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Letterman-Comeback
Eine Show als Liebeserklärung

Late-Night-Legende David Letterman gibt sein Comeback. Bei Netflix trifft der 70-Jährige in sechs Sendungen auf große Namen. Seinen ersten Gast Barack Obama hofiert er regelrecht. Eine Sendung, die Mut macht, aber bei der Auswahl der Gäste vorhersehbares Programm liefert: viel Konsens und wenig Konflikt.

Von Julian Ignatowitsch | 15.01.2018
    Erster Gast in David Lettermans neuer Show auf Netflix: Ex-US-Präsident Barack Obama
    Erster Gast in David Lettermans neuer Show auf Netflix: Ex-US-Präsident Barack Obama (Netflix/ Joe Pugliese)
    "Ladys and Gentleman please welcome my next guest: The 44. President of the United States of America, Barack Obama."
    Es ist, als wäre er, als wären sie, nie weggewesen. Barack Obama kommt im weißen, aufgeknöpften Hemd auf die Bühne, staatsmännisch und zugleich locker-lässig, so wie man ihn kennt - und Gastgeber David Letterman, mit biblisch-grauem Rauschebart, schließt ihn direkt freundschaftlich in die Arme.
    "You and I recently left long-term-jobs …" - "I was not fired though."
    Wir haben beide unsere langjährigen Jobs aufgegeben, sagt Letterman zum Einstieg. Aber ich wurde nicht gefeuert, scherzt Obama. Beide lachen. Dieser herzliche Ton, diese umarmende Haltung zieht sich durch die ganze Sendung.
    Vertauschte Rollen
    David Letterman ist zurück. Und sein eigenes Vermächtnis - so das durchgehende Gefühl - spiegelt sich in der Auswahl seines Gastes und dessen Vermächtnis. Zwischenzeitlich kehren die beiden sogar ihre Rollen um. Obama befragt Letterman, wie es ihm denn gegangen sein, so ohne Job?
    Und Letterman, der zunächst bereitwillig antwortet, klärt sein Gegenüber dann auf, er müsse doch hier die Fragen stellen. Der Zuschauer merkt schnell: Hier spricht das "gute" Amerika, hier sprechen zwei Stimmen der Vernunft, der Verantwortung, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. In diesen turbolenten politischen Zeiten ist das wohltuend.
    "When you become president and you are in the Oval Office, you know you have to act presidential."
    Obama nimmt den Namen Trump in dieser Stunde nicht ein einziges Mal in den Mund - und doch zielt vieles, was er sagt, direkt auf seinen Nachfolger, anders kann man es gar nicht verstehen.
    "There is a democracy and the voting process is being monkeyed by foreign countries." - "Hypothetically."
    Letterman liefert dem Ex-Präsident nacheinander die passenden Stichworte. Eine Demokratie, deren Wahl von anderen Ländern manipuliert wird. Nur hypothetisch, ergänzt Obama. Wenn er dann von Wahlrecht, Pressefreiheit oder der veränderten Rolle der sozialen Medien spricht, verteidigt er all das, was Trump derzeit in Frage oder sogar an den Pranger stellt.
    "One of the biggest challenges we have to our democracy is the degree to which we don't share a common baseline of facts."
    Viel Konsens wenig Konflikt
    Insofern ist es eine mutmachende, eine aufrüttelnde Sendung. Herausragt ein längerer Einspieler über die Bürgerrechtsbewegung in Selma. Aber es ist auch eine Sendung, die sehr vorhersehbar abläuft. Letterman gibt abwechselnd den besorgten, den sarkastischen, den berührten Gesprächsführer. Er hat in drei Jahren Pause natürlich nichts verlernt. Entlockt seinem Gesprächspartner auch private Details, wenn Obama von Ehefrau Michelle und seinen Töchtern schwärmt.
    "I took Michelle on a holiday because I missed my wife. We had not kinda hung out ..."
    Soviel ist aber anders: Streiten will der 70-jährige Letterman zukünftig nicht mehr.
    Und das ist schade, war er doch dabei immer am stärksten. Die Auswahl der Gäste seiner sechs Sendungen, die ab sofort monatlich auf Netflix erscheinen, verspricht viel Konsens und wenig Konflikt. Gespräche mit dem sozial-liberalen Schauspieler George Clooney oder Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai dürften ähnlich ablaufen, wie das mit Obama. Nämlich als große Würdigung, fast schon als Liebeserklärung. Eine solche macht Letterman dem 44. US-Präsidenten am Ende dann tatsächlich und verdrückt eine Träne.
    "Without a question of a doubt, you are the first president I truly and fully respect!"
    Er sei der erste Präsident, den er wahrhaftig und völlig respektiere. Großer Jubel!