"Achtung Sicherheitshinweis. Bitte halten sie den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern im gesamten Terminal ein. Wir bedanken uns für ihre Mithilfe."
Der Flughafen Kassel-Airport in Corona-Zeiten. Im Terminal, das etwa die Größe eines Fußballfeldes hat, ist genug Platz für die wenigen Passagiere, die an diesem Tag von hier aus fliegen wollen. Ein einziger Flug ist aktuell auf der Infotafel im Terminal angekündigt. Nach Westerland auf Sylt.
Die kleine Maschine, die in der Mittagszeit starten soll, kann rund 30 Passagiere aufnehmen. Diese warten mit Maske entspannt auf die Abfertigung:
"Es geht schnell, der Check-In, das ist alles unproblematisch. Wir wohnen eine halbe Stunde entfernt, also besser geht es gar nicht."
"Der ist sehr schön. Schnell, Gastronomie ist schön. An- und Abflug, kostenlose Parkplätze. Das Umfeld, alles passt."
Ansehnlich ist er in der Tat, der vor sieben Jahren eröffnete Flughafen in Calden bei Kassel. Das ist kaum zu bestreiten. Allerdings war er auch sehr teuer. Er verschlang 281 Millionen Euro Baukosten. Aktuell bietet der Flugplan vier Urlaubsflüge pro Woche an.
Die hessischen Grünen, die gemeinsam mit der CDU regieren, waren wie Umweltverbände oder der Bund der Steuerzahler von Beginn an gegen das Neubauprojekt. Auch der Luftverkehrsverband BARIG, in dem rund 100 nationale und internationale Fluggesellschaften organisiert sind, sah, wie es hieß, eine Investitionsruine programmiert".
Sehr überschaubarer Betrieb
Karin Müller, Sprecherin für Verkehr der grünen Landtagsfraktion und Vizepräsidentin des Hessischen Landtags, ärgert sich über die geringe Nutzung von Kassel-Calden auch Jahre nach der Eröffnung: "Es ist so ein bisschen das Ärgerliche für uns, dass man uns immer gesagt hat und dass die BARIG auch damals gesagt hat: Es gibt keine uns bekannten Fluglinien, die dort fliegen wollen. Dann uns immer gesagt wurde: Ja, wir sind in Gesprächen, auch mit ausländischen Fluglinien. Und wir wollen aber nicht drüber reden, weil, es sind geheime Verhandlungssachen. Und im Ergebnis: jetzt hat man halt für 281 Millionen den Flughafen und muss sehen, was draus wird."
Lars Ernst ist Geschäftsführer von Kassel Airport. Der 46 Jahre alte Jurist arbeitet bereits seit 2014 in leitender Position am Flughafen rund 10 Kilometer nordwestlich der Kasseler Innenstadt. Das jährliche Betriebsdefizit beträgt aktuell rund sechs Millionen Euro. Dazu kommt nun die Pandemie.
Ernst: "Also, natürlich ist es nicht einfach und das ist ja branchenübergreifend das Ganze. Wir haben natürlich auch das Instrumentarium der Kurzarbeit genutzt, um eben halt Kosten zu senken."
Nach den Monaten kompletter Schließung im Frühjahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie gibt es seit dem Sommer wieder ein paar Passagier-Flüge wöchentlich. Dazu kommen einige Frachtflüge. Für diesen sehr überschaubaren Betrieb stehen nun wieder rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung.
"Wichtig ist aber noch, dass er auch von der Region angenommen und unterstützt wird. Und er bietet nämlich jenseits von Urlaubsreisen vor allen Dingen Arbeitsplätze, Infrastruktur und Perspektiven für diese prosperierende Region", sagt Martin Worms. Der Staatssekretär im CDU-geführten hessischen Finanzministerium ist seit Juni 2020 neuer Chef des Aufsichtsrats der Flughafen GmbH Kassel.
Das Millionendefizit von Kassel-Calden wird seit der Eröffnung vor sieben Jahren vor allem vom Land Hessen getragen. Es ist insbesondere die größte Regierungspartei CDU, die diesen Flughafen vor rund zehn Jahren unbedingt bauen wollte und bis heute trotz der roten Zahlen an ihm festhält.
