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Soziale Medien und Politik
Philipp Amthor, ein Influencer

Seit der Youtuber Rezo die CDU im Europawahlkampf im Mai kalt erwischt hat, ist die Partei gewarnt: Soziale Medien entfalten realen politischen Einfluss. Ein CDU-Abgeordneter hat besonders schnell gelernt: Philipp Amthor, 27, mit ganz unjugendlichem Habitus, ist nun auch beinahe ein Star der Influencer-Szene.

Von Katharina Hamberger | 19.12.2019
Philipp Amthor (CDU) (2.v.l.) posiert auf dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig mit Mitgliedern der Jungen Union für ein Selfie
Philipp Amthor, derzeit zweitjüngster Bundestagsabgeordneter, ist der neue Social-Media-Star der CDU. (imago images / Ralph Sondermann)
"Zerstörung der CDU? Ja lol ey. Hi Rezo, du alter Zerstörer..."
So klingt er, der neue Social-Media-Star der CDU. Philipp Amthor, 27 Jahre alt, selten gesehen ohne Krawatte, Anzug und Manschettenknöpfe.
"Ich bin sicherlich nicht der typische Fall von jemandem, der in Social Media unterwegs ist."
Mittlerweile folgen Amthor dennoch, oder vielleicht genau deshalb, fast 50.000 Menschen bei Instagram – und das, obwohl er erst seit Herbst dort aktiv ist. Nicht nur die Zahlen zeigen, dass es sich für ihn gelohnt hat. Er erzählt von einer Begegnung auf dem Weg ins Kanzleramt.
Sein Facebook-Account kam nicht gut an
"Da, die paar Meter zu Fuß. Da kamen gleich drei Gruppen, die mit mir Fotos gemacht haben, die fanden sich dann gleich auf Instagram mit Markierung wieder. Da freu ich mich auch über die Resonanz, das ist so ganz gut."
Erzählt Amthor, zweitjüngster Bundestagsabgeordneter, im Gespräch. Es ist noch gar nicht so lange her, da suchte man ihn vergeblich auf den Plattformen, die vor allem von jungen Menschen genutzt werden. Er hatte nur einen Facebook-Kanal:
"Ich habe aber natürlich schon in einem längeren Prozess gesehen, ja, immer wenn ich bei der JU unterwegs war oder Schülergruppen bei mir im Bundestag hatte, wenn ich dann dafür geworben habe, meine Facebook-Seite zu liken, haben viele gesagt, naja, Facebook, das haben unsere Lehrer, unsere Eltern. Deswegen hab ich schon gesehen, Instagram ist schon das bessere Medium."
Über das Rezo-Video spricht man bei der CDU nicht gern
Ausschlaggebend war am Ende dann das Video, über das man in der CDU bis heute ungern spricht:
"Heute sehen wir uns die CDU an, auch ein bisschen SPD und ein bisschen AfD, aber primär sehen wir uns die CDU an ..."
Die CDU wirkte im ersten Moment völlig überfordert, wusste nicht, wie sie auf Rezo reagieren soll.
"Man hat da einfach noch gesehen, dass gerade Social Media Influencer immer noch so eine Blase, gefühlt, waren, also dass die keiner so richtig auf dem Schirm hatte."
Sagt eine, die selbst aus dieser Blase kommt: Die Influencerin Diana zur Löwen. Philipp Amthor aktivierte daraufhin seinen Instagram-Account. "Sachthemen-Influencer" nennt er sich heute selbstbewusst:
"Hab dann aber natürlich, auch weil ich nicht ganz unbetroffen war in der ganzen Rezo-Debatte, gesehen, wieviel riesiges Potenzial wir eigentlich zu bergen und wie viel wir auch zu verlieren haben."
Die Jüngeren wollen die Dinge personalisiert vermittelt bekommen
Sein Programm auf Instagram nennt Amthor "vielfältig". Bundestagsreden werden dort gepostet, es sind Fotos von Details in seinem Büro zu sehen, natürlich von Amthor selbst und kurze Erklär-Videos zu Inhalten und Verfahren.
