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Lebensmittelverschwendung
Pariser Restaurant rettet Gemüse vor dem Müll

Wassermelone mit Minzblättern, Auberginen-Kavier und Kokosplätzchen - ein Menü im Pariser Restaurant Freegan Pony. Alles, was hier auf den Tisch kommt, ist beim Großmarkt übrig geblieben und wäre sonst auf dem Müll gelandet. Bei den Besuchern kommt das Konzept an - und auch immer mehr Sterneköche wollen sich mal einen Abend hinter die Herdplatten stellen.

Von Suzanne Krause | 13.05.2016
    Menschen essen in Paris im Restaurant "Freegan Pony", das Essen aus Resten vom Rungis-Markt serviert.
    Vor dem Müll gerettet: In einem Pariser Restaurant kommt Gemüse auf den Teller, das beim Großmarkt nicht verkauft wurde. (AFP - DOMINIQUE FAGET)
    In Reih und Glied stehen mehrere Küchen-Herde, Sperrmüll-Ware. Daneben sind verwitterte Holzpaletten aufgetürmt, darauf eine riesige Glasplatte – der Arbeitsbereich. Dort schnippeln mehrere Personen in schwarzen Küchenschürzen Gemüse. Angeleitet von Sarah Elgrably, der Chefköchin.
    "Also, beim heutigen Menü gibt es vorweg Wassermelone mit Minzblättern, Haselnüssen und einer Vinaigrette. Das Hauptgericht besteht aus Kartoffelbrei, Zucchinis mit gedünsteten Zwiebeln, karamellisierten Aprikosen, Auberginen-Kaviar. Und zum Nachtisch kredenzen wir Kokosplätzchen und Minztee."
    Das Menü hat sie sehr spontan entwickelt – es war ja bis mittags nicht absehbar, was im Großmarkt Rungis an unverkauftem Obst und Gemüse abfallen würde. Sarah Elgrably, Inhaberin eines kleinen Catering-Service mit veganer Kost, kocht zum ersten Mal im Freegan Pony. Und es gefällt ihr ungemein.
    "Weil wir hier alle im Team arbeiten, uns miteinander austauschen. Weil wir hier alternative Speisen bieten. Der Ort wirkt wie ein moderner Kibbuz."
    Eine lange Anrichte trennt die Küche vom Speisesaal. Ein riesiger hoher Raum, die Wände aus rohen Ziegelsteinen, am Boden abgetretene Teppiche, das Mobiliar ist bunt zusammengewürfelt. Auf der Theke Karaffen mit Rotwein – der muss eingekauft werden, das Bier wird von einer nahen Brauerei spendiert, der Kirschsaft, das Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen, vom Bioladen.
    Valentin macht die Bar im Freegan Pony. Die liegt zwei Etagen unter der vielbefahrenen Stadtautobahn. Doch das Parkhaus über dem Restaurant würde den Lärm gut abhalten, sagt Valentin.
    "Es ist schon lustig, ein Restaurant gegen Lebensmittelverschwendung, also eine Öko-Initiative, ausgerechnet an einem so verdreckten Ort aufzuziehen."
    Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung
    Die Idee dazu stammt von Aladdin Charni, langjähriges Mitglied der Pariser Hausbesetzer-Szene, seit sieben Jahren ein Freeganer. Charni lebt von dem, was andere wegwerfen. 20 Kilo Lebensmittel pro Jahr pro Kopf in Frankreich. Das ist ohnehin schon wenig im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Frankreich aber, traditionsreiches Feinschmecker-Paradies, will bis 2025 die Menge weggeworfener Esswaren weiter reduzieren, sagt Aladdin Charni.
    "Vor einem halben Jahr hat die französische Regierung ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung verabschiedet. Das schreibt Supermärkten mit über 400 Quadratmetern Größe vor, unverkäufliche Ware an karitative Einrichtungen zu spenden. Auch wenn das europaweit federführend ist – es fehlen noch Maßnahmen für die Hersteller von Lebensmitteln, denn die schmeißen auch viel weg. Auch kleine Läden sind im Text nicht berücksichtigt. Aber dennoch trägt das Gesetz zu einem Mentalitätswandel bei und kann ja noch ergänzt werden."
    Der Mentalitätswandel wird in Frankreich immer sichtbarer: Kantinen-Köche wurden auf Resteverwertung geschult, an den Kantinenkassen liegen für die Besucher Gratisbroschüren aus mit entsprechenden Tipps. 2013 führte die Regierung einen jährlichen 'nationalen Tag gegen die Lebensmittelverschwendung' ein und startete schon mehrere Kampagnen. Starköche veranstalten Workshops zu genau dem Thema.
    Sternköche stellen sich hinter den Herd
    Im Freegan Pony melden sich immer mehr Sterneköche, die mal einen Abend hier kochen wollen. Das Restaurant ist jeden Abend rappelvoll, das Publikum immer bunter gemischt, sagt Aladdin Charni.
    "Letzte Woche hat Walid hier gekocht, der Chef eines kleinen schicken Restaurants. Vom Herd aus sah er zwei Frauen, die jede ihr Essen an der Ausgabe abholten: die eine sichtbar aus großbürgerlichen Verhältnissen, die andere obdachlos. Er fand die Szene so bemerkenswert, dass er gleich ein Foto machte. Er konnte es gar nicht fassen, dass da bei uns zwei so unterschiedliche Welten aufeinandertreffen. Genau das aber wollen wir auch mit unserem Restaurant."