Nur zwei Regionalflughäfen schrieben schwarze Zahlen
Flughafen-Aussichtsratschef Martin Worms: "Die Zukunft der Regionalflughäfen ist in der Tat ein besonderes Thema. Aber hier kommt uns in Kassel, glaube ich, zugute, dass wir eben nicht nur auf den Passagierflug beschränkt sind, sondern dass es auch darum geht, interkommunale Gewerbeflächen, flughafenaffine Unternehmen anzusiedeln."
Flughäfen können also häufig die Funktion eines Katalysators für die Region haben und Unternehmensansiedlungen fördern. Dadurch entstehen Arbeitsplätze. Dieser volkswirtschaftliche Nutzen gilt als weiteres Argument für die Existenzberechtigung. Den führt auch Ludger van Bebber an. Der frühere Chef des Flughafens Weeze am Niederrhein ist seit Anfang dieses Monats für den Flughafen Dortmund verantwortlich.
Seine Rechnung geht so: "Sie haben ja immer die Effekte erst mal von der Infrastruktur. Sie haben rund 6500 Jobs, die deutschlandweit von der Plattform hier abhängen. Allein 3600 in der Region, 500 Millionen Bruttowertschöpfung alleine durch diese Erwerbstätigen. Einkommenseffekte alleine von 220 Millionen Euro. Und zum guten Schluss kommen mehr als 60 Millionen an harten Steuern wieder in die Haushalte rein, also ein Vielfaches der Werte, die hier und da an Unterstützung notwendig sind."
Nur zwei Regionalflughäfen, Memmingen und Weeze, schrieben 2018 schwarze Zahlen, das zeigt eine Studie, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Sommer für den BUND, den Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland, erstellte. Die Studie betrachtet 14 Regionalflughäfen, die sie nach der Zahl der Passagiere definiert – zwischen 200.000 und drei Millionen jährlich.
Eine rechtlich genaue Definition gibt es nicht. Die meisten der Regionalflughäfen hätten schlicht zu wenige Passagiere, sagt Yvonne Ziegler, Professorin für internationales Luftverkehrsmanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences. "Wenn man sich die Ergebnisse der Flughäfen in Deutschland anschaut, sieht es so aus, als ob man ungefähr 3 Millionen Passagiere benötigt, um profitabel zu sein. Und viele Regionalflughäfen haben eben weniger Passagiere und entsprechend ist es für die schwieriger. Also sprich: Sie machen keinen Gewinn."
Nur eine statt erwarteten drei Millionen Passagieren
So rechnet Dortmund für dieses Jahr mit etwa einer Million Passagieren. Knapp drei sollten es eigentlich werden. Die schwarze Null war nach langen Jahren hoher Verluste in Sichtweite – bis die Coronakrise kam. Die Passagierzahlen an den Flughäfen bundesweit brachen zwischen Januar und August im Schnitt um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein, am besten schnitt immerhin Dortmund ab, dort lagen die Rückgänge nur bei gut der Hälfte. Im August erreichte der Flughafen sogar 70 Prozent des Vorjahresniveaus.
Dafür gebe es zwei Gründe, sagt Airport-Chef van Bebber, der eine: die Ausrichtung auf Osteuropa: "Man kann sicherlich sagen, von Hause aus waren diese Verkehre robuster, sie haben ja auch oft andere Reiseanlässe als wir das im klassischen Urlaubsverkehr kennen. Oft, was wir sagen: Friends, Relations, diese Anlässe. Wir haben aber daneben mit der Aufnahme der Base natürlich eine Orientierung auf ein anderes Zielportfolio. Also die Wizz Air fliegt im Rahmen der Base viel südeuropäische Ziele von hier an."
Denn Dortmund ist seit August die erste Basis der ungarischen Fluggesellschaft in Deutschland, drei Flugzeuge sind seither dort stationiert.
Basis für eine Airline zu sein, das garantiert eine bestimmte Zahl an Flügen und Passagieren. Umso einschneidender sind die Folgen, wenn eine solche Basis geschlossen wird. Das erlebt gerade der Flughafen Hahn. Doch dessen Geschäftsführung – der Flughafen gehört seit 2017 zu gut 80 Prozent der chinesischen HNA-Gruppe - war zu einem Interview nicht bereit. Ryanair, Europas größte Billigfluggesellschaft, zieht zum 1. November weitere Flugzeuge von dem einstigen US-Militärflughafen im Hunsrück ab und verlegt diese an größere Flughäfen. Hahn und Ryanair standen lange Jahre für den Aufstieg des Billigfliegens in Deutschland.
