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Litauens Präsidentin
Widerspruch unerwünscht

Sie arbeitete in einer russischen Pelzfabrik, promovierte als Wirtschaftswissenschaftlerin und stieg in die Politik ein. Heute ist Dalia Grybauskaite Präsidentin Litauens und zeichnet sich vor allem durch einen bisweilen arroganten Führungsstil aus. So kann sie es nicht leiden kann, wenn es nicht nach ihren Vorstellungen läuft.

Von Carsten Schmiester | 09.07.2015
    Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite
    Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite (afp / Kenzo Tribouillard)
    Frau Doktor macht selten Scherze und das sieht man ihr an: Die Haltung immer aufrecht, kerzengrade, dazu ist sie schlicht, aber elegant gekleidet, die blonden Haare kurz hochtoupiert. Regen dürfte sie fürchten, sonst nichts! Die 59-jährige promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin wuchs in der litauischen Sowjetrepublik auf, war unter anderem Arbeiterin in einer russischen Pelzfabrik und stieg in die Politik ein, als ihre Heimat Litauen unabhängig geworden war.
    Sie bekam Jobs erst im Handels- und Außenministerium, 2001 dann den ersten Ministerposten – die Finanzen! Ab 2004 EU-Haushaltskommissarin, seit 2009 Staatspräsidentin. Diese Karriere hat die Karatekämpferin geprägt. Wo sie ist, da ist oben. Was sie denkt, ist richtig und wenn sie redet, dann fühlt sich das schnell an wie eine Befehlsausgabe. So wie im Juli 2013, als Litauen feierlich die EU-Ratspräsidentschaft übernahm.
    "Wir werden alle Mitgliedsstaaten und Institutionen mobilisieren, um die Finanzen in Ordnung zu bringen. Wir werden den Weg zu neuem Wirtschaftswachstum weisen und neue Arbeitsplätze schaffen. Wir haben vorhin Trommeln gehört. Die erinnern uns daran, dass wir uns beeilen müssen, wir haben wenig Zeit."
    Dominanter Führungsstil
    Also, Hacken zusammen und los. So hätte sie es gerne und so funktioniert auch relativ viel in ihrem unmittelbaren Einflussbereich. Was sie überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn es irgendwo nicht nach ihren Vorstellungen läuft. Wenn andere Staaten nicht den Weg Litauens gehen, den steinigen Weg, der schnell aus der Wirtschaftskrise führte.
    "Das Beispiel der baltischen Staaten zeigt, dass es ohne Sparmaßnahmen keinen Weg aus der Krise gibt. Jetzt wachsen wir wieder, jährlich stabil um drei Prozent! Daran sollte jeder denken, die die Regeln aufweichen will, auf die wir uns verständigt hatten."
    Man kann sich vorstellen, was in der Frau, die mit Blick auf das "Gold der Ostsee" ihrer Heimat in Brüssel den leicht irreführenden Spitznamen "Bernsteinlady" bekam, angesichts des griechischen "Krisenmanagements" vorgeht. Da ist aus weichem warmem Bernstein längst eiskalter Granit geworden und es zischt wütend aus ihr heraus. Diese griechische Regierung, gestern ein Versprechen, heute das nächste, für die kommt immer alles "morgen".
    Unflexibel und arrogant
    Während Grybauskaité Probleme am liebsten schon gestern gelöst hat. Stark, finden ihre Freunde. Aber es gibt auch Kritik. Fangen wir mit der sachlichen an. Die Dame hat keine wirklichen Überzeugungen, beklagt etwa Vytautas Bruveris, Politikredakteur einer großen litauischen Tageszeitung:
    "Als Präsidentin hat sie im Laufe der Jahre sehr oft ihre Haltung in den wichtigsten politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Fragen geändert. Oder sie hat sich öffentlich überhaupt nicht geäußert aus Angst, dass das ihre Popularität gefährden könnte."
    Dann die unsachliche Kritik: Es wird geunkt, sie sei russische KGB-Agentin gewesen, dem steht ihre kompromisslose Anti-Moskau-Haltung in der Ukraine-Krise entgegen. Lesbisch ist sie angeblich auch, weil kinderlos und ledig.
    Im konservativen Litauen wäre das ein echtes Problem. Als sie jetzt im Fernsehen auf ihre Haltung zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften angesprochen wurde, da brach sie das Interview ab und zeigte die "andere" Dalia, unflexibel, arrogant. Dabei macht sie solche Fehler eigentlich noch seltener - als Scherze.
    "Das Thema war für dieses Gespräch nicht vorgesehen. Versuchen Sie nicht, mich da reinzuziehen. War das alles? Dann sind wir fertig!"