Immer dieser Fluglärm: Hohentengen, eine 37.000-Einwohner-Gemeinde im baden-württembergischen Landkreis Waldshut, nur ein paar Kilometer von der Grenze zur Schweiz entfernt:
"Die Schule muss die Fenster schließen, wenn die Flieger drüber düsen. Bei einer Beerdigung hat der Pfarrer inzwischen einen Verstärker mit einem Lautsprecher, damit man bei einer Beerdigung tatsächlich auch noch der Beerdigung folgen kann. Für uns sind das natürliche starke Belastungen."
Volker Jungmann wohnt in Hohentengen – und ist Bürgermeister in der rund zehn Kilometer entfernten Gemeinde Klettgau. Auch dort ist die Lärmbelastung enorm – und die geht vom nahegelegenen Züricher Flughafen aus. Denn tagsüber führen über 90 Prozent aller Landeanflüge über süddeutsches Grenzgebiete. Folge: Seit Jahren protestieren die Bewohner am Hochrhein, aber auch im Südschwarzwald und im westlichen Bodenseeraum. Nun soll’s ein neuer deutsch-schweizerischer Staatsvertrag richten. Wichtigste Eckpunkte: Statt wie bisher ab 22 Uhr sollen zukünftig die Jets bereits ab 20 Uhr nicht mehr über deutsches Gebiet fliegen dürfen; ab 2020 soll mit den Landeanflügen über Deutschland sogar ab 18 Uhr Schluss sein. Die Schweiz will den Züricher Flughafen mit einer neuen Landebahn in Ost-West-Richtung ausstatten; zusätzliche Anflüge könnten damit verstärkt über die Schweiz erfolgen. Und: Bei der Ausarbeitung der Anflugrouten soll die Deutsche Flugsicherung zukünftig ein Wörtchen mitreden dürfen. Bislang lag dies ausschließlich in der Zuständigkeit der Schweizerischen Flugsicherung Skyguide. Soweit, so schlecht, findet der Klettgauer Bürgermeister Volker Jungmann:
"Wir werden ein Rechtsgutachten derzeit erstellen lassen von einem renommierten Verfassungsrechtler. Und sollten wir einen geringen Ansatzpunkt finden, diesen Staatsvertrag verfassungsgerichtlich zu kippen, werden wir diesen rechtlichen Schritt gehen."
So haben es, parteiübergreifend, alle 32 Bürgermeister im Landkreis Waldshut dieser Tage in der sogenannten Erzinger Erklärung beschlossen. Sie wollen, auf Teufel komm raus, die Ratifizierung des Staatsvertrages kippen. Denn: Der Teufel stecke im Detail – und bringe statt weniger möglicherweise erheblich mehr Fluglärm über Süddeutschland. Für das Verbot der Landeanflüge in den Abendstunden müssten die Anwohner eine dicke Kröte schlucken: Nämlich das in den frühen Morgenstunden Landeanflüge bereits ab 6.30 Uhr und nicht wie bisher erst ab 7 Uhr möglich sein werden. Für Bürgermeister Volker Jungmann ist das unannehmbar.
"Man darf eines nicht verkennen: Wenn Sie um 18 Uhr rausgehen, dann haben sie viel Umgebungslärm. Da fällt das Flugzeug zwar auf. Aber es ist doch nicht so störend als wenn sie um halb Sieben morgens von einem Flugzeug geweckt werden. Und wenn dieses Flugzeug im Endanflug ist, fällt das eben viel lauter aus."
Vor allem aber hafte dem Staatsvertrag ein entscheidender Fehler an: Entgegen einer alten Forderung aller Städte, Gemeinden und Landkreise in der Region wird im Staatsvertrag die Zahl der jährlichen Anflüge über deutsches Gebiet zahlenmäßig nicht begrenzt. Die süddeutschen Grenzgemeinden hatten einen Begrenzung der jährlichen Anflüge gefordert - und waren darin ursprünglich von der Landes- und von der Bundesregierung unterstützt worden. Davon sei nun nichts mehr übrig geblieben.
"Wir haben immer gesagt, diese 80.000 Flugbewegungen – das war bisher immer Konsens über alle Partei- und sonstige Grenzen hinweg. In diesem jetzigen Staatsvertrag gibt es keine Mengenbeschränkung."
