Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Leichen-Einsammler in Freetown
"Wir müssen das jetzt für unser Land machen"

Beim Kampf gegen das Ebola-Virus gehen viele Helfer ein hohes Risiko ein – und werden dazu häufig von ihren eigenen Familien und Freunden ausgegrenzt. So auch ein Team vom Roten Kreuz in Sierra Leone, das täglich die Leichen von Ebola-Toten einsammelt.

Von Adrian Kriesch und Jan-Philipp Scholz | 01.10.2014
    Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen/Medecins Sans Frontieres (MFS), desinfizieren am 02.09.2014 in Schutzkleidung am Ebola Zentrum der Hilfsorganisation in Monrovia, Liberia, Leichensäcke.
    Die Leichen sind hochansteckend (dpa / picture-alliance / Caroline van Nespen)
    Es ist kein Rettungswagen, der mit Sirene über die Straßen von Freetown fährt. Es ist ein Leichenwagen. Die Menschen am Straßenrand bleiben stehen, ihre Gesichter werden ernst. Viele hier wissen: Das sind die Leicheneinsammler vom Roten Kreuz. Wenn Ebola zugeschlagen hat, kommen sie.
    Noch ernster wird die Situation bei der Ankunft in einem zentralen Stadtteil der Hauptstadt von Sierra Leone. Teamleiter Desmond Reez und seine Mitarbeiter sollen hier einen Toten abholen, doch die Familie will die Leiche selbst beerdigen. "Der hatte kein Ebola", rufen sie. "Verschwindet!". Das Team zieht ab.
    "Das größte Problem haben wir, wenn wir ankommen und die Leute nicht akzeptieren, dass Ebola existiert. Manchmal wollen sie uns verprügeln, werfen Steine. Das verletzt mich auch innerlich. Einmal haben sie uns gesagt: Ihr seid Ausgestoßene, deshalb haben sie euch geschickt, um die Leichen zu begraben."
    Hier kann mehr als jeder Zweite weder lesen noch schreiben, Gerüchte über Ebola fallen häufig auf fruchtbaren Boden. Desmond Reez kämpft dagegen an, ist seit drei Wochen täglich freiwillig im Einsatz. Sein Gesicht sieht müde aus.
    "Ich kann momentan nicht mal meine Familie sehen. Und ich muss meine eigene Mutter anlügen. Sie hat gesagt: Wenn Du diese Leichen einsammelst, dann komm nicht in unsere Nähe. Zwei unserer Freiwilligen wurden sogar vom Vermieter aus ihren Wohnungen geworfen. Sie müssen jetzt bei Freunden übernachten."
    Der nächste Einsatzort ist eine Ebola-Isolierstation am Stadtrand. Hier sind an einem Tag gleich drei Patienten verstorben. Das Team zieht sich vorsichtig gelbe Schutzanzüge an. Jeder Griff muss bei der Vorbereitung stimmen, kein Millimeter Haut darf frei bleiben. Mehr als 200 Ärzte, Pfleger und Helfer haben sich in den letzten Monaten in Westafrika mit Ebola infiziert, weil die Schutzmaßnahmen unzureichend waren.
    "Ich bin in dem Anzug 100 Prozent geschützt. Ich fühle mich sicher. Aber es ist extrem heiß hier drinnen, wie in der Hölle. Klar ist das eine Herausforderung, aber wir müssen das jetzt für unser Land machen."
    Sagt ein junger Helfer und geht dann in die Isolierstation, um mit seinen Kollegen drei Leichen in Plastiksäcken in den Transporter zu laden.
    Auf dem Weg zum Friedhof ein letzter Stopp, die letzte Leiche für heute. Am Straßenrand wird das Opfer vor den Augen Dutzender Schaulustiger in den Wagen gelegt. Davis Asoko hat sofort die Ebola-Hotline angerufen, als sein Neffe plötzlich verstarb. Ein gutes Zeichen, sagen die Helfer, das die Aufklärungsarbeit langsam Erfolge zeigt.
    "Ich mache mir schon Sorgen. Eines der Symptome ist immerhin, das Körperflüßigkeiten austreten. Das war bei ihm der Fall."
    Am Ende des Tages zollen die Helfer vom Roten Kreuz den Leichen ihren Respekt und beerdigen sie auf dem Friedhof. Und wie jeden Tag hoffen sie, dass ihr Job bald überflüssig wird.