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Lokales auf Seite Eins

Im Kreis Ludwigsburg soll es die höchste Zeitungsdichte Deutschlands geben. Zehn Tageszeitungen buhlen dort um die Gunst von etwa 500.000 Einwohnern. Die Ludwigsburger Kreiszeitung sticht dabei heraus: Von der ersten bis zur letzten Seite ist alles selbst gemacht.

Von Thomas Wagner |
    "Natürlich haben wir jetzt den Tag der Deutschen Einheit groß gespielt. Da sind auch viele, viele Tausend aus unserem Verbreitungsgebiet gestern nach Stuttgart gefahren, sind durch die dichten Massen gedrängt."

    Wo immer Ludwigsburger unterwegs sind und einem wichtigen Ereignis beiwohnen - die "Ludwigsburger Kreiszeitung" ist stets dabei. Peter Meier-Stein verantwortet das Lokalressort, ist aber als stellvertretender Chefredakteur manchmal auch fürs Gesamtblatt zuständig. Mag der US-amerikanische Haushaltsstreit auch noch so hohe Wellen schlagen oder die Sondierungsgespräche zwischen SPD und CDU gar konkrete Resultate zutage bringen - wenn in und rund um Ludwigsburg etwas Wichtiges passiert, hat das allemal bessere Chancen, als Aufmacher auf die Seite Eins zu kommen. Häufig werden auch überregionale Themen durch die Brille eines Ludwigsburgers aufgearbeitet. Peter Meier-Stein:

    "Wir haben aber auch den NSU-Prozess insofern begleitet, dass wir recherchiert haben und herausgefunden haben, dass es in den 90er-Jahren auch in Ludwigsburg eine Szene gab, wo dieses Trio auch öfters mal hier in Ludwigsburg bei Partys und bei guten Bekannten unterwegs war. Auch so etwas machen wir dann natürlich auf der Titelseite auf!"

    Was nur deshalb möglich ist, weil die 1818 gegründete "Ludwigsburger Kreiszeitung" bis heute ihre Eigenständigkeit bewahrt hat. Und das ist ungewöhnlich für eine regionale Tageszeitung mit knapp unter 40.000 Exemplaren verkaufter Auflage. Die meisten Blätter dieser Größenordnung wurden entweder gleich von größeren Verlagen geschluckt oder beziehen, wenn sie denn selbstständig geblieben sind, den Mantelteil mit den klassischen Ressorts Politik, Kultur und Sport von einem größeren Zeitungshaus. Die "Ludwigsburger Kreiszeitung" mit ihren über 200 Mitarbeitern, davon 40 Redakteure, macht das alles noch selbst.

    "Und darauf sind wir stolz, weil wir glauben, dass der Landkreis Ludwigsburg, in dem wir die führende Tageszeitung sind, eine eigene Stimme braucht und ganz eigene Bedürfnisse und ganz eigene Befindlichkeiten hat."

    Glaubt Gerhard Ulmer, Anfang 50, Geschäftsführer und Gesellschafter der "Ludwigsburger Kreiszeitung". Gerade in seinem Verbreitungsgebiet nördlich von Stuttgart, in dem der Leser zwischen zehn Tageszeitungsangebote auswählen kann, lasse sich mit dieser Eigenständigkeit und der darin verankerten Regionalität punkten.

    "Soweit es wirtschaftlich möglich ist, wollen wir ein Blatt machen, das sich von der ersten bis zur letzten Seite mit der Region, mit unserem Verbreitungsgebiet identifiziert. Und wenn wir die Welt aus Ludwigsburger oder Kreis-Augen sehen, können wir den Leuten nahebringen, was das für Auswirkungen für sie konkret hat, in Sport, in der Politik, wo auch immer. Das liegt mit als Verleger und der Redaktion am Herzen."

    Das Rezept scheint aufzugehen: 45 Prozent aller Haushalte im Verbreitungsgebiet rund um Ludwigsburg haben die "Ludwigsburger Kreiszeitung" abonniert.

    "... Ludwigsburger Kreiszeitung. Ja, die regionale Information. Unter anderem habe ich in der letzten Woche erfahren, wie die Immobilienpläne der Stadt sind, was mich doch zutiefst erbost. Anders kriege ich diese Information nirgends."

    "... und zwar die Ludwigsburger LKZ. Sie ist kreisbezogen und relativ lokal, ja. Das ist schon wichtig. Das andere kann ich ja herholen über Internet."

    Die regionalen und lokalen Inhalte der "Ludwigsburger Kreiszeitung" findet man dagegen nicht so ohne Weiteres im Internet. Solche Beiträge sind in der Regel nur für diejenigen verfügbar, die dafür auch eigens bezahlen. Im Gegensatz zu vielen anderen regionalen Tageszeitungen hält sich Gerhard Ulmer, was kostenfreie Online-Angebote seiner Zeitung angeht, bewusst zurück:

    "Es macht für mich aus Gerechtigkeitsempfinden keinen Sinn, dass jemand für eine gedruckte Zeitung Geld bezahlen soll und anderswo die Information kostenlos erhältlich ist. Elektronisch und Papier lesen ist etwas anderes - Papier verbindet, Internet vereinzelt."

    Zwar erscheint auch die "Ludwigsburger Kreiszeitung" als E-Paper. Das bekommt man aber nur gegen Zusatzentgelt, wenn man Abonnent ist. Gerhard Ulmer setzt einerseits auf redaktionelle Eigenständigkeit, andererseits aber auch auf das Print-Produkt auf Papier. Allerdings: Auch bei der "Ludwigsburger Kreiszeitung" geht die Auflage, wie bei den meisten Tageszeitungen, Jahr für Jahr zurück, um etwa ein bis zwei Prozent. Und auch die "Ludwigsburger Kreiszeitung" hat mit rückläufigen Erlösen aus dem Anzeigengeschäft zu kämpfen. Folge: Es muss sparsam gewirtschaftet werden. 40 Redakteure sind für eine Vollredaktion nicht übermäßig viel. Sparen alleine sei aber kein tragfähiges Zukunftskonzept, sagt Verleger Gerhard Ulmer. Er setzt auf weitere Investitionen in neue, artverwandte Verlagsprodukte:

    "Wir waren der erste freie Telefonbuchverleger Deutschlands. Wir haben hier 1995 begonnen, freie Telefonbücher zu verlegen, gegen das Monopol der Telekom. Wir machen Ortsbroschüren. Wir machen alle möglichen anderen, printgebundenen Medien, weil ich an Print glaube."

    Auf diesem Weg konnte der Verlag rückläufige Erlöse im Anzeigen- und Abo-Geschäft erfolgreich auffangen; der Verlag der "Ludwigsburger Kreiszeitung" schreibt schwarze Zahlen. Und Verlagschef Gerhard Ulmer hegt an einem keinen Zweifel:

    "Es wird Leute geben, die genau dieses schöne Gefühl, beim Frühstück oder beim Kaffee ein gedrucktes Produkt in den Händen zu halten, eine gut gestaltete Zeitung in Händen zu halten - ja, das wird es immer geben."