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"Lasst doch mal die Dinge ihren Lauf gehen"

Der bildende Künstler Felix Droese hat sich für den Erhalt der Eichenallee von Schloss Moyland in ihrer jetzigen Form ausgesprochen. Ihr Schöpfer Joseph Beuys habe die Stolpersteine "bewusst in die Welt gesetzt", um zu zeigen, dass es ihm nicht nur um das Bäume pflanzen, sondern um "die Veränderung der gesamten Welt" gegangen sei.

Felix Droese im Gespräch mit Dina Netz | 29.07.2009
    Dina Netz: Unter der Federführung von Joseph Beuys' früherem Mitarbeiter Uwe Claus ist jetzt also ein Aufruf in der Welt für den Erhalt der Eichenallee in ihrer jetzigen Form - Uwe Claus eben, der die Stelen damals aufgestellt hat. Unterschrieben haben zum Beispiel die Witwe des Stifters von Museum Schloss Moyland, Marcella van der Grinten, außerdem, wie erwähnt, Kaspar König, Direktor des Museum Ludwig in Köln, und Wulf Herzogenrath, Direktor der Kunsthalle Bremen. Auch einige Künstler sind dabei, darunter Felix Droese, der in Mettmann wohnt, also nicht sehr weit vom niederrheinischen Schloss Moyland. Ich habe ihn gefragt: Herr Droese, selbst die Witwe von Joseph Beuys, Eva Beuys, wird in einem Zeitungsbericht zitiert, sie finde die Stelen furchtbar. Warum wollen Sie die Eichenallee bewahren?

    Felix Droese: Ja, die sollen doch froh sein, dass sie überhaupt paar Eichen wieder da stehen haben. Also wie ich gelesen hab, gab es vor 1996 nur ein paar verstümmelte, paar alte, uralte Eichen. Und jetzt haben sie dank dieser Initiative wieder eine Eichenallee mit, glaube ich, 46 Stieleichen, ne?

    Netz: 48 sind es sogar, ja.

    Droese: Oder 48, ja.

    Netz: Ja, wobei ja auch nicht die Eichen gefällt werden sollen, sondern die Stelen weggeräumt.

    Droese: Ja, aber das Wichtige an der Aktion ist doch, dass überhaupt Bäume gepflanzt werden. Der Beuys hat doch gesagt, wenn ich mich recht erinnere: Wir wollen damit ja nie wieder aufhören. Und die Steine, das ist ja natürlich klar, dass die Steine immer der Anstoß sind. Also an dem Stein, da stößt man sich ja, deswegen wurde der Stein ja auch mitgepflanzt, damit ja keiner auf die Idee kommt, dass es sich hier einfach nur darum dreht, Bäume zu pflanzen, sondern ihm ging es ja wohl um die Veränderung der gesamten Welt.

    Netz: Wobei, wenn man ganz korrekt ist, man natürlich sagen muss, diese Bäume wurden im Rahmen der Gartenrestaurierung gepflanzt ...

    Droese: Das ist doch gut.

    Netz: ... und Uwe Claus hat davor die Stelen gestellt, also diese Steine gesetzt. Insofern sind nicht in Beuys' Sinne diese Eichen gepflanzt worden.

    Droese: Na, natürlich. Also jede Eiche, die heute gepflanzt wird, hat ja auch mit zu verdanken, dass da einer weltweit auf die Idee gekommen ist und gesagt hat, um die Menschheit zu retten, müssen wir die Lebenskraft wieder aufrichten, und dazu gehört natürlich auch der Lebensbaum, gehört natürlich auch der Baum selber. Also es ging doch dem Beuys um die Rettung der Seele des Menschen und nicht einfach nur, gärtnerisch eine Gartenanlage zu planen. Und deswegen war ihm ja auch alles recht, dass also sowohl in der Stadt gegen dieses vermeintlich gärtnerische Besserwissen - Bäume gehören nicht an eine Straße, Bäume gehören nicht dahin, Bäume gehören nicht dahin, das bestimmt das Gartenbauamt -, das interessiert die Bäume einen Scheißdreck, die wachsen da, wo sie können. Und wenn der Mensch überleben will, so war wahrscheinlich seine Idee, braucht er die ordnende Kraft der Natur, und dazu gehört auch ein Baum, der bewusst irgendwo hingesetzt wird. Deswegen gibt es ja auch bei der Dia Art Foundation, ich kann es ja nur wiederholen, mitten in New York eine gepflanzte Eiche, und es gibt auch einen Stein dazu.

