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Lieber München als Harvard

Deutschland holt auf im Rennen um die klügsten Köpfe. Top-Wissenschaftler kehren aus Harvard, Berkeley oder New York zurück an deutsche Universitäten. Angelockt werden sie von guten Forschungsbedingungen und Förderprogrammen der DFG und der EU.

Von Susanne Lettenbauer |
    Weißer Kittel, ein Stethoskop in der Tasche, froschgrüne Klinikschuhe - Professor Steffen Maßberg sieht aus wie ein ganz normaler Klinikarzt. Der einzige Unterschied: Er kommt aus Harvard, war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Pathologie der Harvard Medical School. Der heutige Leiter des Fachgebiets Kardiovaskuläre Biologie der TU München hatte vor drei Jahren alle Möglichkeiten, in den USA eine Karriere als Forscher zu machen. Doch er entschied sich lieber für eine Professur in München:

    "Also der Hauptbeweggrund war, dass ich hier besser als in den USA die Möglichkeit gesehen habe, meine klinischen Interessen weiter zu verfolgen und parallel wissenschaftlich aktiv zu sein. Das ist eine Konstruktion, die zwar in den USA auch möglich ist, aber nicht so gut organisierbar, wie es hier geht."

    Mit Patienten zu arbeiten und gleichzeitig zu forschen, das ist so nur in Deutschland möglich, sagt Steffen Maßberg. Das verstanden seine Kollegen in Harvard, zu denen er auch nach seinem Weggang einen regen Kontakt hält, und ließen ihn ziehen. Seine zwei Teilprojekte in einer interdisziplinären DFG-Forschungsgruppe der TU werden großzügig mit zwei Stellen über drei Jahre und der Option auf Verlängerung finanziert. Eine wichtige Planungssicherheit für den Mediziner. In den USA wurden zuletzt die Mittel für Projekte derart knapp, dass die Bewilligung eher einem Lottospiel glich:

    "Deutschland hat aufgeholt, Deutschland und auch die EU haben mittlerweile verstanden, dass man was tun muss, um die Leute wieder zurückzuholen. Das ist sicherlich nicht deswegen, weil das Leben in Europa so scheußlich ist. Aber es gab bis vor ein paar Jahren nicht so sehr gute Förderinstrumente, um die Leute auch wieder zurückzuholen. Es gibt jetzt einige Fördermaßnahmen, die sehr wichtig sind."

    Die Systembiologin Ulrike Gaul kann dem nur zustimmen. Als Studentin ging sie in die USA und blieb. Machte Karriere und ist jetzt nach 20 Jahren wieder zurückgekommen. Die Gründe:

    "Man ist offener, es gibt mehr Bewegung im System, spannendere Sachen, auch mehr Geld für die Forschung und so weiter. Also es gibt viele Indikationen, dass Deutschland seine Rolle als Wissenschaftsstandort jetzt auch versucht, ernst zu nehmen."

    Wer an der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität von Ulrike Gaul spricht, tut dies nicht ohne eine gewisse Ehrfurcht. Vor zwei Jahren bekam sie fünf Millionen Euro, ihr Preisgeld für eine Alexander-von-Humboldt-Professur, dem höchst dotieren Forschungspreis Deutschlands.

    Die 50-Jährige lehrte seit 1993 an der Rockefeller-University von New York, forschte an der Universität von Berkeley. Seit dem vergangenen Studienjahr arbeitet sie am Münchner Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM) und baut am Genzentrum der LMU das Zukunftsfeld der Systembiologie auf. Sie hat sich nie darum beworben, sondern wurde abgeworben - eine für Deutschland neue, in den USA übliche Maßnahme der Universitäten im Kampf um die Spitzenköpfe.

    "Die Leute sind auf mich zugekommen, vor allem Patrick Kramer, der Leiter des Münchner Genzentrums, um eine bestimmte Funktion auszuüben und eine Stelle zu besetzen, die im Rahmen der Exzellenzinitiative geschaffen wurde, die in Richtung Systembiologie arbeitet. Das fand ich sehr spannend, auch als Aufgabe fand ich das spannend. Dann kam noch die Humboldt-Professur dazu. Da war natürlich ein sehr gutes Paket. An offer I couldn't refuse."

    Der Biochemiker Dirk Trauner wechselte 2008 von Berkeley nach München an die LMU-Fakultät für Chemie und Pharmazie. In den USA war er zuletzt in der Bewilligungskommission für Forschungsprojekte. Nur neun Prozent der Anträge konnten 2008 noch bewilligt werden. Bei der Deutschen Forschungsgesellschaft sind es circa 30 Prozent:

    "Was besser ist, dass ich eine große Zahl von permanenten Stellen habe, die mich durch Krisenzeiten leiten können. Dieses ständige Auf und Ab im Fundingsystem, das sie in den USA haben, wo sie in guten Zeiten viel Gelder einsammeln können, die dann in schlechten Zeiten einfach verpuffen, das ist in Deutschland gedämpft durch das deutsche Fundingsystem, weil sie einfach eine gewisse Zahl von permanenten Stellen, von gewissen Positionen haben, mit denen sie machen können, was sie wollen. Da schreibt ihnen kein Programmofficer vor, woran sie forschen sollen. Sie haben absolute Forschungsfreiheit."

    Alle größeren deutschen Universitäten können mittlerweile einen Heimkehrer präsentieren. Eine Win-win-Situation für alle Seiten: Das Renommee deutscher Universitäten steigt, die Rückkehrer bringen das Flair amerikanischer Lebens- und Arbeitsweise mit. Und: Die Studierenden erhalten viel häufiger die Möglichkeit, in den USA zu forschen, so der Harvard-Rückehrer Steffen Maßberg.

    "Einer meiner Studenten, ein sehr guter Student, ist in dem MdPhd-Programm der TU München. Er wird dort für ein Jahr in dem Labor arbeiten, wo ich gearbeitet habe in den USA."