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Loveparade-Prozess
Ex-Oberbürgermeister als Zeuge

Im Prozess um das Duisburger Loveparade-Unglück soll heute der frühere Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland als Zeuge aussagen. Vor knapp acht Jahren waren auf der Technoparty 21 Menschen im dichten Gedränge ums Leben gekommen. Sauerland wird von vielen Hinterbliebenen kritisiert.

Von Benjamin Sartory | 02.05.2018
    Adolf Sauerland, ehemaliger Oberbürgermeister von Duisburg, sitzt im Gerichtssaal des Loveparade-Prozesses in der Außenstelle des Landgerichts Duisburg.
    Adolf Sauerland, ehemaliger Oberbürgermeister von Duisburg, sitzt im Gerichtssaal des Loveparade-Prozesses in der Außenstelle des Landgerichts Duisburg. (dpa-Bildfunk / Federico Gambarini)
    Die Verwandlung von Adolf Sauerland von einem gar nicht so unbeliebten Oberbürgermeister in eine Reizfigur begann mit einer Fehleinschätzung. Denn unmittelbar nach der Loveparade-Katastrophe 2010 waren Rettungskräfte noch davon ausgegangen, dass die Besucher Absperrungen überklettert hatten und aus großer Höhe zu Tode stürzten. Das erwies sich später als falsch, die Menschen wurden in der extremen Enge zu Tode gedrückt.
    Doch Sauerland wartete nicht auf gesicherte Erkenntnisse, sondern ging schon Stunden nach dem Unglück in Schutzhaltung:
    "Dann lag es nicht am Sicherheitskonzept, sondern wahrscheinlich an individuellen Schwächen."
    Sauerland sagt als Zeuge aus
    Adolf Sauerland ist nicht angeklagt im Loveparade-Prozess. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war der Christdemokrat nicht eingebunden in die konkrete Planung der Technoparty. Genauso wenig wie der Veranstalterchef Rainer Schaller und der ehemalige NRW-Innenminister Ralf Jäger als Chef der Polizei.
    Gabi Müllers Sohn starb auf der Loveparade. Für sie sind die drei dennoch moralisch verantwortlich - die jetzt Angeklagten dagegen teilweise Bauernopfer.
    "Wenn das alles gut gegangen wäre, hätten nicht diese Leute, die jetzt auf der Anklagebank sitzen – die hätten nicht in der ersten Reihe gestanden und hätten sich auf die Schulter geklopft. Also da sind andere, meine ich, für verantwortlich."
    Der frühere Duisburger Oberbürgermeister soll vor Gericht auch die politischen Hintergründe des Loveparade-Unglücks aufklären. Die Technoparty war vom Land NRW gewollt, weil das Ruhrgebiet sich in dem Jahr als Kulturhauptstadt feierte. Und im Vorjahr war die damals in Bochum geplante Technoparade wegen Sicherheitsbedenken abgesagt worden. Das sollte nicht noch einmal passieren. Adolf Sauerland kurz vor der Loveparade 2010.
    "In diesem Jahr waren wir einfach im Zwang, es hinkriegen zu müssen. Denn sonst wäre wahrscheinlich die Loveparade endgültig gestorben gewesen fürs Ruhrgebiet."
    Wie groß war der politische Druck?
    Wie groß war der politische Druck, die Loveparade womöglich trotz Bedenken durchzuführen? Und wer hat diesen Druck ausgeübt? Diese Fragen interessieren auch Rechtsanwalt Julius Reiter, der einige Loveparade-Hinterbliebene vertritt. Eine strafrechtliche Verantwortung sieht aber auch er nicht beim Zeugen Adolf Sauerland.
    "Er sitzt – auch wenn es den Opfern schwerfällt, das zu akzeptieren - zu Recht nicht auf der Anklagebank, weil er nicht unmittelbar beteiligt war. Sauerland ist mehr gestürzt über sein Verhalten nach der Katastrophe."
    Ein Verhalten, das nicht nur Betroffene des Loveparade-Unglücks als unwürdiges Drücken vor politischer Verantwortung empfanden. Per Unterschriftensammlung setzten Duisburger Bürger 2012 ein Abwahlverfahren durch. Rund anderthalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe musste Adolf Sauerland sein Amt schließlich abgeben.
    "Dies ist im Amt des Oberbürgermeisters meine letzte Pressekonferenz. Und ich möchte Sie bitten, davon Abstand zu nehmen, Anfragen in den nächsten Tagen noch zu stellen."
    Vor gut anderthalb Jahren räumte Adolf Sauerland in einem Interview mit dem WDR Fehler bei der Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe ein. Er hätte wahrscheinlich viel früher auf die Opfer zugehen müssen, sagte er.