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Liebe und Intrigen in der Wissenschaft

Nur 20 Prozent der Absolventen in den Ingenieurswissenschaften sind weiblich. In Rostock geht man jetzt ungewöhnliche Wege, um mehr Frauen in die technischen Studiengänge zu locken: Dort wird eine Wissenschafts-Seifenoper mit dem Titel "Sturm des Wissens" produziert.

Von Lenore Lötzsch | 12.08.2013
    Seit zwei Stunden wuseln junge Männer durch den Flur des Rostocker Frauenhofer-Instituts. Sie stellen eine wuchtige Ledercoach schräg in eine Ecke und klemmen blaue und violette Folien vor die Neonröhren, die die Szenerie beleuchten. Alles erinnert eher an eine kühle Bar als an einen Wissenschaftsstandort. Uwe von Lukas, der Institutsleiter, schmunzelt tapfer. Er hatte die Idee zur Soap.

    "Das ist ja immer das Problem, dass wir in vielen Fällen uns mit Problemen beschäftigen, die man nicht in eine Soap reinpacken kann, weil man sie nicht so plakativ transportieren kann. Und das ist was, wo wir auch als Wissenschaftler immer auch ein Auge zudrücken mussten, um Sachen zu vereinfachen. Aber es dient letzten Endes der Verständlichkeit unserer Themen und dem Anliegen, was wir ja haben mit der Science Soap."

    Den Wissenschaftsstandort Rostock zu vermarkten und zwar abseits von den sonst üblichen Strandkörben oder der Gesundheitswirtschaft - das ist eines der Anliegen der bundesweit ersten "Science Soap". Es ist eine Art Wissenschaftskrimi: Ein Barthaar einer kranken Robbe führt die Protagonisten durch die Institute und Labore. Dabei entdecken sie einen neuen Organismus und natürlich gibt es den fiesen Gegenspieler, der die Forschungsergebnisse klaut. Ab November sollen die fünf jeweils zehnminütigen Folgen vorwiegend übers Internet verbreitet werden. Die Zielgruppe der Serie sind vor allem junge Frauen zwischen 14 und 20 Jahren.

    Inzwischen sitzt die junge Schauspielstudentin Anke Retzlaff eingehüllt in eine Decke auf der Couch. Vor Kurzem noch stand sie mit nackten Füßen am Ostseestrand, nun muss sie sich auf eine Szene vorbereiten, in dem ein Barthaar einer Robbe auf DNA Spuren untersucht wird. Die blonde junge Frau spielt Nele, die Hauptperson der Serie.

    "Nele zieht neu mit ihrem Vater nach Rostock, soll eigentlich Hotelfachfrau werden, das will jedenfalls ihr Vater. Sie gerät immer mehr hinein in die Uni-Welt und entdeckt, dass sie lieber Physik studieren wollen würde und dann geht es so ein bisschen um den Weg von Nele zum eigenen Selbstbewusstsein zu sagen: Ich mache das."

    Denn auch das ist ein Anliegen der Serie mit dem Titel "Sturm des Wissens": Die sogenannten MINT-Fächer , also Mathematik, Informatik , Naturwissenschaft und Technik sollen an die Frau gebracht werden. Für die Idee einer "Science Soap" für Frauen hat der Stifterverband der deutschen Wissenschaft den Rostockern bei einem Wettbewerb 50.000 Euro zugesprochen.

    Mit 30.000 Euro unterstützt die Stadt die Dreharbeiten, die auch in der Rostocker Robbenstation und in den Physiklaboren der Universität stattfinden. Das Wort Soap allerdings wird am Drehort nicht gern in den Mund genommen.

    "Ja, wir kriegen auch ein ganz hysterisch zuckendes Augenlid, wenn wir das Wort Soap hören. Wir sprechen auch unter uns nur von Serie. Ist auch ganz interessant, wie man immer mal wieder versucht, sich von diesem Format zu distanzieren. Also: Wie kann ich diesen Satz jetzt sprechen, dass er nicht soapig ist."

    Erzählt die Schauspielstudentin Anke Retzlaff. Doch die Rostocker Medienprofessorin Elizabeth Prommer rät, den Dünkel gegenüber Soaps über Bord zu werfen. Junge Frauen zwischen 15 und 20 Jahren schauen vor allem Soaps – und lieben das Dramatische und die menschlichen Beziehungen, das sagen Studien über den Fernsehkonsum. Und immer noch, sagt die Rostockerin, fehlt es in der Naturwissenschaft an weiblichen Vorbildern.

    "Warum wählen Frauen MINT-Fächer nicht? Sie können sich gar nicht vorstellen, dass das mit weiblichen Karrieren zusammengeht, sie haben zu wenig Beispiele. Also haben wir gedacht, wir schreiben in einem Format, was ihren Rezeptionsgewohnheiten entspricht, die Beispiele rein: Wir haben hier an der Universität Rostock Physikprofessorinnen mit Kindern, ich hab selber drei Kinder – eine Unikarriere widerspricht jetzt nicht der Familiengründung und all diesen Sachen. Das gibt es!"

    Noch eine Woche wird in Rostock gedreht. Und Andreas Ehrig aus dem etwas 20 Mann großen Drehteam verspricht: Es gibt in der Rostocker Wissenschaftsseifenoper noch mehr als Liebe, Intrigen und Sonnenuntergang am Meer:

    "Wir haben auch noch Robben mit großen Augen, ist doch toll! Mein Konzept als so was wie ein Art Director war, dass wir das Niveau doch ein bisschen anheben möchten, das heißt ich arbeite ganz viel mit Typographie und Fakten: Wenn wir eine Fahrt haben durch ein Labor, wo komplizierte Geräte stehen, die keiner kennt, schreib ich dann so rein in das Bild, was ist das, was kann das und warum ist es so besonders. Also wer neben der Handlung noch einen Mehrwert möchte, kann ihn sich abholen. Dass man tatsächlich noch mehr hat als das Klischee."

    Die Schauspielerin Anke Retzlaff hofft, dass das Projekt vor allem künstlerisch aufgeht:

    "Das ist auch ein Format, was Spaß machen kann mit einem gewissen Augenzwinkern, auch mit einer gewissen Leichtigkeit auch Themen gegenüber. Ich bin gespannt, ob wir eine Soap herstellen, wo man nicht zusammenzuckt. Sondern wo man denkt: Ah - das kann Soap auch sein."