Freitag, 29. März 2024

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Laschet-Bilanz in NRW
Politologe von Alemann: Die ganz großen Fußabdrücke hat Laschet nicht hinterlassen

Zwar habe Armin Laschet Nordrhein-Westfalen als Ministerpräsident „ordentlich regiert“, etwas Bleibendes, an das man sich lange erinnern werde, habe er aber nicht hinterlassen, sagte der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann im Dlf. Sein Nachfolger stehe vor zahlreichen Problemen.

Ulrich von Alemann im Gespräch mit Moritz Küpper | 23.10.2021
Armin Laschet (CDU) während des Landesparteitags der CDU Nordrhein-Westfalen am 23.10.21 in Bielefeld.
Armin Laschet (CDU) während des Landesparteitags der CDU Nordrhein-Westfalen am 23.10.21 in Bielefeld. ( picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto)
Am 23. Oktober ist Hendrik Wüst, der bisherige Verkehrsminister Nordrhein-Westfalens, zum neuen Vorsitzenden der Landes-CDU gewählt worden. Bereits am 27. Oktober könnte er auch neuer Ministerpräsident werden und damit Armin Laschet ablösen – eine Folge des schlechten Abschneidens des Unionskanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl.
Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann betrachtet Laschets Ministerpräsidenten-Karriere rückblickend als "eher tragisch". Er habe die CDU zur größten Wahlniederlage seit Langem geführt, "das schlechteste Ergebnis in der ganzen Geschichte der Bundes-CDU als Spitzenkandidat in Berlin", sagte Von Alemann im Dlf.
NRW-Korrespondentin Boeselager: "Wüst weiß, wie er sich inszeniert"
In NRW hat Ministerpräsident Armin Laschet die Nachfolgeregelung eingeleitet und Verkehrsminister Hendrik Wüst als neuen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Landes-CDU empfohlen. Wofür steht Hendrik Wüst und wie steht es um seine politische Vergangenheit?
Zudem habe Laschet nicht wirklich das eingebracht, was alle von ihm erwartet hätten als ein Kandidat des Ausgleichs. "Also dass er als erfolgreicher Zusammenführer – so sieht er sich selbst gerne – von der Wahlstatt davongeht, das kann ich eigentlich so nicht sehen", sagte von Alemann.
Sollte der bisherige Verkehrsminister Hendrik Wüst auch neuer Ministerpräsident werden, würden sich die Probleme für diesen geradezu türmen, prognostizierte Von Alemann. Die größten Herausforderungen seien – neben der andauernden Pandemie – die Klimapolitik, die Zusammenarbeit mit einer möglichen Ampelkoalition auf Bundesebene sowie die im Mai 2022 anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen.

Das Interview in voller Länge

Moritz Küpper: Herr von Alemann, Armin Laschet tritt ab – in Nordrhein-Westfalen heute als Parteichef, am Montag dann als Ministerpräsident. Was bleibt von Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen?
Ulrich von Alemann: Ihm war ja nur eine nicht ganz zu Ende gehende Legislaturperiode vergönnt seit 2017, und da hat er das Land, man kann sagen ordentlich regiert, zusammen mit der FDP. Aber dass er jetzt ganz große Fußabdrücke hinterlassen hätte in diesem Land, dass man sozusagen mit einem Laschet-Effekt etwas verbindet, was in den letzten Jahren hier in Nordrhein-Westfalen passiert ist, das kann man nicht sagen.
Küpper: Was würden Sie denn sagen, ist diese Karriere des Politikers Armin Laschet, des Ministerpräsidenten, ist das eine Erfolgsgeschichte gewesen oder ist das eher eine ja tragische Geschichte?
von Alemann: Ich denke schon, dass es eher tragisch ist, denn er hat die CDU zu der ersten seit Langem großen Wahlniederlage geführt, das schlechteste Ergebnis in der ganzen Geschichte der Bundes-CDU als Spitzenkandidat in Berlin, und nach langem Hickhack erst mal sich als Parteichef durchzusetzen, dann sich als Spitzenkandidat durchzusetzen. Und er hat nicht wirklich dann das eingebracht, was dann alle von ihm erwartet haben, als ein Kandidat des Ausgleichs, auch ein Kandidat, der früher sehr eng mit der Vorgängerin Merkel verbunden ist. Also dass er als erfolgreicher Zusammenführer – so sieht er sich selbst gerne – von der Wahlstatt davongeht, das kann ich eigentlich so nicht sehen.

