herrn Maaßen fürchtet, aber die Frage ist ja, ob man jetzt jede Aussage, die im Wahlkampf fällt, ob die wirklich auch von Herrn Laschet kommentiert werden muss. Ich glaube, Wahlkampf heißt ja auch Wahl-Kampf, das heißt also, da geht es auch um harte Auseinandersetzungen zu verschiedenen Positionen. Insofern glaube ich, sind wir mit unserem Wahlprogramm, was wir gemeinschaftlich erarbeitet haben, auf dem richtigen Kurs und ich denke schon, Herr Laschet macht das im Moment sehr gut.

"Parteiausschlüsse sind das allerletzte Mittel"

Heinlein: Hat denn Hans-Georg Maaßen Platz in der CDU oder sollte er gehen? Wir haben die Stimmen gehört von Ruprecht Polenz, ähnlich ja auch die Junge Union oder Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe Ihrer Partei, Ihrer Fraktion, die ja ein Parteiausschlussverfahren fordert.
Lämmel: Ja, da stelle ich mir schon die Frage, wo fängt das an, wo hört das auf. Man kann doch nicht nur deswegen, weil ein Mann oder eine Frau eine unbequeme Meinung vertritt, einen Parteiausschlussverfahren fordern. Parteiausschlüsse in demokratischen Parteien sind, glaube ich, das allerletzte Mittel, und da müssen doch ganz klare Verstöße gegen die Grundprinzipien einer Partei vorliegen. Deswegen wäre ich sehr vorsichtig damit, immer sofort nach Parteiausschlussverfahren zu rufen. Wir haben da auch nicht so gute Erinnerungen in der Vergangenheit.

"Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss ja wohl erlaubt sein"

Heinlein: Also sollte in einer Partei, in einer Volkspartei CDU, Platz sein für Meinungen, wie sie Hans-Georg Maaßen artikuliert, eine Art Gesinnungstest für Journalisten aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zu denen ja auch unser Sender, der Deutschlandfunk gehört?
Lämmel: Nein, das ist doch ganz klar, und ich teile die Meinung in diesem Falle auch nicht. Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss ja wohl erlaubt sein, das ist ja der andere Teil des Interviews gewesen, welches Herr Maaßen gegeben hat. Auch innerhalb der CDU wird heftig über die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert, zumal ja öffentlich zugängliche Analysen auch deutlich gezeigt haben, dass die Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk offensichtlich sehr mehrheitlich einer politischen Richtung zuneigen. Aber das ist …
Heinlein: Also hat Hans-Georg Maaßen recht?
Lämmel: Nein, nein, auf gar keinen Fall, weil eine Überprüfung, eine Gesinnungsüberprüfung, ich glaube, diese Zeiten wünschen wir uns zumindest hier in den östlichen Bundesländern nicht zurück. Und das kann ich auch nur sagen, das ist eine falsche Position, aber das reicht aus meiner Sicht nicht für einen Parteiausschluss.
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Heinlein: Herr Lämmel, wenn ich Sie richtig verstehe, Sie teilen den Standpunkt und manche Ansichten von Hans-Georg Maaßen nicht, aber eine Volkspartei wie die CDU muss diese Debatten führen, muss eine Meinung, wie von Hans-Georg Maaßen artikuliert, aushalten?
Lämmel: Ja, natürlich muss man diese Meinungen, muss man sich mit ihnen auseinandersetzen, und ich glaube, das hat ja auch im Vorspann Herr Laschet ganz klar gesagt. Herr Maaßen kann diese Meinung haben, die CDU als Partei hat diese Meinung nicht, aber noch mal: Es reicht doch nicht, dann zu sagen, wir müssen jetzt ein Parteiausschlussverfahren anstrengen, weil uns die Meinung dieses Herrn oder dieser Dame – vielleicht kommt ja mal eine Dame dazu – nicht gefällt. Man muss sich auseinandersetzen mit den Positionen, man muss das diskutieren, und ich glaube, das haben wir in den letzten Monaten in der CDU auch ausführlich getan.

"Berichterstattung nach 2015 sehr einseitig"

Heinlein: Warum, Herr Lämmel, wird die Person und auch die Meinung, dieses wertkonservative Weltbild von Hans-Georg Maaßen in den CDU-Ostverbänden, und da gehören Sie ja auch dazu, CDU-Sachsen, offenbar anders gewertet als im Westen?
Lämmel: Na ja, da kann man vielleicht darauf verweisen, wir haben natürlich auch andere Erfahrungen hinter uns. Ich habe auch die Erfahrung eines totalitären Regimes. Ich habe dann massiv dafür gekämpft, dass wir eine freiheitliche demokratische Grundordnung bekommen, auch in Ostdeutschland. Darauf sind wir auch stolz, dass das gemeinsame Deutschland diesen Weg auch beschritten hat, aber wir setzen uns trotzdem auch kritisch mit den Medien auseinander, weil in verschiedenen, vor allen Dingen auch nach 2015, die Berichterstattung auch unsererseits oder Meinungen Vieler sehr einseitig gewesen ist. Die Berichterstattung über die ostdeutschen Länder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist auch nicht gerade so, dass die Zuschauer hier im Osten oder die Hörer hier im Osten da sehr angetan davon sind. Deswegen, wir stehen zum Öffentlich-Rechtlichen, da gibt es überhaupt gar keine Frage, wir brauchen das duale Rundfunksystem, aber wir möchten schon, dass auch alle Teile Deutschlands entsprechende Berücksichtigung finden.

