Montag, 29. April 2024

Archiv


Lügen machen dicke Bäuche

Nicht nur Menschen betrügen und täuschen – Tiere tun es auch. Ein Verhaltensökologe versuchte jetzt, den Lügen von Kapuzineraffen auf die Schliche zu kommen. Vor allem rangniedere Tiere rufen sinnbildlich gerne Feuer, wenn’s gar nicht brennt.

Von Peggy Giertz | 18.03.2013
    Eine Gruppe Haubenkapuzineraffen sitzt in einem Baum mit reifen Früchten und frisst. Da gibt ein Tier plötzlich Alarm: Raubtier auf dem Boden!

    Die Gruppe schreckt auf und springt eilig in den höheren Kronenbereich. Nur der Rufer klettert seelenruhig zu einem Ast mit besonders dicken Früchten und beginnt zu fressen. Ein Raubtier ist nirgends zu sehen. Solche Begebenheiten beobachtete der Biologe Brandon Wheeler bei seiner Arbeit im argentinischen Regenwald sehr häufig.

    "Und ich dachte plötzlich, das könnte eine Täuschung sein!"

    Ein Trick also. Aber was so klar erschien, musste Brandon Wheeler wissenschaftlich beweisen. Wenn es wirklich Täuschung wäre, dann, so postulierte der Verhaltensökologe, sollten die falschen Alarmrufe unter folgenden Bedingungen auftreten:

    "Ich nahm an, es müssten Tiere mit einem niedrigen Rang in der Gruppe sein. Denn die Dominanten müssen nicht täuschen, um etwas zu bekommen, sie nehmen es sich einfach. Diesen Trick sollten also nur schwächere Affen anwenden und sie sollten es tun, wenn die Dominanten den Zugang zum Futter kontrollieren können. Das heißt, wenn es nur eine oder zwei Futterstellen gibt. Denn wenn Futter an vielen verschiedenen Punkten zu finden ist, sind die ranghohen Tiere nicht in der Lage, alles zu bewachen und die Schwächeren können fressen. Das waren die Vorhersagen."

    Diese Vorhersagen überprüfte Brandon Wheeler dann in einem Futterexperiment an einer Gruppe wild lebender Haubenkapuzineraffen. Im argentinischen Nationalpark Iguazũ verteilte er dazu auf in Bäumen hängenden Holzplattformen reife Bananenstückchen. Mal nur an ein oder zwei Stellen, dann wieder an vieren und mehr. Wenn die an die Forscher gewöhnte Affengruppe zu den Plattformen kam, überwachten er und seine Kollegen, wie viele Alarmrufe die Affen ausstießen, wer das Signal gab, ob das Futter weit verteilt oder nur auf wenigen Plattformen lag und wie die anderen Tiere auf den Ruf reagierten. Das Experiment bestätigten die Vorhersagen des Ökologen: Die rangniederen Affen benutzten tatsächlich falsche Alarmrufe um an Futter zu gelangen.
    Die Forscher stellten auch fest:

    "Das Raubtiersignal wurde während dieser Futterexperimente zehnmal häufiger gegeben, als in andere Situationen."

    Das sind eine Menge Täuschungsversuche. Der Wissenschaftler fragte sich, ob die dominanten Tiere die Tricks nicht durchschauten. Das Experiment zeigte hier klar:

    "Sie lassen sich in solchen Futterkonkurrenzsituationen seltener aufschrecken als in anderen Kontexten, aber dennoch reagieren sie auf einige Alarmrufe. Die Frage ist also: Warum ignorieren sie die Rufe nicht komplett? Und die Antwort ist, denke ich: Die Kosten, auf einen falschen Alarmruf zu reagieren, sind relativ gering; man verliert ein wenig Futter. Aber einen ehrlichen Alarmruf zu ignorieren, könnte einen umbringen."

    Die Affen wissen demnach: Wenn Futter im Spiel ist, muss ein Alarmruf nicht unbedingt ein ehrliches Signal sein. Deswegen reagieren sie nicht jedes Mal. Sie können jedoch nie ganz ausschließen, dass doch Gefahr droht. Und davon profitieren die rangniederen Haubenkapuziner.

    Ob dieser Trick eine bewusste Täuschung ist, konnte Brandon Wheeler noch nicht beweisen. Die Tiere könnten auch einfach nur gelernt haben, dass in solchen Situationen ein Alarmsignal häufig mit Futter belohnt wird.

    Eventuell ist es auch gar kein Trick, sondern nur ein Zeichen von Stress. Denn auch angespannte Affen, stoßen ohne erkennbaren Grund Alarmsignale aus. Wenn man zusehen muss, wie andere sich den Bauch voll schlagen, kann einen das auch durchaus nervös machen.
    Brandon Wheeler ist zuversichtlich, dass weitere Experimente ihm die Antwort auf diese letzte Frage bringen werden.