Freitag, 03. Mai 2024

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Medienkompetenz in der Schule
"Das sollte jedem Fach als Unterrichtsprinzip verordnet werden"

Vielen Jugendlichen wird ein problematischer Internetkonsum attestiert. Dabei sei nicht der Medienkonsum an sich das Problem, sondern es seien die Inhalte, sagte der Pädagoge Tobias Frischholz im Dlf. Schulen sollten deshalb die Vermittlung von Medienkompetenz in jedes Unterrichtsfach einbauen.

Tobias Frischholz im Gespräch mit Helena Nikita Schreiner | 11.02.2020
Schüler arbeiten mit einem Tablet.
Der Medienpädagoge Tobias Frischholz sieht in der Schule viele Möglichkeiten Medienkompetenz zu vermitteln (Martin Schutt / dpa-Zentralbild)
Helena Nikita Schreiner: Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat sich heute für mehr Medienbildung an Schulen ausgesprochen. Nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Lehrkräfte. Und genau deswegen, nämlich um Jugendliche und auch Erwachsene im Umgang mit Medien zu sensibilisieren und sie auf die positiven und negativen Folgen der Internetnutzung aufmerksam zu machen, veranstaltet die EU-Kommission seit mehreren Jahren den "Safer Internet Day". Der ist heute. Dieses Jahr mit dem Schwerpunkt "Idole im Netz. Influencer & Meinungsmacht".
Wie bewegen wir uns also sicher und gut im Internet? Was machen wir richtig, was machen wir falsch? Das weiß Tobias Frischholz. Er ist medienpädagogischer Berater für digitale Bildung und Leiter des Medienzentrums in Dachau. Außerdem ist er Lehrer und hat dadurch einen besonderen Einblick in das Mediennutzungsverhalten von jungen Menschen. Deswegen wollte ich von ihm wissen: welchen Ansatz empfehlen Sie, um Schülerinnen und Schülern einen richtigen Umgang mit Medien beizubringen?
Tobias Frischholz: Ich sehe es auf der einen Seite schon richtig, dass hier auch ein Fach gefordert wird, aber ich finde es eigentlich noch viel wichtiger, dass wir diese Kompetenzvermittlung in jedes Unterrichtsfach einbauen. Also das darf nicht irgendwie isoliert in einem Fach stattfinden, sondern das sollte in jedem Fach eigentlich als Unterrichtsprinzip und als Methode mit verordnet werden, damit wir diese Kompetenzen fördern. Da braucht es natürlich auch einiges an Fortbildung für die Lehrkräfte, aber wir müssen mit den Medien, die zum Alltag der Schülerinnen und Schüler gehören, wir müssen mit diesen Medien im Unterricht arbeiten, und dann vermitteln wir damit auch gleichzeitig Medienkompetenz, verantwortungsbewusstes Handeln damit und auch eine gewisse Medienkritik.
Schüler hält im Unterricht ein Handy in den Händen 
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Schreiner: Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben aber 22 Prozent der 12- bis 17-Jährigen – also das wären ja dann auch genau Schüler und Schülerinnen von Ihnen – einen problematischen Medienkonsum. Also die wissen wahrscheinlich noch gar nicht, wie man überhaupt mit Medien umgeht. Meine Frage ist jetzt auch an Sie, was bedeutet es überhaupt, also problematischer Medienkonsum? Bedeutet das, das ist zu viel, zu wenig, ist es zu ernsthafter Konsum oder zu exklusiver Konsum?
Frischholz: Also wenn von problematischem Konsum gesprochen wird, dann, denke ich, ist immer der Konsum gemeint, der zu viel ist. Wahrscheinlich weniger zu wenig. Die Frage, die wir uns immer stellen müssen, ist, was ist zu viel, wo sind hier irgendwelche Grenzen. Ich denke, es ist auch ganz entscheidend, was gemacht wird, weil eigentlich nicht das Medium entscheidet, ob das jetzt ein Smartphone oder ein Buch ist, ob das der Fernseher ist oder das Radio, sondern ich denke, viel wichtiger ist statt des Mediums, was ist der Inhalt, der hier konsumiert wird. Also ich kann drei Stunden "Clash of Clans" spielen, und dann kann man das vielleicht als bedenklich ansehen. Ich kann aber auch drei Stunden mit einem digitalen Medium etwas lesen, etwas erstellen, etwas vertonen, produktiv werden, etwas Neues dazulernen. Ich denke, das macht schon einen großen Unterschied aus, auch in der Bewertung, was ist zu viel.
