Winzig, effizient und extrem ansteckend – das Masern-Virus vereint alles, was die Medizin an Viren fürchtet. Seit Jahrhunderten befällt es die Menschen rund um den Globus. Verheerende Epidemien wie beispielsweise auf Hawaii 1848 forderten Zehntausende Opfer.
Größere Ausbrüche gibt es auch heutzutage noch regelmäßig. Im Kongo steckten sich 2019 über 300.000 Menschen an. Mehr als 6000 starben – vor allem Kinder. Eine wirksame Impfung gibt es. Die sinkende Impfbereitschaft unterminiert jedoch die Bemühungen der Gesundheitsbehörden, die Bevölkerung auf diese Weise zu schützen. Deshalb gibt es auch in hoch entwickelten Industrieländern wie Deutschland immer wieder Masernausbrüche.
Was sind die Masern?
Nur in etwa so groß wie ein Sechshundertstel eines menschlichen Haares ist das Masernvirus – winzig, aber extrem ansteckend. Jeder Erkrankte steckt im Schnitt 12 bis 18 weitere Menschen an. Die sogenannte Basisreproduktionszahl, mit der Epidemiologen die Ausbreitung einer Krankheit berechnen, erlaubt einen Vergleich zu anderen Viren. Bei Masern liegt dieser Wert bei 15, beim Corona-Urtyp, dem Auslöser der jüngsten Pandemie, lag er bei nur 2,9.
Die Übertragung erfolgt entweder über eine Kontaktinfektion oder durch virushaltige Tröpfchen, die Erkrankte beim Niesen oder Sprechen unbemerkt in die Luft schleudern. Solche Aerosole können in der Raumluft bis zu zwei Stunden lang verharren, was bedeutet, dass man sich selbst dann anstecken kann, wenn man keinen direkten Kontakt mit einem Infizierten hatte.
Die Erkrankung verläuft in zwei Phasen, deren Symptome sich unterscheiden. Zunächst sieht alles nach einer Erkältung aus: Betroffene haben Fieber, Schnupfen, Husten und in manchen Fällen auch eine Bindehautentzündung. An der Mundschleimhaut können sich charakteristische rötlich-weiße Punkte, die sogenannten Koplik-Flecken zeigen.
Nach zwei bis vier Tagen beginnt die zweite Phase. Das Fieber kann wieder ansteigen. Außerdem bildet sich auf der Haut der maserntypische Ausschlag. Beginnend im Gesicht, häufig hinter den Ohren, breiten sich die rosafarbenen Flecken auf dem ganzen Körper aus. Bei einer Erkrankung können lediglich die Symptome wie Fieber und der Hautausschlag medizinisch gelindert werden, das Virus an sich ist nicht behandelbar. Wer einmal daran erkrankt, ist lebenslang immun.
Was macht dieses Virus gefährlich?
Masern können bei einem kleinen Teil der Erkrankten schwere Komplikationen auslösen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen. Besonders gefährdet sind Kinder unter fünf Jahren und Erwachsene über 20 Jahren sowie Personen, die an einer Schwäche des Immunsystems leiden.
Das Virus schwächt die Immunabwehr des Menschen für mehrere Monate, was es anderen Erregern* leichter macht, den Körper zu befallen. Neben Magen-Darm-Infekten oder Mittelohrentzündungen können Betroffene auch eine lebensbedrohliche Lungenentzündung entwickeln.
Noch schwerwiegendere Folgen hat eine Hirnhautentzündung. Eine solche Enzephalitis kommt bei etwa einem von 1000 Masern-Fällen vor. Knapp die Hälfte der Betroffenen stirbt oder erleidet bleibende Nervenschäden. Erst Jahre nach einer Masernerkrankung zeigt sich in äußerst seltenen Fällen eine Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Diese Form der Hirnentzündung verläuft in der Regel immer tödlich. Besonders gefährdet sind Kinder, die in den ersten Lebensmonaten an Masern erkrankt sind.
Warum warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO)?
Ein Masern-Toter in Irland, dazu größere Ausbrüche in Großbritannien sowie in Köln und Wien - Anfang 2024 taucht das Virus wieder vermehrt auf. Ähnlich wie in der Coronapandemie gibt es in gewissen Abständen Infektionswellen.
