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"Man muss vor allem die Belange der Kinder berücksichtigen"

Jutta Puls, im Vorstand des Deutschen Familiengerichtstags zuständig für das Thema Unterhalt, hat die Neuregelung des Unterhaltsrechts begrüßt. Die Widerstände innerhalb der Union ließen sich auf einen veralteten Familien- und Ehebegriff zurückführen. Wichtig sei es, die Positionen von nichtehelichen und ehelichen Kindern gleichermaßen zu schützen.

Moderation: Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: In einem sind sich Union und SPD einig bei der Neuregelung des Unterhaltsrechtes: Kinder sollen nach einer Trennung ihrer Eltern künftig Vorrang haben. So steht es im Gesetzentwurf, den das Kabinett schon vor einem knappen Jahr verabschiedet. Doch was ist mit den Ansprüchen der Expartner? Das Kabinett hatte damals beschlossen, dass künftig neue und ehemalige Lebenspartner gleichgestellt werden sollen, wenn sie Kinder betreuen, egal ob mit Trauschein oder ohne. Dagegen aber regt sich jetzt Widerstand aus der Union. Sie sieht den Schutz der Ehe gefährdet, die im Grundgesetz verankert ist, und fordert Änderungen. Am Telefon ist jetzt Jutta Puls, im Vorstand des Deutschen Familiengerichtstags zuständig für das Thema Unterhalt und ehemalige Richterin am Oberlandesgericht Hamburg. Schönen guten Morgen!

    Jutta Puls: Guten Morgen Herr Heckmann!

    Heckmann: Frau Puls, vor elf Monaten hat das Kabinett den Gesetzesentwurf zur Reform beschlossen. Nun kommt die Union mit Änderungswünschen. Ist das für Sie nachvollziehbar?

    Puls: Mir ist es schon klar, dass die Union mit Änderungswünschen kommt, und zwar deswegen, weil die Position von Frauen, die verheiratet waren oder verheiratet sind, nun auf einmal in ein anderes Licht gerückt werden. Die Frauen, die bisher verheiratet waren und geschieden sind, haben eventuell einen Anspruch auf Unterhalt, der sich bis ans Ende ihrer Tage erstrecken kann und der auch in einer Höhe festgesetzt wird, die der Ehe angemessenen Verhältnissen entspricht. Und nun wird durch das von Ihnen bereits erwähnte Gleichrangigkeitsverhältnis von allen Ehegatten, derzeitigen und vergangenen, eine neue Dimension aufgetan, die an der Position von Frauen schon erheblich rührt.

    Heckmann: Das heißt, Sie zweifeln auch nicht daran, dass sich für langjährige Ehepartner, die sich dann scheiden lassen, doch eine Menge ändern wird in Zukunft?

    Puls: In Zukunft sicherlich. Ob das auch für diejenigen Personen gilt, die schon jetzt geschieden sind und nach derzeitigem Recht ihre Unterhaltsansprüche festgesetzt haben, ergibt sich aus einer Übergangsregelung, und diese Übergangsregelung sieht vor, dass eine Anpassung an das neue Recht nur dann erfolgen soll, wenn die Änderung wesentlich ist auf Grund der neuen Verhältnisse gesetzlicher Art, und dann, wenn ihnen eine Änderung auch zumutbar ist, sie also im Vertrauen auf das bisherige Recht möglicherweise ihr Leben eingerichtet haben und die Rückkehr zu anderen Verhältnissen ihnen nicht angetan werden kann.

    Heckmann: Die Union argumentiert mit dem Vertrauensschutz, dass sich eben Personen, gerade viele Frauen, die sich als Hausfrau eingerichtet haben, eben diesen Vertrauensschutz verlieren würden. Sie sehen mit dem Gesetzentwurf, der vorgelegt wurde, diese Gefahr nicht?