Das "Röttgen-Trauma" für die CDU verhindern

Küpper: War es eigentlich zwangsläufig so, dass Laschet nicht Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen bleiben konnte?
von Alemann: Ja, es war zwangsläufig so. Erstens gibt es die Verfassung, wenn er erst hat zum Bundestag kandidiert. Er wollte in den Bundestag, er wollte ja Spitzenkandidat werden, und das verbietet die Verfassung, dass er gleichzeitig ein Amt hier in Nordrhein-Westfalen innehat. Zweitens aber gibt es das ganz große Röttgen-Trauma für die CDU, dass Röttgen seinerzeit kandidiert hat, aber sich die Türe nach Berlin offengehalten hat. Er hat nie gesagt, er würde selbst bei einer verlorenen Wahl 2010 dann hier die Opposition führen in Düsseldorf. Das hat der CDU damals schwer geschadet, sie hat die Wahl verloren, und einen solchen Effekt wollte Laschet um jeden Preis vermeiden, dass der Eindruck entsteht, er glaubte ja gar nicht an den Sieg in Berlin, er hätte ja sein warmes Polster des Ministerpräsidentensitzes hier in Düsseldorf wieder. Insofern war es im Grunde zwangsläufig, dass er so handelte, denn er wäre ganz automatisch in das Röttgen-Problem hineingeraten.
Küpper: Kann man das Ganze ein wenig abstrahieren, etwas grundsätzlicher formulieren, denn früher gab es ja durchaus Ministerpräsidenten, die im Bund kandidiert haben und dann nach Niederlagen zurückgekehrt sind. Johannes Rau für die SPD in Nordrhein-Westfalen beispielsweise, Edmund Stoiber in Bayern, die kandidierten im Bund, kehrten dann zurück. Ist dieses Modell für die Zukunft grundsätzlich ausgeschlossen?
von Alemann: Ja, das Modell hatte schon mit Willy Brandt angefangen, der auch mehrmals kandidiert hat, bis er dann Kanzler wurde – erst Außenminister in der ersten großen Koalition. Tatsächlich ist die öffentliche Meinung, die Politik ist im Grunde härter geworden und liebt nicht die Verlierer. Insofern ist es ein Riesenproblem, wenn man einmal eine wichtige Wahl verloren hat, dann einfach zurückzukehren, zum Beispiel auf das Amt des Ministerpräsidenten. Ich glaube schon, dass sich da einiges in der politischen Kultur in Deutschland im Grunde doch zum Schlechteren gewechselt hat, gewandelt hat, denn eigentlich muss man auch verlieren können, und dann kann man das Amt, das man bisher ausgeführt hat, auch weiterführen, aber das wird heutzutage nicht mehr so gern gesehen.
Küpper: Dann schauen wir nach vorne: Wir haben es gerade gehört, Hendrik Wüst soll, wird heute wohl neuer Parteichef in NRW, der NRW-CDU. Mittwoch soll er dann zum Ministerpräsidenten gewählt werden, es ist eine knappe Mehrheit dort. Rechnen Sie da mit einer Überraschung?
von Alemann: Ich rechne schon – es wäre schon eine Überraschung möglich, sagen wir mal so. Aber diese Überraschung wäre nicht tragisch, denn nach der Landesverfassung kann dann ein zweiter und ein dritter Wahlgang stattfinden, und dort reicht dann sozusagen die einfache Mehrheit. Er muss dann nicht genau die Hälfte der Mitglieder, sondern nur die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten auf sich vereinen. Falls er also das beim ersten Mal nicht schaffen sollte, könnte er kurz ein paar Tage später erneut antreten. Es wäre ein unangenehmer Kratzer in seiner Karriere sicherlich, aber es wäre kein wirklicher Beinbruch.

Die größten Herausforderungen für Laschets Nachfolger

Küpper: Es wäre ein Fehlstart, und das, obwohl er nur wenig Zeit hat und große Herausforderungen vor ihm liegen. Welche sind die größten?
von Alemann: Ja, die größten Herausforderungen sind natürlich weiterhin die Pandemie auch in diesem Winter – er ist ein ganz frischer Ministerpräsident – zu bekämpfen und in den Griff zu bekommen. Die zweite große Herausforderung, wir wissen es alle, ist das Klima, die dritte große Herausforderung, dass er als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen dann mit einer neuen, ganz anderen Bundesregierung, nämlich erstmalig einer Ampelregierung, zu tun hat. Es ist für ihn eine Riesenherausforderung. Es wurden vorher die Umfragedaten zitiert, seine eigene CDU ist bei 20 Prozent, da wird sie nie und nimmer, wenn es dabei bleiben sollte, eine Mehrheit für die nächste Landesregierung haben – im Mai sind die Landtagswahlen. Die türmen sich geradezu, die Probleme, für ihn, und er wird da ganz hart anpacken müssen, und er muss seiner eigenen Partei auch noch wiederum die Wunden lecken, die diese Bundestagswahl geschlagen hat, auch im Lande Nordrhein-Westfalen. Also es wird kein einfacher Job für ihn.
Küpper: Der Prozess, die Wunden zu lecken in der Bundespartei der CDU, der geht ja auch im Grunde genommen gerade erst richtig los. Ist das auch etwas, was für Wüst gefährlich ist, wenn sich das länger zieht, ist es in seinem Interesse daher, dass das eine schnelle Regelung gibt in der Bundes-CDU?
von Alemann: Ja, es ist für ihn ein großes Problem, dass alle Nachfolgekandidaten auf der Bundesebene für Laschet als Parteivorsitzender und möglicherweise auch als Fraktionsvorsitzender, als Oppositionsführer aus seinem eigenen Bundesland, hier aus Nordrhein-Westfalen kommen. Wie das ausgeht, weiß noch niemand, und da gibt es eben verschiedene Flügel auch und verschiedene Persönlichkeiten, die miteinander ringen um diese Nachfolge, und das muss er auch irgendwie begleiten. Und es wird der CDU im Lande Nordrhein-Westfalen – zwar kann sie eigentlich stolz sein, dass sie so viele Spitzenkandidaten hat, mögliche, für die CDU-Führung, aber die Unterlegenen werden dann wiederum Probleme damit haben, dass sie das nicht erreicht haben. Und da den Laden weiter zusammenhalten, wird für ihn dann als neuem Landesvorsitzenden der CDU nicht leicht werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.