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Lobbyismus in der Bundespolitik
"Wir brauchen klarere und schärfere Regeln"

Der Fall Amthor zeige, dass es im Bundestag schärfere Regeln im Bezug auf Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen geben müsse, sagte die Grünen-Politikerin Britta Haßelmann im Dlf. Insbesondere in der Union gebe es jedoch Blockaden, sich dahingehend zu öffnen, so Haßelmann.

Britta Haßelmann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 18.06.2020
Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen (dpa/ Christoph Soeder)
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor steht wegen Lobbyarbeit für das US-Unternehmen Augustus Intelligence weiter in der Kritik. Amthor soll bei Bundeswirtschaftsminister Altmaier Lobbyarbeit betrieben und im Gegenzug von der Firma Aktienoptionen erhalten haben. Er hat bereits ein Fehlverhalten eingestanden und die Tätigkeit beendet.
Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, sagte im Dlf, Amthor müsse jetzt mit Blick auf mögliche Verstöße gegen geltendes Abgeordnetenrecht zur Aufklärung beitragen. "Ansonsten nimmt nicht nur Philipp Amthor, sondern auch Politik insgesamt Schaden", so Haßelmann.
Philipp Amthor (CDU), Mitglied des Bundestages, spricht mit Buergern im Rahmen der Abschlussveranstaltung des CDU-Wahlkampfes in Leipzig, 30.08.2019.
Lobbying-Affäre - Philipp Amthor muss sich schnell erklären
Die Tätigkeit des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor für ein US-Unternehmen stößt auf Kritik. Der 27-Jährige könne zwar noch CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern werden – aber nur, wenn reinen Tisch mache, kommentiert Silke Hasselmann.