Die irische Fluggesellschaft profitierte lange Jahre von dem Entgegenkommen nicht nur des Hunsrücker Flughafens bei den Konditionen, erklärt Luftverkehrsexpertin Yvonne Ziegler: "Das haben die Flughäfen oft gemacht mit der Konsequenz, dass sie dann eben Verluste geschrieben haben und diese Verluste wieder durch die Eigentümer, meistens eben die öffentliche Hand, Gemeinden, Städte, Länder, diesen Verlust eben ausgeglichen haben. D.h., eigentlich wurde dann sozusagen Ryanair von der öffentlichen Hand subventioniert."
Das sei unfairer Wettbewerb, befanden die großen Konkurrenten wie Lufthansa und klagten dagegen. Das Ergebnis: 2014 wurde eine europäische Leitlinie erlassen. Danach ist von 2024 an die Subventionierung des laufenden Betriebs von Flughäfen beihilferechtlich untersagt.
Ein Problem für die Flughäfen, denn die kommen eigentlich nicht ohne Beihilfen und andere öffentliche Mittel aus. Schließlich sind bis auf Memmingen und Weeze die anderen Regionalflughäfen in öffentlicher Hand. "Diese Leitlinien unterscheiden zum einen zwischen Investitionsbeihilfen auf der einen Seite und auf der anderen Seite zwischen Betriebsbeihilfen", erklärt Eric Heymann, Luftverkehrsexperte der Deutsche Bank Research.
Dezentrale Flughäfen als Vorteil?
"Diese Investitionsbeihilfen, da darf der Staat, wenn an einem Flughafen investiert wird, noch etwas dazu geben. Da gibt es unterschiedliche Grenzwerte, je nachdem wie groß die Regionalflughäfen sind. Bei den Betriebsbeihilfen wird das etwas kritischer. Jetzt hat man in der Vergangenheit auch gesehen, dass solche Leitlinien und politischen Vorgaben mit einer gewissen Flexibilität ausgelegt werden. Aldo ich würde jetzt nicht sagen, dass dann das Jahr 2024 das Stichjahr ist, indem dann die Frage ist, schließen wir diese Flughäfen oder nicht, beantwortet wird. Aber der politische Druck wird eindeutig größer insbesondere, weil die Betriebsbeihilfen im aktuellen Status notwendig sind, um die Verluste, die an den Regionalflughäfen anfallen, auszugleichen."
Und eine Folge dieser EU-Vorgaben ist eben auch der Rückzug vieler Billigfluggesellschaften von den Regionalflughäfen, erklärt Yvonne Ziegler: "Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass vermutlich Ryanair nicht mehr die superguten Konditionen bekam wie in der Vergangenheit und sich deshalb auch durchaus dann umorientiert hat. Sie haben den Flughafen Hahn verlassen, sind ja nach Köln gegangen zum Beispiel, auch nach Frankfurt, also haben dann plötzlich eher große Flughäfen aufgesucht, die ihnen auch Sonderkonditionen einräumen konnten, weil sie neue Strecken eröffnet haben, aber eben auch nur für eine begrenzte Zeit. Also sie machen so ein bisschen Cherrypicking."
Wenig verwunderlich: Die Flughäfen selbst sehen die Frage der Subventionen anders. So meint Klaus-Jürgen Schwahn, Vizepräsident der IDRF, der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze: "Der Betrieb der reinen Infrastruktur kostet letztendlich immer mehr Geld als an Gebühren reinkommt. Das gilt aber auch für alle anderen Verkehrsträger. Nur wir haben da beim Luftverkehr immer so eine merkwürdige Einstellung. Bei der Deutschen Bahn fragt keiner danach, wie viel Zuschüsse der städtische Bahnhof oder das Schienennetz bekommt. Bei der Straße sieht es im Grunde genommen genauso aus, beim öffentlichen Personennahverkehr. Die Infrastruktur ist immer eine staatliche Aufgabe. Nur bei Flugplätzen hat man zumindest hierzulande immer die etwas merkwürdige Einstellung, dass sie ihr Geld selber verdienen müssen."
