Archiv

Lebensmittelchemie
Marmite zum Bierbrauen

Wer in England oder Australien frühstückt, kommt früher oder später mit einem ganz besonderen Brotaufstrich in Kontakt: "Marmite" oder "Vegemite". Über den Geschmack des Hefeextrakts lässt sich zwar streiten. Doch Chemiker im australischen Brisbane haben jetzt herausfinden, dass sich mit der Paste sogar Bier brauen lässt.

Von Michael Stang |
    Vier Vegemite Packungen liegen auf einem Korb
    Love it or hate it - Marmite und Vegemite rufen meist eindeutige Reaktionen bei demjenigen hervor, der den Hefeextrakt probiert. (T. Heser)
    In Australien ist das heimische Bierbrauen tief in der Gesellschaft verankert, ähnlich wie in Deutschland das Einkochen von Marmelade oder in England das Herstellen von Chutneys. In Down-Under kann man Bier-Heimbrausets direkt im Laden erwerben, die einen Ertrag von 23 Litern mit rund fünf Prozent Alkohol versprechen. Doch die Australier brauen nicht nur mithilfe professioneller Zutaten, so Benjamin Schulz von der University of Queensland in Brisbane.
    "Im vergangenen Jahr gab es Berichte, dass an einigen Orten, wo Alkohol verboten ist, die Leute selber Bier mithilfe von Vegemite brauen. Dahinter stand die Überlegung, dass der Brotaufstrich vielleicht noch lebende Hefezellen enthält, die den Gärungsprozess voranbringen."
    Der salzige Brotaufstrich Vegemite dient demnach in einigen indigenen australischen Gemeinschaften – wo Alkohol offiziell abgelehnt oder verboten wird – als Hefequelle für die private Bierherstellung. Ähnliche Gerüchte gab es über mehrere Gefängnisse, weshalb Vegemite in einigen Anstalten mittlerweile verboten ist. Die Behauptung, dass der Aufstrich tatsächlich zum Brauen geeignet ist, hat Benjamin Schulz stutzig gemacht, denn es handelt sich ja um ein behandeltes Lebensmittel, das eigentlich steril sein sollte. Damit dürfte der Brotaufstrich keine lebenden Hefepilze enthalten. Der Biochemiker überprüfte das. In keiner seiner untersuchten Vegemite-Proben entdeckte er lebende Hefe.
    "Wir wissen, dass Hefe zum Wachsen Zucker braucht, zudem Proteine, Vitamine und Wasser. Unsere Idee war, dass Vegemite als Protein- und Vitaminlieferant ins Spiel kommt. Das haben wir im Labor getestet: Zucker und Hefe zusammen funktionierte nicht, Vegemite und Hefe auch nicht, gleiches galt für Zucker zusammen mit Vegemite. Erst als wir alle drei Komponenten zusammengeschüttet haben, konnte sich die Hefe vermehren und den Zucker in Alkohol umwandeln."
    Das Brauen von Vegemite-Bier ist tatsächlich möglich
    Vegemite funktionierte also nicht als Starterhefe, sondern als Nährstoff-Lieferant. Setzt man Kohlenhydrate hinzu, ist das Brauen von Vegemite-Bier also tatsächlich möglich. Blieb noch die Frage offen, ob die selbst zusammengestellten Zutaten billiger sind als die im kauffertigen Bierbrauset.
    "Wir haben uns die Produktionskosten angeschaut, weil der Grund für das Vegemite-Bier ja das Geld war, beziehungsweise dieses Bier in Gegenden gebraut wurde, wo Brauzutaten verboten oder rar waren. Vegemite und Zucker sind billig, zudem leicht zu transportieren. Von daher liegt es auf der Hand, dass diese Zutaten zur Alkoholproduktion genutzt werden."
    Die Kosten für ein Vegemite-Bier schätzt der australische Forscher auf etwa neun US-Cent pro typischer 375-Mililiterflasche, das Bier aus einem vergleichbaren Heimbrauset geht mit Kosten von 27 Cent pro Flasche einher, kommerzielle Biere stehen bei einem Dollar 60 oder mehr. Vegemite-Bier ist damit wesentlich billiger in der Herstellung. Der Preis ist aber nicht alles, auch der Geschmack sei wichtig. Dieser Frage ist Benjamin Schulz ebenfalls nachgegangen.
    Das Bier hat einen seltsamen Vegemite-Nachgeschmack
    "Unsere ersten Versuche waren, sagen wir – interessant. Das Bier – wenn man es so nennen mag, es hat natürlich nichts mit dem Bier nach deutschen Reinheitsgebot zu tun – enthält Alkohol, ist zunächst angenehm im Geschmack, hat dann aber einen seltsamen Vegemite-Nachgeschmack. Manche mögen das vielleicht, ich bin mir da aber nicht so sicher. Es ist auf jeden Fall ein sonderbares und interessantes Aroma."
    Im industriellen Maßstab wird Vegemite-Bier wohl nicht produziert werden, vermutet der Forscher, denn im Prinzip handelt es sich bei dem Hefeextrakt nur um ein gut vermarktetes Nebenprodukt der Brauereien.