Frank Hämmerle, Landrat im Landkreis Konstanz, sieht in dem Staatsvertrag einen Kompromiss, dem er nur mit großen Bedenken zustimmen könne. Ihm stoßen zwei Regelungen auf: Zum einen, heißt es in dem Vertrag, solle zwar die Deutsche Flugsicherung ergänzend zur Schweizerischen Skyguide bei der Ausarbeitung der Flugrouten herangezogen werden. Aber:
"Der Punkt, den ich sehr bemängele, ist, dass die Deutsche Flugsicherung nicht im operativen Geschäft, also im Einzelfall, mit dabei sein wird, sondern dies macht in Zukunft Skyguide alleine."
Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass die Schweizer Skyguide auch in den Sperrzeiten nur allzu forsch mit Ausnahmegenehmigungen bei der Hand ist, wenn es um Landeanflüge über Süddeutschland geht. Und dies unterbinde auch der neue Staatsvertrag nicht. Deshalb herrscht auch im Landratsamt Waldshut keine Begeisterung über das Vertragswerk. Das biete neben mancherlei Nachteilen aber auch Vorteile, meint, Jörg Gantzer, Erster Landesbeamter im Landratsamt Waldshut.
"Also zum Licht beim Staatsvertrag gehört die Ausweitung der Schutzzeiten. Zum Schatten gehört sicherlich, dass wir dafür am Morgen eine halbe Stunde opfern müssen."
Und so ist es noch keineswegs ausgemacht, dass der neue Staatsvertrag jemals Gültigkeit erlangt. Dafür muss er nämlich sowohl vom Schweizer Bundesrat als auch vom Deutschen Bundestag ratifiziert werden. Und schon regen sich auch in der Schweiz Widerstände. Dort befürchten Betroffene im Großraum Zürich eine erhebliche Zunahme der Lärmbelästigung in den Abendstunden, wenn Landeanflüge über Süddeutschland nicht mehr erlaubt sind. Derweil appellieren die 32 Bürgermeister aus den Gemeinden im Landkreis Waldshut an Abgeordnete aller Parteien, dem Staatsvertrag die Zustimmung zu versagen. Und auch der höchste Repräsentant des Staates bekommt dieser Tage Post vom Hochrhein. Volker Jungmann:
"Wir appellieren natürlich an den Bundespräsidenten Gauck, falls es einen verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt gibt , der diesem Staatsvertrag entgegen steht, dass er keinesfalls seine Unterschrift unter diesen Staatsvertrag setzt."
"Die Schule muss die Fenster schließen, wenn die Flieger drüber düsen. Bei einer Beerdigung hat der Pfarrer inzwischen einen Verstärker mit einem Lautsprecher, damit man bei einer Beerdigung tatsächlich auch noch der Beerdigung folgen kann. Für uns sind das natürliche starke Belastungen."
Volker Jungmann wohnt in Hohentengen – und ist Bürgermeister in der rund zehn Kilometer entfernten Gemeinde Klettgau. Auch dort ist die Lärmbelastung enorm – und die geht vom nahegelegenen Züricher Flughafen aus. Denn tagsüber führen über 90 Prozent aller Landeanflüge über süddeutsches Grenzgebiete. Folge: Seit Jahren protestieren die Bewohner am Hochrhein, aber auch im Südschwarzwald und im westlichen Bodenseeraum. Nun soll’s ein neuer deutsch-schweizerischer Staatsvertrag richten. Wichtigste Eckpunkte: Statt wie bisher ab 22 Uhr sollen zukünftig die Jets bereits ab 20 Uhr nicht mehr über deutsches Gebiet fliegen dürfen; ab 2020 soll mit den Landeanflügen über Deutschland sogar ab 18 Uhr Schluss sein. Die Schweiz will den Züricher Flughafen mit einer neuen Landebahn in Ost-West-Richtung ausstatten; zusätzliche Anflüge könnten damit verstärkt über die Schweiz erfolgen. Und: Bei der Ausarbeitung der Anflugrouten soll die Deutsche Flugsicherung zukünftig ein Wörtchen mitreden dürfen. Bislang lag dies ausschließlich in der Zuständigkeit der Schweizerischen Flugsicherung Skyguide. Soweit, so schlecht, findet der Klettgauer Bürgermeister Volker Jungmann:
"Wir werden ein Rechtsgutachten derzeit erstellen lassen von einem renommierten Verfassungsrechtler. Und sollten wir einen geringen Ansatzpunkt finden, diesen Staatsvertrag verfassungsgerichtlich zu kippen, werden wir diesen rechtlichen Schritt gehen."
