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FIFA-Kritik
Lise Klaveness als Martin Luther King gefeiert

Norwegens neue Verbandschefin Lise Klaveness hat beim FIFA-Kongress in Doha mit Gastgeber Katar und dem Weltfußballverband abgerechnet. Die Rede kam dabei nicht überraschend, Norwegen hatte zuletzt schon mit Kritik am Emirat aufgewartet. In ihrem Heimatland wurde Klaveness überschwänglich gefeiert.

Jana Sinram im Gespräch mit Marina Schweizer |
Lise Klaveness, die Präsidentin des norwegischen Fußballverbandes während ihrer Rede auf dem FIFA-Kongress in Doha
Lise Klaveness, die Präsidentin des norwegischen Fußballverbandes während ihrer Rede auf dem FIFA-Kongress in Doha (dpa / picture alliance / Kyodo)
Die norwegische Verbandspräsidentin Lise Klaveness hat den Kongress des Fußball-Weltverbandes FIFA zu Veränderungen im Umgang mit Menschenrechten und Diversität aufgefordert. "Die FIFA muss als Vorbild agieren", sagte Klaveness während der Vollversammlung in der katarischen Hauptstadt Doha. Jeder Mensch müsse "mit demselben Respekt" behandelt werden.
Die WM 2022 in Katar sei im Jahr 2010 unter "inakzeptablen Umständen und mit inakzeptablen Konsequenzen" an das Emirat vergeben worden, sagte Klaveness. Der WM-Gastgeber steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und den Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik.

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"Direktheit und Deutlichkeit" überrascht

Dabei habe vor allem die "Direktheit und Deutlichkeit", mit der Klaveness die FIFA und deren Entscheidungen kritisiert hat, für Aufsehen gesorgt, sagte Journalistin Jana Sinram im Dlf. Dazu auch noch im WM-Gastgeberland Katar, auf dem FIFA-Kongress und vor dem Präsidenten Gianni Infantino.

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"Die FIFA hat diese Dinge angesprochen, aber es ist noch ein langer Weg", sagte Klaveness. "Die FIFA muss alle Maßnahmen ergreifen, um Veränderungen herbeizuführen."
Klaveness nannte die Rechte der LGBT+-Gemeinde – also unter anderem für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle, sowie Menschenrechte, Diversität und Antidiskriminierung als Beispiele.

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Klaveness verlangte von der FIFA auch, Probleme aktiv anzugehen, anstatt nur zu reagieren. Beim Krieg in der Ukraine, habe ein früherer WM-Gastgeber ein anderes FIFA-Mitgliedsland angegriffen, aber hier habe der Weltverband viel zu zögerlich und erst auf internationalen Druck gehandelt, kritisierte die Norwegerin den Ausschluss der russischen Mannschaften aus den FIFA-Wettbewerben und auch aus der Qualifikation zur WM in Katar.

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Klaveness ist keine Unbekannte

Klaveness war erst Anfang März zur Präsidentin des norwegischen Fußball-Verbandes gewählt worden - als erste Frau in diesem Amt. Allerdings ist sie im norwegischen Fußball keine Unbekannte - im Gegenteil.
"Sie war selbst fast 15 Jahre Profi-Fußballerin und hat sehr erfolgreich in der norwegischen Nationalmannschaft der Frauen gespielt. Nebenbei hat sie Jura studiert und später als Richterin und dann bei der norwegischen Zentralbank gearbeitet. Sie war Fußball-Kommentatorin für den norwegischen Rundfunk, für den hat sie unter anderem die Herren-WM 2018 in Russland kommentiert. Und in den letzten vier Jahren war sie beim norwegischen Verband Direktorin für Profifußball und damit zuständig für die Nationalteams der Frauen und der Männer", sagte Journalistin Sinram im Dlf.

Ansprache von LGBTQ-Rechten kein Zufall

Dass sie in Katar explizit die LGBTQ-Rechte angesprochen hat, ist kein Zufall: "Sie selbst ist mit einer Frau verheiratet, einer anderen ehemaligen Nationalspielerin. Die beiden haben drei kleine Kinder", sagte Sinram. Vor der Reise ins Emirat habe die 40-Jährige zusammen mit dem norwegischen Außenministerium noch einmal prüfen lassen, ob sie überhaupt ohne Sicherheitsrisiko nach Katar reisen könne - denn dort steht Homosexualität per Gesetz unter Strafe.
"Klaveness ist der komplette Gegenentwurf zu den meisten männlichen Fußball-Funktionären - eine verhältnismäßig junge, kompetente, queere, Frau, die, wie wir jetzt wissen, Konfrontation nicht scheut", sagte Skandinavien-Kennerin Sinam.

Norwegens WM-Boykott war 2021 abgeschmettert worden

Im Frühjahr 2021 hatten mehrere norwegische Erstliga-Klubs einen Boykott der WM in Katar gefordert, selbst die norwegische Nationalmannschaft hatte mit T-Shirt-Aktionen während der WM-Qualifikation auf die Menschenrechtslage in Katar hingewiesen. Doch am Ende entschied sich die Versammlung des norwegischen Fußballverbandes bei einer Sondersitzung gegen den Boykott.
"Der Verband war immer gegen den Boykott. Aber man kann sagen: Am Ende hat dessen Ablehnung überhaupt erst zu Lise Klaveness außergewöhnlicher Rede vor der FIFA geführt. Denn, auch das hat der NFF auf der genannten Vollversammlung beschlossen: Wenn es schon keinen Boykott gibt, dann wenigstens sehr deutliche Kritik und Druck auf das WM-Gastgeberland. Damit wollte der Verband den Forderungen der Fans nach Veränderung im Fußball Rechnung tragen", erklärte Sinram die Hintergründe zu Klaveness Rede.

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Vergleiche mit "I have a dream"-Rede

Die Rede kam in der Öffentlichkeit sehr gut an. Der Sprecher des Fan-Dachverbandes "Norsk Supporterallianse" twitterte, der norwegische Fußballverband steche als eine der progressivsten Stimmen in einer verfaulten FIFA hervor. Damit sei der Fußball zwar noch nicht gerettet, aber die Rede sei ein guter Anfang.
Und auch die norwegischen Medien feierten die neue Verbandspräsidentin. Der Kommentator des öffentlich-rechtlichen Senders NRK verglich Klaveness Rede sogar mit der berühmten "I have a dream"-Rede des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King, berichtete Sinram.
Er fragte, ob man in Katar vielleicht sogar die nächste FIFA-Präsidentin habe sprechen hören. Wahrscheinlich nicht, beantwortet er die Frage selbst – aber Klaveness habe gezeigt, dass man träumen dürfe, selbst, wenn es um die FIFA gehe.