Nun scheint es wieder eine solche Welle zu geben, deshalb warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Zwischen Januar und Oktober 2023 seien im europäischen Berichtsgebiet, das 54 Mitgliedsstaaten bis nach Zentralasien umfasst, 30 Mal so viele Masernfälle registriert worden wie im ganzen Jahr davor. Rund 30.000 Fälle wurden gemeldet - gegenüber 941 Fällen im gesamten Jahr 2022.
Über 300.000 Masern-Fälle 2023 weltweit
Weltweit registrierte die WHO 2023 rund 306.000 Masern-Fälle. Dies sei ein Anstieg von 79 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Masern-Fachleute seien angesichts dieser Zahlen "äußerst besorgt", sagt Natasha Crowcroft, die bei der WHO für Masern und Röteln zuständig ist. Zumal Fachleute von einer noch deutlich höheren Dunkelziffer ausgehen, da längst nicht alle Infektionen gemeldet werden.
Schätzungen auf der Grundlage von Modellrechnungen haben ergeben, dass es im Jahr 2022 weltweit 9,2 Millionen Infektionsfälle und rund 136.200 Todesfälle durch Masern gab. Bei den Todesfällen wurde ein Anstieg um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Für 2023 gibt es noch keine Modellrechnung.
Eine Hauptursache für die steigenden Zahlen ist laut Crowcroft die "rückläufige Impfquote". Die WHO gibt als Zielmarke 95 Prozent an, damit gelten Masern in einem Land als „ausgerottet“, da das Virus sich quasi nicht mehr ausbreiten kann.
Eine Epidemie ist überall dort möglich, wo die Impfquote deutlich niedriger ist. Die weltweite Impfquote ist nach Angaben der WHO zuletzt auf 83 Prozent gesunken - etwa durch verpasste Impfungen während der Corona-Pandemie.
Wie kann man sich gegen Masern schützen?
Gegen Masern gibt es seit Mitte der 1960er-Jahre einen wirksamen Impfstoff. In Deutschland werden in der Regel mit einigen Monaten Abstand zwei Dosen eines Kombinationsimpfstoffs gegen Masern, Mumps und Röteln verabreicht, dessen Schutz nach Stand der Forschung lebenslang anhält. Kinder können ab den elften Lebensmonat geimpft werden. Auch Erwachsenen, die nach 1970 geboren wurden und nur eine Dosis erhalten haben, wird eine Auffrischung empfohlen.
Wie im Falle der Corona-Impfung breit diskutiert, spielt das Thema Impfskepsis auch bei Masern eine Rolle. Manche Eltern lehnen eine Impfung ab. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Eine Studie der Universität Konstanz aus dem Jahr 2022 zeigt jedoch, dass die Impfquoten in Deutschland gestiegen sind und dass über die Geburtskohorten hinweg der Anteil impfskeptischer Eltern abgenommen hat – von circa zehn Prozent bei Kindern, die Ende der 1980-er geboren wurden, auf gut sechs Prozent bei den um das Jahr 2000 Geborenen.
Seit dem 1. März 2020 gilt in Deutschland zudem das Masernschutzgesetz, das gewisse Teile der Bevölkerung zu einer Impfung verpflichtet. Davon betroffen sind Kinder ab einem Jahr, die in Kindertagesstätten oder in der Kindertagespflege betreut werden, sowie Schulkinder. Sie müssen eine Masern-Schutzimpfung nachweisen, außer wenn sie durch eine bereits durchlebte Masern-Infektion immun sind.
Dies gilt auch für Kinder, die vier Wochen in einem Kinderheim betreut werden, sowie alle nach 1970 Geborenen, die in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber und Geflüchtete untergebracht sind. Ebenso eine Impfung oder erworbene Immunität nachweisen müssen alle Personen, die in solchen Einrichtungen oder im Gesundheitswesen arbeiten.
Verfassungsbeschwerden gegen die Masern-Impfpflicht hat das höchste deutsche Gericht zurückgewiesen. Zwar stelle die Impfpflicht einen Eingriff in das Elternrecht und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit dar, urteilte das Bundesverfassungsgericht im August 2022. Diese Grundrechtseingriffe seien aber zumutbar und verhältnismäßig, um besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen.
*Wir haben eine Formulierung angepasst, weil sprachlich nicht klar zwischen Viren und Bakterien unterschieden wurde.
jk