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Marokko
Tod eines Fischverkäufers löst Massenproteste aus

In Marokko sind tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Machtmissbrauch durch die Polizei zu protestieren. Ausgelöst wurden die Demonstrationen durch den Tod eines Fischhändlers, der auf brutale Weise in einer Müllpresse starb. Der Fall erinnert an ein Ereignis in Tunesien 2010 - das den Arabischen Frühling auslöste.

01.11.2016
    Menschen demonstrieren im Dunkeln auf einer Straße
    Tausende gingen nach dem Tod des Fischverkäufers in Marokko auf die Straße. (FADEL SENNA / AFP)
    Die genauen Umstände des Todes von Mouhcine Fikri sind unklar. Den Angaben der Marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) zufolge warf sich der 31-Jährige am vergangenen Freitag in der Stadt Al-Hoceima in eine Müllpresse, mit der die Polizei Fisch zerstören wollte, den sie vorher beschlagnahmt hatte. Fikri habe so seine Ware retten wollen. Andere Aktivisten behaupten, die Polizei habe Müllmänner angewiesen, den Fischer mit der Presse zu töten. Die Polizei wies die Vorwürfe zurück.
    An der Beerdigung Fikris am Sonntag nahmen bereits tausende Menschen teil. Am Abend versammelten sich dann noch einmal tausende Demonstranten im Zentrum der Stadt. Vorher waren im Internet Fotos mit Fikris leblosem Körper und einem aus der Müllwalze herausragenden Arm verbreitet worden. Marokkanische Zeitungen brachten die Fotos am Montag auf ihren Titelseiten, zusammen mit Bildern von der Beerdigung und empörten Demonstranten. Auch in den sozialen Medien verbreiteten sich die Bilder und lösten wütende Kommentare aus.
    Angriff auf das royale Establishment
    "Die Proteste werden so lange weitergehen, bis alle für das Verbrechen Verantwortlichen bestraft wurden," kündigte Al-Houssine Lmrabet, einer der Organisatoren, an. "Wir wollen außerdem die Garantie, dass so etwas nicht noch einmal passieren wird." Das solle durch die "Säuberung" der öffentlichen Verwaltung von korrupten Beamten geschehen.
    Nicht nur in Al-Hoceima und Städten der Rifregion wurde demonstriert. Auch in der Hauptstadt Rabat, in Casablanca und Marrakesch fanden Proteste statt, die bis Montag anhielten. Die Demonstranten machten in ihren Gesängen die "Makhzen" für den Tod Fikris verantwortlich. Der Begriff meint das royale Establishment. Großdemonstrationen sind in Marokko selten. Das Land hat zwar eine gewählte Regierung - der Einfluss von König Mohammed VI. ist allerdings immer noch groß. 2011 hatte er auf die Proteste des Arabischen Frühlings mit Reformen reagiert und somit - im Gegensatz zu den Regierungen in Tunesien, Ägypten oder Libyen - seine Macht halten können.
    Innenministerium will Umstände aufklären
    Das Innenministerium hatte bereits am Samstag eine Untersuchung der Todesumstände Fikris angeordnet. Innenminister Mohammed Hassad überbrachte der Familie des Toten am Sonntag in Al-Hoceima das Beileid von König Mohammed VI. Hassad sagte am Sonntagabend, Beamte hätten an einer Polizeisperre in Fikris Auto eine "große Menge Schwertfisch" gefunden, dessen Fang untersagt sei. Daraufhin sei entschieden worden, "die illegale Ware zu zerstören". Allerdings habe Fikri nicht auf diese Art und Weise zu Tode kommen dürfen.
    Der Fall erinnert an die Selbstverbrennung eines tunesischen Straßenhändlers im Dezember 2010. Er hatte sich selbst angezündet, nachdem die Behörden seine Ware beschlagnahmt hatten. Sein Tod und die darauffolgenden Proteste hatte den Arabischen Frühling ausgelöst. Al Hoceima war eine der Hochburgen der Massenproteste während des Arabischen Frühlings 2011.
    (cvo/)