
Carneys Regierungspartei kam nach Auszählung von rund 95 Prozent der Wahllokale auf 43,2 Prozent der Stimmen, die Konservativen auf 41,7 Prozent. Die Liberalen erhalten demnach voraussichtlich 166 Sitze im Parlament. Sie bleiben damit knapp unter der absoluten Mehrheit von 172 Sitzen.
Carney: "Wir werden diesen Handelskrieg gewinnen"
Die Parlamentswahl fand vor dem Hintergrund der aggressiven Zollpolitik der USA sowie Trumps Drohungen statt, Kanada zum 51. US-Bundesstaat zu machen. Kurz nach Öffnung der Wahllokale hatte Trump entsprechende Äußerungen in seinem Onlinedienst Truth Social wiederholt. Carney und Poilievre wiesen dies entschieden zurück.
"Unsere einstige Beziehung zu den Vereinigten Staaten ist vorbei", weil "Präsident Trump versucht, uns zu brechen, um uns zu besitzen", sagte Carney. Zugleich stimmte er die Kanadier auf herausfordernde Zeiten ein: "Wir werden diesen Handelskrieg gewinnen", aber es stünden "schwierige Monate" bevor, "die Opfer verlangen werden".
Oppositionsführer Poilievre kündigte an, seine Partei werde "mit dem Premierminister und allen Parteien zusammenarbeiten, um die Interessen Kanadas zu verteidigen und ein neues Handelsabkommen zu erzielen, das diese Zölle hinter uns lässt und unsere Souveränität schützt".
Carney profitiert von Trumps aggressiver Haltung
Carney war mit seiner Liberalen Partei als Favorit ins Rennen gegangen. Die Regierungspartei lag zuletzt in Umfragen knapp vier Punkte vor den Konservativen. Diese hatten in Umfragen lange Zeit vor den Liberalen gelegen. Trumps aggressive Kanada-Politik führte in den vergangenen Monaten jedoch zu einem spektakulären Meinungsumschwung.
Der seit Mitte März regierende Carney - Parteifreund und Nachfolger des langjährigen, zurückgetretenen Premiers Trudeau - richtete den Wahlkampf ganz auf Trump aus. Der 60-Jährige präsentierte sich als der beste Kandidat, um es mit dem US-Präsidenten aufzunehmen. Zu seinem Vorgänger Trudeau ging er während des gesamten Wahlkampfes auf Distanz.
Carney hatte zu Beginn seiner Karriere als Investmentbanker bei Goldman Sachs gearbeitet. Von 2008 bis 2013 leitete er die kanadische Zentralbank. Danach wurde er Chef der britischen Zentralbank - als erster Ausländer in der Geschichte Großbritanniens und just während der Turbulenzen wegen des Brexit. Später war Carney außerdem UN-Sondergesandter für die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen.
Glückwünsche aus dem Ausland
Aus dem Ausland trafen bereits Glückwünsche für Carney ein. "Ich freue mich darauf, eng zusammenzuarbeiten", erklärte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen im Onlinedienst Bluesky. "Die Verbindung zwischen Europa und Kanada ist stark - und wird immer stärker."
Frankreichs Präsident Macron, der britische Premierminister Starmer und der ukrainische Präsident Selenskyj gratulierten Carney ebenfalls. Selenskyj erklärte, er hoffe auf eine Stärkung der bilateralen Partnerschaft. China signalisierte derweil seine Bereitschaft zur Verbesserung der seit Jahren angespannten Beziehungen zu Kanada.
Diese Nachricht wurde am 29.04.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.