Der verkehrswirtschaftliche Nutzen des Nahverkehrs sei, so meinen Experten, jedoch größer als der des Luftverkehrs. Doch hätten die dezentralen Flughäfen einen Vorteil in diesem System, denn sie seien nicht an feste Trassen oder Straßen gebunden, meint Sven Maertens, Luftverkehrsforscher am DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: "Durch die Punktinfrastruktur, die wir im Luftverkehr haben, kann man eben prinzipiell von jedem Flugplatz aus dann auch jede Route anbieten. Und das ist eben aus dem Grunde der Luftverkehr ein Verkehrsträger mit einer sehr hohen Flexibilität."
Tatsächlich hat sich die Flughafeninfrastruktur mit insgesamt fast 1000 Flughäfen und Landeplätzen gerade in der aktuellen Krise als wertvoll erwiesen, zwei Drittel des Luftverkehrs finde nämlich außerhalb des großen Linienverkehrs statt, sagt Klaus-Jürgen Schwahn vom IDRF:
"Wir lösen derzeit sehr viele Transportaufgaben über die allgemeine Luftfahrt mit kleinen Luftfahrzeugen, die derzeit durch die Linienverkehre nicht bewerkstelligt werden können, weil eben die öffentlichen Verkehrsträger, die öffentlichen Verkehrsmittel derzeit im Grunde genommen nicht massentauglich sind durch Corona. Und da können wir im Grunde genommen froh sein, dass wir noch ein alternatives Verkehrssystem haben. Deswegen muss man die Resilienz berücksichtigen, und ich denke, man sollte deswegen auch mit dem Konkurrenzdenken aufhören."
Regionalflughäfen mit Klimalast von 4,2 Millionen Tonnen CO2
Dabei muss man jedoch auch die Umweltbelastung berücksichtigen. "Die Befürworter von Regionalflughäfen kommen natürlich auch unter Druck, unter anderem weil man ja auch eigentlich am liebsten die Inlandsflüge abschaffen möchte oder die Kurzstreckenflüge", sagt Yvonne Ziegler, Luftverkehrsexpertin der Frankfurt School of Applied Sciences.
"Und oft sind ja die Regionalflughäfen eher national oder europaweit unterwegs, prinzipiell eher im Kurz-Mittelstreckenbereich. Und von daher sind sie natürlich dann auch eher im Fokus aller Umweltaktivisten, die sagen, okay, hallo, da gibt es doch auch eine Bahn oder einen Bus, den ihr da vielleicht nutzen könnt als umweltfreundlichere Alternative."
Die Flughäfen verweisen da zwar auch auf die technische Entwicklung, auf synthetische Kraftstoffe oder Wasser-stoffantriebe, denn damit habe man die Chance, in absehbarer Zeit emissionsneutral unterwegs zu sein. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Noch gilt der Luftverkehr insgesamt als klimaschädlich. Allein die 14 Regionalflughäfen, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Sommer untersuchte, hätten 2019 eine Klimalast von 4,2 Millionen Tonnen CO2 verursacht, heißt es in der Studie. In diesen Wert sind sowohl direkte CO2-Emissionen eingerechnet als auch Nicht-CO2-Emissionen, die entsprechend umgerechnet wurden.
Schlussfolgerung der Studie: Diese Klimakosten müssten auf die Emissionen der Städte und Regionen angerechnet werden. Der Betrieb der Flughäfen werde damit noch unrentabler. Eine Argumentation, die Luftverkehrsexperte Eric Heymann von der Deutschen Bank nicht recht überzeugt. Es gehe vielmehr um das Verkehrsaufkommen an Regionalflughäfen. Es gebe nur wenige Zubringerflüge zu den großen Netzwerkflughäfen.
Das Angebot sei meist klein und werde es auch bleiben: "Dann ist meines Erachtens das Klimaargument nicht das wesentliche Argument, warum man Regionalflughäfen kritisch sehen kann oder kritisch sehen sollte. Denn das Hauptgeschäft im Luftverkehr findet an den größeren Flughäfen statt, und dann setzt die Klimapolitik auch dort an. Der Luftverkehr ist Teil des Emissionshandels. Wir haben eine Luftverkehrssteuer, andere Maßnahmen, die die Klima-und umweltpolitischen Effekte des Luftverkehrs zu adressieren versuchen. Also für mich ist das Klimaargument nicht das entscheidende, wenn man Regionalflughäfen kritisch sieht."
