Dienstag, 16. April 2024

Archiv


"Man kann ein Limit setzen, wie viel gepumpt werden darf"

Umwelt.- Fast überall auf der Welt zapft die Landwirtschaft vorhandenes Grundwasser an - allerdings verschieden stark. Der Umweltphysiker Werner Aeschbach-Hertig hat das Phänomen untersucht und erläutert im Interview, wie Grundwasservorräte nachhaltiger genutzt und stabilisiert werden könnten.

19.11.2012
    Uli Blumenthal: Die intensive Landwirtschaft lässt die Grundwasserspiegel in vielen Regionen sinken - zum Teil mit globalen Folgen. Das Schwinden des größten Süßwasserreservoirs der Erde gefährde die künftige Produktion von Lebensmitteln und lasse den Meeresspiegel ansteigen, so steht es heute im Fachjournal "Nature Geoscience". Einer der Autoren ist Professor Werner Aeschbach-Hertig, Umweltphysiker an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt, in welchen Ländern die Nutzung des Grundwasserspeichers besonders intensiv ist.

    Werner Aeschbach-Hertig: Am intensivsten ist es zurzeit in Indien und der Umgebung: Pakistan, Bangladesch sowie in Teilen von China, aber auch in den USA und Mexiko gibt es starke Grundwassernutzungen und -absenkungen.

    Blumenthal: Was sind die Ursachen für diese starke Nutzung der Grundwasserspeicher?

    Aeschbach-Hertig: Der Hauptgrund ist Nutzung für Bewässerungslandwirtschaft. Also da gehen die ganz großen Wassermengen hin. Und es tritt in den Gegenden auf, wo intensiv mit Bewässerung gearbeitet wird, intensive Landwirtschaft betrieben wird.

    Blumenthal: Aber das betrifft ja zum Beispiel - Sie haben es kurz angesprochen - auch die USA. Die Diskussion in diesem Jahr um Maisfelder, die alle verdorrt sind, ist ja zusammenzubringen auch mit Grundwasserspeichern, die nicht mehr oder gar nicht mehr gefüllt sind.

    Aeschbach-Hertig: Ja, in gewissen Gegenden - den High Plains und auch in Kalifornien - gab es eben schon über die letzten Jahrzehnte deutliche Absenkungen der Grundwasserspiegel, so dass es dort auch immer schwieriger wird, sozusagen noch zusätzliches Grundwasser zu nutzen.

    Blumenthal: Erleben wir gegenwärtig eine vorrangig negative Bilanz bei der Nutzung der Grundwasserspeicher - und wie lange braucht es, um einen solchen wieder aufzufüllen?

    Aeschbach-Hertig: Grundsätzlich muss man sagen: Grundwasser - global gesehen - ist eigentlich ein sehr großer Wasserspeicher, mit Abstand der größte. Es gibt viel mehr Grundwasser als in Seen und Flüssen. Aber die Erneuerung ist eben sehr viel langsamer. Die Fließgeschwindigkeiten von Grundwasser muss man sich in einer Gegend von einem Meter pro Tag vielleicht oder so etwas vorstellen. Das heißt, da kann einfach nicht so viel so schnell nachfließen, wie es zum Teil genutzt wird.

    Blumenthal: Wie lassen sich nun diese Grundwasservorräte - man wird wahrscheinlich dann nach regionalen Lösungen suchen - stabilisieren? Lässt sich das durch technische Verfahren realisieren oder müssen andere Dinge eingeleitet werden?

    Aeschbach-Hertig: Ja, es ist (...) breiten Ansatz. Also es gibt natürlich einige technische Dinge, die man machen kann und auch soll, die aber oft nicht ausreichen. Das ist dann so die Erfahrung, die man gemacht hat. Eine Möglichkeit ist künstliche Grundwasseranreicherung, also künstliche Infiltration von Wasser. Das wird zum Beispiel in Kalifornien auch intensiv gemacht - reicht aber demnach nicht in Trockenphasen, dann geht trotzdem die Bilanz ... . Eine andere technische Maßnahme wäre Wirklich, Wasser, also Oberflächenwasser dann in diese Gebiet, wo es eben fehlt, zu bringen - wird auch in Kalifornien gemacht, wird in China jetzt auch in großem Stil geplant...

    Blumenthal: Aber dann stelle ich mir das an einem konkreten Beispiel vor: In Indien, da gibt es, sagen wir Millionen oder Hunderttausende Nutzer, die mit ihren jeweiligen Brunnen dieses Grundwasserreservoir anzapfen. Wie wollen sie dort eine Lösung herbeiführen, dass der Speicher nicht weiter einfach nur leergepumpt wird, sondern sich wieder füllen kann?

    Aeschbach-Hertig: Das ist genau so ein schwieriges Problem, wo man jetzt eben zum Beispiel auch mit legalen, also rechtlichen Mitteln nicht unbedingt zum Ziel kommt. Also man kann ein Limit setzen, wie viel gepumpt werden darf. Aber es sind wirklich Millionen von Kleinbauern, die da das Grundwasser nutzen. Und das kann man ja gar nicht wirklich kontrollieren. Ein interessanter Ansatz in Indien scheint mir über die Energie zu gehen. Also dieses Grundwasserpumpen ist nur möglich durch die Verfügbarkeit von Strom für elektrische Pumpen. Und der ist dort für die Bauern zum Teil kostenfrei oder sehr stark subventioniert. Und da müsste man über die Kosten nachdenken. Zum Teil wird auch wirklich Bereitstellung von Elektrizität rationiert in Indien, um einfach das Pumpen einzuschränken. Ganz wichtig scheint mir, dass man eben regional, dort, wo das Problem auftritt, die ganzen Beteiligten Personen an einen Tisch bringt sozusagen - die Landwirte, die großen Farmer, die eben sehr stark Wasser verbrauchen, die Wasserbehörden natürlich und so weiter. Dass man also eine gemeinsame Strategie entwickelt, sich ein Ziel setzt und das dann auch über die Zeit eben überprüft, ob das auch eingehalten werden kann. Also man kann mit Grundwassermodellen dann auch Vorhersagen machen: Wenn man so viel pumpt, wird sich der Wasserspiel so entwickeln. Und das muss man natürlich dann auch überprüfen, ob das wirklich eingehalten wird. Und das ist wahrscheinlich die beste Strategie. Das ist vielleicht auch wiederum nicht überall umsetzbar, wenn es wirklich eben so viele kleine Landwirte sind, dann wird das natürlich auch schwierig.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.