So haben es, parteiübergreifend, alle 32 Bürgermeister im Landkreis Waldshut dieser Tage in der sogenannten Erzinger Erklärung beschlossen. Sie wollen, auf Teufel komm raus, die Ratifizierung des Staatsvertrages kippen. Denn: Der Teufel stecke im Detail – und bringe statt weniger möglicherweise erheblich mehr Fluglärm über Süddeutschland. Für das Verbot der Landeanflüge in den Abendstunden müssten die Anwohner eine dicke Kröte schlucken: Nämlich das in den frühen Morgenstunden Landeanflüge bereits ab 6.30 Uhr und nicht wie bisher erst ab 7 Uhr möglich sein werden. Für Bürgermeister Volker Jungmann ist das unannehmbar.
"Man darf eines nicht verkennen: Wenn Sie um 18 Uhr rausgehen, dann haben sie viel Umgebungslärm. Da fällt das Flugzeug zwar auf. Aber es ist doch nicht so störend als wenn sie um halb Sieben morgens von einem Flugzeug geweckt werden. Und wenn dieses Flugzeug im Endanflug ist, fällt das eben viel lauter aus."
Vor allem aber hafte dem Staatsvertrag ein entscheidender Fehler an: Entgegen einer alten Forderung aller Städte, Gemeinden und Landkreise in der Region wird im Staatsvertrag die Zahl der jährlichen Anflüge über deutsches Gebiet zahlenmäßig nicht begrenzt. Die süddeutschen Grenzgemeinden hatten einen Begrenzung der jährlichen Anflüge gefordert - und waren darin ursprünglich von der Landes- und von der Bundesregierung unterstützt worden. Davon sei nun nichts mehr übrig geblieben.
"Wir haben immer gesagt, diese 80.000 Flugbewegungen – das war bisher immer Konsens über alle Partei- und sonstige Grenzen hinweg. In diesem jetzigen Staatsvertrag gibt es keine Mengenbeschränkung."
Frank Hämmerle, Landrat im Landkreis Konstanz, sieht in dem Staatsvertrag einen Kompromiss, dem er nur mit großen Bedenken zustimmen könne. Ihm stoßen zwei Regelungen auf: Zum einen, heißt es in dem Vertrag, solle zwar die Deutsche Flugsicherung ergänzend zur Schweizerischen Skyguide bei der Ausarbeitung der Flugrouten herangezogen werden. Aber:
"Der Punkt, den ich sehr bemängele, ist, dass die Deutsche Flugsicherung nicht im operativen Geschäft, also im Einzelfall, mit dabei sein wird, sondern dies macht in Zukunft Skyguide alleine."
Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass die Schweizer Skyguide auch in den Sperrzeiten nur allzu forsch mit Ausnahmegenehmigungen bei der Hand ist, wenn es um Landeanflüge über Süddeutschland geht. Und dies unterbinde auch der neue Staatsvertrag nicht. Deshalb herrscht auch im Landratsamt Waldshut keine Begeisterung über das Vertragswerk. Das biete neben mancherlei Nachteilen aber auch Vorteile, meint, Jörg Gantzer, Erster Landesbeamter im Landratsamt Waldshut.
"Also zum Licht beim Staatsvertrag gehört die Ausweitung der Schutzzeiten. Zum Schatten gehört sicherlich, dass wir dafür am Morgen eine halbe Stunde opfern müssen."
Und so ist es noch keineswegs ausgemacht, dass der neue Staatsvertrag jemals Gültigkeit erlangt. Dafür muss er nämlich sowohl vom Schweizer Bundesrat als auch vom Deutschen Bundestag ratifiziert werden. Und schon regen sich auch in der Schweiz Widerstände. Dort befürchten Betroffene im Großraum Zürich eine erhebliche Zunahme der Lärmbelästigung in den Abendstunden, wenn Landeanflüge über Süddeutschland nicht mehr erlaubt sind. Derweil appellieren die 32 Bürgermeister aus den Gemeinden im Landkreis Waldshut an Abgeordnete aller Parteien, dem Staatsvertrag die Zustimmung zu versagen. Und auch der höchste Repräsentant des Staates bekommt dieser Tage Post vom Hochrhein. Volker Jungmann:
"Wir appellieren natürlich an den Bundespräsidenten Gauck, falls es einen verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt gibt , der diesem Staatsvertrag entgegen steht, dass er keinesfalls seine Unterschrift unter diesen Staatsvertrag setzt."