Die Regionalflughäfen aber sind nicht erst seit der Coronakrise umstritten. "Herr Oberbürgermeister, da hinten geht jetzt die Sky Servant ab. Das ist also mit einer der allerersten Starts hier in Calden."
Ein Fernsehreporter des Hessischen Rundfunks interviewt anlässlich der Eröffnung des so genannten "Verkehrs-landeplatzes Kassel-Calden" vor 50 Jahren den damaligen Kasseler Oberbürgermeister Karl Branner. Das Projekt eines Regionalflughafens für Nordhessen war schon damals umstritten.
Der OB schweigt beharrlich, als ihn der Reporter vor laufender Kamera fragt: "Wie viele Passagiere werden im Jahr 1970 von Calden aus wegfliegen, was glauben Sie? Geben Sie einen Tipp, nur einen Tipp."
Der Vorläufer-Flugplatz des heutigen "Kassel Airport" hatte bereits 1970 rund 22 Millionen D-Mark gekostet. Aber nach der Eröffnung wurden jahrelang nur wenige Ziele angeflogen – vor allem im Inland: München, Frankfurt, Düsseldorf. Erst in den 1990er Jahren kamen einige internationale Ferienziele hinzu. Nach rund vier Jahrzehnten war der Verkehrslandeplatz sanierungsbedürftig. Insbesondere der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wollte jedoch einen ganz neuen Flughafen mit längerer Start- und Landebahn, statt den alten Flugplatz zu sanieren. Die angestrebten 600.000 Passagiere pro Jahr wurden bis heute nicht einmal annähernd erreicht. Rund 130.000 Passagiere wurden in den Jahren vor der Corona-Krise maximal gezählt.
Corona facht Grundsatzdebatte an
Manche Passagiere, die gerne von Calden aus fliegen, machen diese Zahlen sehr nachdenklich:
"Das Angebot ist halt nicht da. Und das muss ich der Geschäftsführung hier leider Gottes ankreiden."
"Ich denke, das wird sich noch ein bisschen verbreiten und das wird sich dann irgendwann mal rentieren."
Doch nach inzwischen sieben Jahren sind Zweifel angebracht, ob die Nachfrage von Fluggästen wirklich noch entscheidend wachsen wird. Die hessische CDU argumentiert deswegen heute vor allem mit den luftfahrtbezogenen Industrie-Unternehmen sowie rund 1000 Arbeitsplätzen, die sich um den Flughafen Kassel-Calden angesiedelt haben und die staatlich subventionierte Infrastruktur nutzen.
Die grüne Verkehrsexpertin und Landtagsvizepräsidentin Karin Müller weist jedoch darauf hin, dass die meisten dieser Unternehmen schon vorher am alten Verkehrslandeplatz angesiedelt waren: "Also Neuansiedlungen aufgrund des Flughafens Kassel-Calden gibt es in überschaubarer Menge. Aber nicht so, dass man jetzt sagen könnte, es ist wirklich ein volkswirtschaftlicher Effekt."
Diesen Effekt sieht Eric Heymann von der Deutschen Bank auch an vielen anderen Regionalflughäfen nicht: "Die Passagierzahlen sind nicht da, das Frachtaufkommen ist nicht da. Das heißt für die lokalen Unternehmen ist der Nutzen, dass man da mit einem Flughafen vor der Haustür schnell in die Welt kommt, das ist in der Regel nicht gewährleistet."
Die Coronakrise dürfte also Anlass sein für eine neue intensive Diskussion über den Sinn der Regionalflughäfen. Die aber sollte man mit Augenmaß führen, mahnt Bastian Roet von der Pilotenvereinigung Cockpit: "Ja, wir haben hier eine Krise. Die ist da, und die hält auch schon seit einigen Monaten an und hat viele Airlines und Flughäfen in finanzielle Bedrängnis gebracht. Jetzt aber kurzfristig das zu nutzen, um eine politische Agenda gegen den Luftverkehr als solches durchzusetzen, das müssen wir scharf kritisieren."