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Lobbycontrol zieht Bilanz
Schlechtes Zeugnis für die Große Koalition

Die Organisation Lobbycontrol stellt der Großen Koalition in ihrem dritten Bericht ein schlechtes Zeugnis aus: noch immer kein verbindliches Lobbyregister für Abgeordnete, Interessenskonflikte durch Tätigkeiten außerhalb des Bundestags oder der "zahnlose Umgang mit der Autolobby".

Von Stefan Maas | 21.06.2017
    Lobbyreport 2017 2017-06-21, Berlin, Deutschland - Der gemeinnützige Verein Lobbycontrol stellt in Berlin seinen aktuellen Lobbyreport 2017 vor, der die wichtigsten Entwicklungen in den Bereichen Lobbyismus und Lobbyregulierung der vergangenen zwei Jahre bilanziert. Im Bild Imke Dierßen, politische Geschäftsführerin Lobbycontrol und Report-Autor Time Lange.
    Der gemeinnützige Verein Lobbycontrol stellt in Berlin seinen aktuellen Lobbyreport 2017 vor, der Lobbyismus und Lobbyregulierung der vergangenen zwei Jahre bilanziert. (imago / Jürgen Heinrich)
    Besonders viel Lob hat Lobbycontrol an diesem Morgen in Berlin nicht zu verteilen. Die Organisation, die sich für mehr Transparenz in der Politik einsetzt, stellt ihren dritten Lobbybericht vor. Eine Bilanz von vier Jahren schwarz-roter Regierungsarbeit.
    "Die große Koalition hat bei der Lobbykontrolle politisch versagt." Sagt Imke Dierßen, die politische Geschäftsführerin von Lobbycontrol. Immerhin, ein Ministerium wird positiv erwähnt. Um einen besseren Einblick zu ermöglichen, welche Interessenvertreter sich wann und wie bei der Entstehung eines Gesetzentwurfs eingebracht haben, veröffentlich das Justizministerium seit dem vergangenen Jahr alle Stellungnahmen, die von Interessengruppen eingegangen sind. Denn in den Ministerien werden die meisten Gesetzentwürfe geschrieben, für Unternehmen und Verbände ist dort also der beste Ansatzpunkt, Bedenken zu artikulieren, gar ganze Formulierungen zu platzieren. Um ein solches Vorgehen transparent zu machen, fordert Lobbycontrol einen legislativen Fußabdruck. Bislang konnte sich die Große Koalition aber nicht einmal dazu durchringen, ein verbindliches Lobbyregister einzuführen. In das müssten sich alle Lobbyisten in der Hauptstadt verpflichtend eintragen und offenlegen, für wen sie arbeiten.
    Interessenkonflikte durch Nebentätigkeiten
    Und auch die Abgeordneten selbst müssten verpflichtet werden, Interessenkonflikte offenzulegen, sagt Timo Lang.
    Zwar lasse sich inzwischen etwas besser erkennen, welcher Abgeordnete wie viel aus Nebentätigkeiten kassiere, ein Problem sei aber mindestens genauso drängend:
    "Wir haben im Bundestag keine Möglichkeit, Befangenheit festzustellen. Abgeordnete, die ganz klar bestimmte Interessen durch ihre Nebentätigkeiten haben, oder die bestimmten Interessen verpflichtet sind, können genauso wie alle anderen Abgeordneten, die unparteiisch sind in einer Sache, an Beratungen teilnehmen, Anträge einbringen, mitstimmen. Das ist aus unserer Sicht etwas, wo der Bundestag ran muss."
    Und auch die Karenzzeitregelung für Mitglieder der Regierung müsse ihren ersten Test noch bestehen, denn seit 2015 beschlossen wurde, dass zwischen einem Wechsel aus einem Regierungsamt zu einem Unternehmen oder einem Verband 18 Monate vergehen müssen, sei es noch zu keinem Wechsel gekommen.
    Personelle Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft
    "Wir dürfen also gespannt sein, wie das Gesetz sich dann in der Praxis auswirkt, spätestens nach der Bundestagswahl, wenn wieder mit einigen Wechseln zu rechnen ist."
    Die mangelnde Distanz zwischen Politik und Wirtschaft durch personelle Verflechtungen zeige sich besonders gut am Beispiel der Autoindustrie und am Abgasskandal. Matthias Wissmann, der Chef des Verbandes der Automobilindustrie, ist ein ehemaliger Kabinettskollege Angela Merkels und gilt bis heute als Vertrauter. Eckart von Klaeden, einst Staatsminister des Bundeskanzleramts, wechselte direkt aus dem Kanzleramt zur Daimler AG.
    Zahnloser Umgang mit der Autolobby im Abgasskandal
    Und mit Joachim Koschnicke machte Angela Merkel ausgerechnet den früheren Opel-Cheflobbyisten zu ihrem Wahlkampfmanager. Da überrasche der zahnlose Umgang mit der Autolobby im Abgasskandal nicht weiter, sagt Lobbycontrol. Und fordert in diesem Zuge auch gleich, das Thema Parteispenden noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Denn auch dort sei es mit der Transparenz noch nicht weit her.