"Man wird sofort in eine Ecke gestellt"

Heinlein: Also wenn ich Sie so höre, Herr Lämmel, und dann noch einbeziehe Ministerpräsident Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt, der ja die Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ablehnt, spielen Sie da nicht auf der identischen Tonleiter wie ein Hans-Georg Maaßen?
Lämmel: Es muss doch möglich sein, dass man über die Dinge diskutiert, und das ist genau der Punkt, der in der Öffentlichkeit, hier auch in Sachsen, immer wieder starke Kritik findet. Sobald eine andere Meinung auftaucht, wird die sofort in eine Ecke gestellt. Man diskutiert nicht über die inhaltlichen Punkte, man diskutiert nicht über neue Lösungen oder neue Wege, sondern man sagt sofort, na ja, also das ist inhaltlich, das ist schon ziemlich rechts, das ist schon Position Maaßen oder Position dort und dort. Ich glaube, das ist genau der Punkt, der bei uns in der Öffentlichkeit auf große, wie kann man sagen, auf großes Misstrauen stößt, dass die Diskussion heute nicht mehr möglich ist über die Punkte. Jeder muss doch offen sein, darüber zu diskutieren, wenn man der Meinung ist, es laufen die Dinge nicht alle so, wie man sich das vielleicht gemeinschaftlich vorstellt. Deswegen, diese Vorverurteilung nur wegen einer Meinung, das ist aus meiner Sicht ein Punkt, der zu diesem etwas kritischen Verhältnis zu den Medien geführt hat.
Blau angestrahlter MDR-Turm am Augustusplatz in Leipzig bei Nacht.
Kritik an Berichterstattung
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde zu wenig, zu einseitig und zu negativ über Ostdeutschland berichten. Diese Kritik ist im Streit um den Rundfunkbeitrag lautgeworden. Der Vorwurf ist nicht neu – und ein Bericht der Bundesregierung bestätigt ihn nun.
Heinlein: Geht dieser Vorwurf, Herr Lämmel, nicht nur an die Medien, sondern eben auch an Ihre eigene Partei, dieses Grundgefühl, man kann nicht immer alles sagen, man wird sofort in die rechte Ecke gestellt, ist das der Grund auch, Herr Lämmel, dass Sie jetzt nach über 15 Jahren im Parlament nicht mehr antreten?
Lämmel: Das ist erst mal nicht der Grund, warum ich jetzt nicht mehr antrete, sondern jede Sache hat seine Zeit, und auch Politiker sollten dann nach einer gewissen Zeit sehen, dass sie Platz machen für Neue – das ist das Wesen eines politischen Mandates. Die Diskussion findet in der CDU schon statt, keine Frage, aber noch mal: Man kann in allen Sparten des öffentlichen Lebens diesen Trend sehen, dass nicht mehr diskutiert wird über die Dinge, sondern dass man sofort in eine Ecke gestellt wird. Das ist, glaube ich, eine ganz schlechte Entwicklung, denn man kann ja Probleme nicht beiseiteschieben, indem man nicht darüber spricht, indem man nur sagt, derjenige, der das anspricht, das ist unser Gegner. Also ich wünsche mir schon, auch nach der Bundestagswahl, dass viele gesellschaftliche Entwicklungen, die stattgefunden haben in den letzten Jahren, dass die diskutiert werden und dass man dann auch Lösungen sucht, indem man auch die Leute einbezieht, die verschiedene Dinge kritisieren.

"Manche Themen sind ideologisch behaftet"

Heinlein: Herr Lämmel, was haben Sie denn in den vergangenen Jahren unternommen, um diesen von Ihnen kritisierten Kurs, dieses Schweigegelübde, wenn man es mal so nennen kann, in der Öffentlichkeit und in der CDU zu verändern?
Lämmel: Wir haben das erstens Mal immer wieder angesprochen, auch intern in den Diskussionen innerhalb unserer Partei, dass wir diese Situation schlecht finden. Ich glaube, innerhalb der CDU kann ich das auch nicht feststellen, dass Meinungen jetzt nicht akzeptiert würden oder Meinungen in eine Ecke gestellt werden, sondern das ist eher die öffentliche Diskussion, die sehr stark dazu neigt. Wir in der CDU oder ich jetzt ganz speziell in der CDU habe immer dafür plädiert, dass alle Meinungen auch gehört werden, dass sie akzeptiert werden und dass man sich vielleicht auch manchmal die Frage stellt, warum hat der Mann oder die Frau diese Meinung. Vielleicht gibt es ein Körnchen Wahrheit oder vielleicht gibt es eine Sache, über die man mal diskutieren muss und sie nicht einfach wegschiebt. Und das ist schon in der politischen Diskussion nicht so einfach, muss man sagen, weil manche Themen sind eben sehr ideologisch behaftet, und da findet eine inhaltliche Auseinandersetzung schwerlich statt. Das ist zum Beispiel im Bereich der Energiepolitik ganz deutlich zu spüren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.