Fake News im Unterricht
Schreiner: Um diese Vermischung der digitalen und der analogen Welt ein bisschen besser zu durchdringen, gibt es ja den "Safer Internet Day", der in diesem Jahr einen Schwerpunkt setzt, und der heißt "Idole im Netz: Influencer und Meinungsmacht". Dazu gibt es dann im Programm unter anderem Workshops wie "Wieviel Influencer steckt in dir". Im Ursprung war es ja so: Influencer haben zum Beispiel Handtaschen oder andere Dinge in die Kamera gehalten und ordentlich Werbung gemacht. Heute wenden sich aber auch viele von ihnen Sinnhafterem zu. Da ist zum Beispiel der YouTuber Rezo ein gutes Stichwort. Da wird ja dann schon ein gewisser Beitrag zur politischen Bildung geleistet, dem Jugendliche wahrscheinlich auch ein bisschen mehr Bedeutung zuwenden als der Bildungsarbeit in Schulen. Wie könnten Schulen das für sich nutzen?
Frischholz: Ich gebe Ihnen da vollkommen recht, dass es hier zum einen schon mal eine ganz positive Bewegung gibt an Influencern. Das zeigt auch, dass das Netz eigentlich auch mehr Partizipationsfähigkeit ermöglicht, mehr Demokratiebeteiligung. Das ist eigentlich ein Superschritt. Dass diese Kanäle jetzt Jugendliche ansprechen, verwundert nicht, wenn man natürlich die althergebrachten Medien sich anschaut, wie dröge die teilweise sein können, wie trocken die sein können. Das ist einfach alles kürzer, schneller geschnitten, auf den Punkt gebracht mit einer modernen Sprache.
Den Beitrag, den Schule leisten kann, denke ich, dass man sich solche Formate auch ansieht. Mit ansehen meine ich, dass man im Unterricht solche Formate auch aktiv nutzt in der Bearbeitung eines Themas. Also ich kann natürlich im Deutschunterricht beispielsweise ein Erklärvideo machen, oder ich bringe ein literarisches Stück zum Beispiel mit Alltagssprache der Schüler in die Neuzeit und benutze dieses Medium, dass sie selbst Filme drehen und schneiden und durchaus auch mal wie diese Influencer ihre Message kommunizieren. Ich denke, wenn wir diese Art von Kommunikationsform auch im Unterricht verwenden, dann lernen die Schüler auch mehrere Dinge dabei.
Sie lernen zum Beispiel, wie aufwendig ist, so etwas zu erstellen. Da wird dann wahrscheinlich kein Fünftklässler mehr sagen, mein Traumwunsch ist, YouTuber zu werden, weil man merkt, was das für eine knochenharte Arbeit auch ist. Sie werden auch merken, dass man damit natürlich auch falsche Informationen vermitteln kann. Also wenn ich im Unterricht Fake News behandeln möchte, dann lasse ich am allerliebsten meine Schüler auch Fake News erstellen, zum Beispiel auch in Videoform, damit sie auch merken, wie leicht das eigentlich ist, hier Lügen zu verbreiten. Umgekehrt dann natürlich ist es auch sinnvoll, dann dadurch zu lernen, wie kann ich denn diese falschen Meldungen enttarnen wieder. Auch durch diese Erstellung von solchen Videos lernt man natürlich auch, Medien kritischer zu sehen. Also ich denke, da kann Schule eigentlich einen ganz guten Beitrag leisten. Das muss jetzt nicht unbedingt im Fach Deutsch sein, das kann eigentlich in jedem Fach sein, wo Inhalte vermittelt werden, also eigentlich überall.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.