    Netz: Herr Droese, so, wie Sie jetzt argumentieren, argumentieren Sie aber ganz genau so wie Bettina Paust, die Museumsdirektorin, und übrigens auch die Beuys-Witwe Eva, die nämlich sagen, das Konzept von Joseph Beuys war eben, Eichen in den öffentlichen Raum zu stellen, mit den Stelen davor zu markieren und eben nicht in so einen nicht-öffentlich zugänglichen Garten, wie das in Moyland der Fall ist. Und deswegen muss man das ...

    Droese: Ja, aber jetzt ist natürlich die Absurdität ...

    Netz: ... so auflösen, wie es jetzt in Moyland ist.

    Droese: Ja, aber die Absurdität ist natürlich jetzt ein bisschen da, dass da, wo das Erbe von diesem Bildbauer Beuys bewahrt wird, da nun genau soll dieser Stolperstein, den er bewusst in die Welt gesetzt hat, nicht mehr vorhanden sein. Das kann man machen, nur dann soll man auch so ehrlich sein und sagen: Wir brauchen den Beuys in Moyland nicht. Und vielleicht ist ja auch der Gedanke, dass man Moyland sowieso eines Tages schließt, weil das wird viel zu teuer, die Landesregierung will das schon lang nicht mehr haben. Das hat mal die SPD inszeniert als Goodwill gegenüber dem Andenken von Beuys, weil man sich schuldig fühlte. Und die CDU sagt wir brauchen den ganzen Schmockes da nicht mehr.

    Netz: Herr Droese, wenn Sie es noch mal ganz kurz zusammenfassen zum Schluss, obwohl Sie noch nie in Moyland waren: Warum ist Ihnen das wichtig, dass diese Eichenallee so erhalten bleibt mit den Stelen, die Uwe Claus gemacht hat dazu?

    Droese: Ja, weil dieser Gedanke von dem Beuys, dass man etwas zurücklassen muss, dass man diese restauratorische oder immer nur nach rückwärts und immer nur negativ ins Bewahrende schielende Gedankenrichtung, dass man die brechen muss. Da tötet sozusagen eine Gesellschaft sich selber, wenn sie nicht begreift, dass sie auch Dinge hinter sich lassen muss und dass das Entscheidende der verändernde Prozess ist. Und dieser verändernde Prozess, um den in Gang zu bringen, hat der Beuys 1981 sozusagen das initiiert, und zwar einen Baum mit einem Stein zusammen, und zwar ein besonderer Stein, ein gewachsener Stein, der dann aber tot ist und der sich auch überlebt haben wird eines Tages, wenn die Bäume gerettet sind, wenn sie so groß sind, dass der Stein in den Hintergrund tritt. Wenn man jetzt aber schon wieder da drinne rumfummelt und alles besser weiß als der Schöpfer, dann ist man wieder in dem Dilemma, wo der Mensch ja sowieso drinne steckt, dass er inzwischen völlig hybrid meint, er ist der absolute Schöpfer über Himmel und Erde und kann hier tun und lassen, was er will. Der Beuys war da der Mahner. Warum will man da immer drinne rumfummeln? Lasst doch mal die Dinge ihren Lauf gehen, ist doch auch mal schön.

    Netz: Meint der Maler Felix Droese im Gespräch über die Eichenallee auf Schloss Moyland.