Das Interview im Wortlaut:
Heckmann: Der kommissarische Vorsitzende der CDU Mecklenburg-Vorpommerns, der Bundestagsabgeordnete, Ihr Kollege Eckhardt Rehberg, der hat gesagt: Es war nicht gerade klug und clever, was Amthor da gemacht hat. – Trifft das den Sachverhalt aus Ihrer Sicht?
Haßelmann: Klug und Clever war es sowieso nicht. Aber die Frage ist natürlich auch, was ist da noch gewesen und was an Problemen, an möglichen Verstößen gegen geltendes Abgeordnetenrecht steht im Raum. Hier hat Philipp Amthor zu liefern. Philipp Amthor muss dahingehend Fragen beantworten, hat er eine Gegenleistung für Abgeordnetentätigkeit erhalten. Das ist schon heute nach dem Abgeordnetengesetz nicht erlaubt. Er hat auch die Fragen zu beantworten, was es mit diesen ganzen Reisen, über die berichtet wird, teuren Hotelaufenthalten und und und auf sich hat. Deshalb ist es eine hoch sensible Frage, in der dringend Aufklärungsbedarf besteht, und ich erwarte von Philipp Amthor, dass er dazu einen Beitrag leistet. Denn einfach nur zu sagen, das war ein Fehler, könnte man auch anders machen: Ich habe einen Fehler gemacht und ich werde jetzt alles dafür tun, an der Aufklärung offensiv mitzuarbeiten. Das wäre mal ein Statement und jetzt auch zu liefern die konkreten offenen Punkte. Aufklärung ist hier dringend gefordert.
"Es entsteht ein Vertrauensverlust, und das darf nicht passieren"
Heckmann: Bis wann muss er das liefern aus Ihrer Sicht?
Haßelmann: So schnell wie möglich, denn ein solcher Vorgang, eine solche Unklarheit über die Frage von Lobbytätigkeit und möglicherweise Verletzung von Anzeigepflichten oder Gegenleistung, war er der Türöffner ins Bundeswirtschaftsministerium und hat er dafür möglicherweise eigene Vorteile erlangt, das muss ausgeräumt werden. Ansonsten nimmt nicht nur Philipp Amthor, sondern auch Politik insgesamt Schaden. Das ist doch im Grundsatz immer das Problem bei politischer Interessenvertretung, bei Lobbyismus. Es nimmt Politik insgesamt Schaden und es entsteht ein Vertrauensverlust, und das darf nicht passieren. Das muss ausgeräumt werden, so schnell wie möglich.
Heckmann: Jetzt hat aber die Bundestagsverwaltung den Fall auf die Schnelle schon mal vorab geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Übertragungen von Aktienoptionen nicht anzeigepflichtig gewesen seien, weil ja noch keine Vorteile geflossen sind. Das wäre erst dann der Fall, wenn diese Optionen gezogen worden wären. Machen Sie die Sache nicht größer als sie ist?
Haßelmann: Nein, das glaube ich nicht. Ich habe ja gesagt, es stehen eine ganze Reihe von offenen Fragen im Raum: Was ist mit den ganzen Hotels, Einladungen, Flugreisen etc.? Und die Frage, was war die Türöffnerfunktion fürs Bundeswirtschaftsministerium? Hier hat er zu liefern. Ansonsten ist in der Tat die Bundestagsbehörde jetzt die Prüfbehörde. Das machen nicht andere Fraktionen und haben auch nicht andere Fraktionen zu beurteilen. Für mich zeigt es aber, dass wir uns der ganzen Frage, dass wir Nachholbedarf haben in Sachen Offenheit, Nachvollziehbarkeit politischer Interessenvertretungen widmen müssen. Hier stellt uns die Staatengruppe gegen Korruption, Greco, seit Jahren ein miserables Zeugnis aus und wir müssen als Deutscher Bundestag auch endlich die Kraft finden, hier für mehr Transparenz, für klarere und schärfere Regeln insgesamt in Bezug auf Nebentätigkeiten, in Bezug auf strikte Regeln für Unternehmensbeteiligungen zu sorgen. Ich finde, das ist notwendig, und das zeigen solche Einzelfälle wie der Fall Amthor, dass wir hier auch zu liefern haben.
"Ich rate jetzt erst mal, dass Philipp Amthor liefert"
Heckmann: Jetzt sagt das Wirtschaftsministerium, es sei üblich, dass Lobbyisten ins Haus kommen, auch durchaus begleitet von Bundestagsabgeordneten, und es habe auch ohnehin keine Folgetermine gegeben. Von dort aus wird der Ball auch flach gehalten.
Haßelmann: Ja! Ich rate jetzt erst mal, dass Philipp Amthor liefert, die offenen Fragen beantwortet, die Bundestagsbehörde prüft, und dann werden wir sehen, wo wir dann stehen. Gleichzeitig sind wir aber politisch in der Verantwortung, jetzt im Thema Transparenz insgesamt als Deutscher Bundestag die Kraft zu finden, striktere und klarere Regeln zu schaffen. Es gibt natürlich im Abgeordnetengesetz Regeln. Es gibt Regeln für Nebentätigkeiten, für Veröffentlichungspflichten. Aber ich glaube, wir brauchen an der einen oder anderen Stelle eine Präzisierung, klarere und schärfere Regeln, und da habe ich zwei Stichworte genannt. Das eine sind die Unternehmensbeteiligungen, das andere sind auch die Nebentätigkeiten und der legislative Fußabdruck. Es gibt viele offene Punkte, zu denen wir auch immer wieder angemahnt werden und wo es bisher auch eine Blockade gibt, insbesondere von der Union, sich da zu öffnen.
"Wir fordern seit Jahren ein gesetzliches Lobbyregister"
Heckmann: Die Grünen, aber auch Die Linke und die FDP fordern ein sogenanntes Lobbyregister. Was genau soll das bringen aus Ihrer Sicht und was soll da drinstehen?
Haßelmann: Ja! Wir fordern seit Jahren ein gesetzliches Lobbyregister. Damit fordern wir eine Verpflichtung zur Eintragung per Gesetz, wer geht im Deutschen Bundestag ein und aus, wer hat Zugang. Es braucht dafür eine Registrierung von Lobbytätigkeit. Das ist etwas, was zum Beispiel auf der europäischen Ebene ganz selbstverständlich ist. Alle Unternehmen, zum Beispiel Interessensverbände, die europäisch aktiv sind, die praktizieren das ganz selbstverständlich, denn ohne eine solche verbindliche Lobbyregistrierung kann man in Brüssel überhaupt gar nicht aktiv sein. Es gibt ja auch in Deutschland längst eine Allianz für mehr Lobbytransparenz. Die fordert auch ein Interessensvertretungsgesetz. Das ist ein Verbund aus VCI, BDI, den Verbraucherzentralen und Transparency Deutschland, und ich frage mich, warum die Union seit Jahren ein solches gesetzliches Lobbyregister blockiert, sich dagegen so sperrt und deshalb aus der Koalition von Union und SPD bis heute keine Bereitschaft signalisiert ist, sich auf ein solches gesetzliches Lobbyregister zu verständigen, was deutlich mehr Transparenz schaffen würde über die Frage, wer hat Zugang, wer hat Kontakt, wer ist klar registriert, aus welchem Verband, welchem Unternehmen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Die Linken, die Grünen, die FDP, wir alle fordern ein solches gesetzliches Lobbyregister und werden da aber mit einer richtigen Hinhaltetaktik im Moment an den parlamentarischen Beratungen immer wieder zurückgesetzt, weil sich Union und SPD auf einen solchen Schritt nicht verständigen können, da die Union blockiert.
Heckmann: Frau Haßelmann, im Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf den Breitscheidplatz soll ja auch Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen befragt werden. Ein Foto im "Spiegel" vom Wochenende zeigte aber Amthor in freundschaftlicher Geste mit ihm. Michael Grosse-Brömer, Ihr Kollege als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, der sagte am späten Dienstagabend, Amthor werde sich aus dem Ausschuss zurückziehen. Aus Ihrer Sicht: Reicht das?
Haßelmann: Ich halte das für richtig und notwendig. Das ist ein wirklich wichtiger Schritt, denn Amthor kann in diesem Untersuchungsausschuss die Aufklärungsarbeit, die ja möglicherweise auch in einer Befragung des ehemaligen Verfassungsschutzchefs liegt, nicht leisten. Deshalb war das ein notwendiger Schritt.
Heckmann: Ein notwendiger Schritt, der ausreichend ist?
Haßelmann: Ich weiß noch nicht, wo wir am Ende stehen. Da hat Philipp Amthor jetzt zu liefern und weiter an Aufklärung mitzuarbeiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.