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Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
SPD in der Flüchtlingsfrage gespalten

Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt dominiert das Thema Flüchtlinge die politische Debatte. Alles andere wird in den Hintergrund gedrängt - sehr zum Leidwesen der SPD, denn die ist in der Flüchtlingsfrage gespalten. Die Genossen rutschen in der Wählergunst immer weiter nach unten. Es droht ein historisch schlechtes Ergebnis.

Von Daniel Heinrich |
    Die SPD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Katrin Budde
    Die SPD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Katrin Budde (dpa/picture alliance/Hendrik Schmidt)
    Ein muslimischer Gebetsruf als Pausengong – so hat man sich wahrscheinlich in den wenigsten deutschen Behördenstuben bisher Integrationskurse vorgestellt. Und doch gehört das in der islamischen Gemeinde Magdeburg längst zur Realität. Jeden Sonntag dreht sich hier alles um Modalverben, Relativsätze, gesellschaftliche Normen und das Ausfüllen von Behördenpapieren. Der Vorsteher der Gemeinde, Dr. Moawia al-Hamid, lehrt im Hauptberuf an der Uni Magdeburg Elektrotechnik. Das Engagement für Flüchtlinge. Das muss er in den Feierabend verlagern.
    "Wenn Sie sehen, wie gut das ankommt und sie sehen, wie froh die Leute sind, dann vergessen sie am Ende die Müdigkeit oder die anstrengende Arbeit, die sie vorher geleistet haben. Für mich bedeutet mein Engagement nur eine Stunde oder ein paar Minuten. Für diese Menschen aber bedeutet es das ganze Leben."
    Der Umgang mit den Neuankömmlingen. Er führt in Sachsen-Anhalt nicht nur bei Moawia Al-Hamid zu schlaflosen Nächten. Nach dem Königssteiner Schlüssel müsste das Land nur knapp drei Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Dennoch ist das Thema im Wahlkampf omnipräsent seufzt die Spitzenkandidatin der SPD, Katrin Budde.
    Flüchtlingsfrage überdeckt alles andere
    "Ich hab den Eindruck, dass dieses Mal alles vom Thema Flüchtlinge überlagert ist, dass die anderen Themen, die elementar wichtig sind, wie zum Beispiel das Thema gute Arbeit, wirtschaftliche Entwicklung, Bildungschancen für alle, dadurch überhaupt nicht in den Fokus kommen und man auch nicht wirklich erklären kann, was man wirklich verändern will und was man Positives machen will und was möglich ist. Das Flüchtlingsthema ist das alles beherrschende Thema."
    Die SPD ist in der Flüchtlingsfrage gespalten. Auf der einen Seite der liberale Flügel der Partei um die Spitzenkandidatin. Auf der anderen Seite die Konservativen, die sich an die Obergrenzen-Rhetorik der Union orientieren. Einer der prominentesten Vertreter des konservativen Lagers war der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper. Im Herbst trat er nach einem Vierteljahrhundert aus der SPD aus. Trümper ist ein mächtiger Mann in Sachsen-Anhalt. Er ist auch Präsident des Städte- und Gemeindebundes. Bis heute ist er verärgert: "Lassen Sie uns noch mal auf diesen Trivialsatz der Kanzlerin zurückkommen, dass wir das schaffen. Der sagt mir gar nichts, weil sie gar nicht gesagt hat, was wir eigentlich schaffen wollen. Wenn wir es schaffen wollen, dass wir allen Schutz gewähren – dann kann ich auch ein Flüchtlingscamp in der Altmark aufstellen. Wenn die Ansage ist: Wir schaffen das und bringen Zehntausende, Hunderttausende Menschen in Arbeit zu bringen – dann ist das eine vollkommen andere Aufgabe. Diese Aufgabe muss man doch mal definieren. Das ist überhaupt nicht definiert. Das ist einfach so dahergeredet, ohne überhaupt zu definieren, was das 'Das' eigentlich ist. Das fehlt mir absolut, dass man nicht definiert, was man eigentlich schaffen soll."
    Probleme nicht mit Schablonen zu lösen
    Genau in diesem Ansatz liegt für Thomas Kliche das Problem. Er ist Politikpsychologe an der Universität Magdeburg-Stendal. Politik müsse endlich lernen umzudenken. Für ihn ist das Thema Flüchtlinge nicht mit althergebrachten Schablonen zu lösen: "Wir werden in der Flüchtlingskrise in den nächsten zwei bis fünf Jahren keine fertigen und sichtbaren Lösungen haben. Das ist ein Lernprozess, den unsere Gesellschaft durchläuft, der sehr viel umfassender ist, als alles, was wir bisher in der Hinsicht hatten. Deshalb wird man nicht von einzelnen Politikern erwarten können, dass sie fertige Lösungen im Zylinder haben. Das ist Teil der alten Gemütlichkeit, dass die Parteien gesagt haben: Hier, wir haben eine fertige Lösung. Genauso machen wir das. Wählt euch Menü A oder B aus und ihr werdet auf jeden Fall satt und schmecken tut es euch auch. Diese Zeiten sind vorbei."
    Gerade diese vermeintlich einfachen Antworten sind es, die vor allem die SPD in Bedrängnis bringen – vor allem in der Auseinandersetzung mit der AfD. Die Rechtspopulisten profitieren in der Flüchtlingsfrage von den diffusen Ängsten in der Bevölkerung und der augenscheinlichen Konzeptlosigkeit der Konkurrenz. Das kommt an in Sachsen-Anhalt. Ende Februar lag die AfD in Umfragen zum ersten Mal vor den Genossen. Die Rechtspopulisten am Wahlabend vor der ältesten Volkspartei Deutschlands. Es wäre ein fatales Signal. Nicht nur für die SPD und nicht nur für Sachsen-Anhalt.