    Puls: Nein, ich sehe sie deswegen nicht, weil wir eben eine solche Übergangsregelung haben, die die Frauen einfach schützt, auch erklärtermaßen schützen soll. Und für die Zukunft, denke ich mir, entspricht es einem anderen Ehebild als das, was konservative Kreise im Moment zeichnen. Es ist ja nicht mehr unsere Lebenswirklichkeit, dass die Frauen, wenn sie heiraten und auch Kinder großziehen, tatsächlich bis zum achten Lebensjahr und noch darüber hinaus nur für die Familie da sind, sondern sie gehen in der Regel einer Erwerbstätigkeit nach, die sich nach den Bedürfnissen der Kinder in ihrer Familie richtet, und dass diese Erwerbstätigkeit eine ist, die auch Frauen gut tut und damit auch ihren Kindern, das ist eigentlich eine Erkenntnis, die uns nicht so fremd sein sollte, denn Mütter, die zufrieden sind, weil sie auch einem Beruf nachgehen und dort Berufsanerkennung und Selbstverwirklichung erfahren, sind auch zufriedene Mütter, was den Kindern gut tut.

    Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, die Union oder Teile der Union hängen einem veralteten Familien- und Ehebegriff nach?

    Puls: Ich denke schon, dass es so ist. Jedenfalls ist es nicht mehr unsere Realität in weiten Kreisen der Bevölkerung. Es mag sein, dass Menschen, die es sich finanziell leisten können, ihre Kinder großziehen, ohne dass je von Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils die Rede ist. Aber viele Eltern ziehen gemeinsam ihre Kinder groß, und den Frauen wird durch Mitwirkung von Männern im Haushalt und bei der Kindesbetreuung ermöglicht, erwerbstätig zu sein. Und das erscheint mir auch ganz gut, denn diese Erwerbstätigkeit wird ermöglicht, etwa ab dem 3. Lebensjahr, durch entsprechende Kindergartenplätze und Betreuungseinrichtungen, und in solchen Einrichtungen sind Kinder auch gut aufgehoben insofern, als sie Impulse erfahren, die sie sonst von ihren Familien nicht erfahren, weil sie dort als Einzelkinder groß werden, und in einem größeren Verband, etwa im Kindergarten, soziale Kompetenz und auch geistige Entwicklungen erfahren, die sie vielleicht in der Einkindfamilie entbehren müssen.

    Heckmann: Das wird in Teilen der Union zumindest allerdings auch anders gesehen. Jetzt ist es aber auch so, dass da nicht nur ein weltanschaulicher Konflikt dahinter steht möglicherweise, sondern die Union argumentiert auch mit dem Schutz der Ehe, der im Grundgesetzt verankert ist.

    Puls: Ja, das ist sicherlich richtig. Der Schutz der Ehe ist im Grundgesetz verankert, aber genauso ist im Grundgesetz verankert der Schutz von Kindern, insbesondere auch der Schutz von Kindern, die nichtehelich geboren sind. Ihnen sind dieselben Entwicklungschancen zu gewähren wie ehelich geborenen Kindern, und wenn nun eine Frau, die ein nichteheliches Kind betreut, von dem Vater dieses Kindes Betreuungsunterhalt verlangt, dann ist es sachgerecht, dass die Position dieses Kindes genauso geschützt wird wie die Position eines ehelich geborenen Kindes.

    Ich denke also, dass um des Kindes Willen oder der Kinder Willen ein Gleichrang all derjenigen, die derzeitig Kindesbetreuung bedürftig sind, eine gleiche Rangposition haben. Und gegen diese Rangposition möchte man sich zur Wehr setzen. Das halte ich nicht für sachgerecht, denn es ist ja nicht anders, als wenn etwa ein Ehemann Haus und Hof verspielt, und dann muss die bisherige Familie auch mit den wirtschaftlichen Restriktionen, die sich daraus ergeben, fertig werden. Wenn nun ein Ehemann auch noch ein nichteheliches Kind in die Welt setzt, dann ist es eigentlich nichts anderes. Man kann nicht mit den Mitteln des Unterhaltsrechts erwarten, dass es idealtypische Unterhaltsschuldner gibt, die sich moralisch vor allen Dingen einwandfrei verhalten. Also der Schutz des Grundgesetzes ist einer, der dazu auffordert, in einen Abwägungsprozess einzutreten, und in diesem Abwägungsprozess muss man die Belange der Kinder vor allen Dingen berücksichtigen, denn die sind schwächer als die Ehegatten, und der Kinderschutz gebietet eben, dass Kinder großgezogen werden in den ersten drei Jahren, so wie es auch bisher ja schon der Fall ist, durch ein Elternteil hauptsächlich, und erst nach Ablauf dieser dreijährigen Betreuungsphase wird dann verlangt, dass nichteheliche Mütter wieder erwerbstätig werden.

    Heckmann: Vielen Dank für das Gespräch.