"Da gelingt es sicherlich ganz gut, Politik personalisiert zu vermitteln. Das hat auch Vor- und Nachteile, aber ich glaube schon, dass viele gerade in der jüngeren Generation so sozialisiert sind, dass sie eben Content-Vermittlung personalisiert erleben."
Amthor hat damit quasi seinen eigenen politischen PR-Kanal. Themen und Inhalte lassen sich hier auch ohne Zeitung, Radio und Fernsehen setzen.
"Die Vorstellung der Gatekeeper-Funktion, die es früher mal gab, dass man gesagt hat, die Kommunikation Politiker-Bürger funktioniert nur über den Gatekeeper Medien, die ist lange vorbei. Und ich glaube, die Parteien müssen auch besser werden, das zu verstehen und sich so auch aufzustellen."
Meint Amthor. Er wünsche sich nicht den Untergang des Journalismus, nur Politik und Journalismus müssten sich verändern aufgrund des Medienkonsumverhaltens der Bürger, glaubt der CDU-Politiker. Auch andere Politiker nutzen die sozialen Medien mittlerweile als eigenen Kanal. Mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Aber eignen sich solche Netzwerke wie Instagram tatsächlich, um jungen Menschen politische Inhalte zu vermitteln? Ja, meint Influencerin Diana zur Löwen.
Auch Diana zur Löwen hat Amthor gefeatured
"Man muss halt nur die Themen finden, die interessant sind. Und ich glaube, da ist jetzt so eine Diskussion wie die Grundrente für meine jungen Zuschauer noch nicht so spannend. Aber wenn man sich da was sucht, wie jetzt das Thema Periodensteuer oder den Klimawandel, und das natürlich auch kreativ in Szene setzt, dann kann man damit auch schon viele Menschen erreichen."
Sagt die 24-jährige, deren Kerngeschäft eher Mode und Beauty sind. Vermehrt greift sie aber mittlerweile politische Inhalte auf. Im November begleitete sie Philipp Amthor für einen Tag, dokumentierte das bei Instagram und lud auch später ein Video dazu bei Youtube hoch.
"...und eine Woche später saß ich dann gemeinsam mit Philipp Amthor im Auto auf dem Weg zum Bundestag..."
Zur Löwens Reichweite ist riesig: Mehr als 800.000 Menschen folgen ihr bei Instagram, ihren Youtube-Kanal haben mehr als 600.000 Menschen abonniert. Als Werbung für die CDU soll das Video aber nicht wahrgenommen werden:
"Ich glaub man muss da schon aufpassen, dass dieser Content von Influencern irgendwie vielleicht trotzdem auch noch ein bisschen neutral bleibt."
Dass Amthor bei der CDU ist – die Partei, vor deren Wahl Rezo warnt – stört sie nicht. Sie wollte sich ihr eigenes Bild machen, sagt sie. Eine Empfehlung, wen man wählen soll und wen nicht, gibt es von ihr nicht. Zur Löwen will Politik auf einfache Weise erklären. Dass Politiker und Politikerinnen nun selbst in den sozialen Medien aktiv sind, findet sie wichtig. Auch wenn sie bei der einen oder dem anderen noch Entwicklungspotenzial sieht, z.B. bei der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die über Instagram gute Wünsche zum dritten Advent gepostet hat.
"Das war ja ganz nett, aber das ist ja jetzt auch kein wahrer Mehrwert, also grade jetzt für mich als junge Person."
"Digitalaffinität misst sich nicht an der Krawatte"
In zur Löwens Video mit Philipp Amthor ging es weniger um ganz konkrete Inhalte, ihre Follower lernten vor allem, wie der Alltag eines Politikers aussieht. Am Ende schauten beide noch bei einer Veranstaltung vorbei, bei der vor allem junge, netzaffine Menschen waren.
Amthor wurde sofort von einigen umringt. Der Jurist mit Anzug und Krawatte fällt auf in der Gruppe überwiegend Gleichaltriger. Als Nachteil sieht er das aber nicht – und im Netz scheint es zu funktionieren:
"Also ich fühle mich nicht als Teil einer anderen Generation, bin ja selbst auch durchaus digitalaffin. Ich glaube, die Frage, ob man digitalaffin ist oder nicht, misst sich nicht daran, ob man eine Krawatte trägt im Bundestag oder nicht."