"Was erwarten Sie von der Politik?" Das wolle er von den "Stakeholdern" der Medien erfahren, die gekommen sind, sagt Gernot Blümel. Blümel ist als Medienminister Gastgeber der Medienenquete, zu der seine Regierung geladen hat.
An den zwei Tagen der Medienenquete sollen Vertreter aus Medien und Politik daran arbeiten, "den Medienstandort Österreich zu stärken und die österreichische Identität in der (digitalen) Medienwelt der Zukunft zu sichern", heißt es in der Einladung zu dem Treffen. Kritiker werfen der Regierung vor, zivilgesellschaftliche Vertreter fehlten auf den meisten Panels.
Blümel weiß, dass die Erwartungen an das Treffen hoch sind. Doch ließen sich alle medienpolitischen Streitigkeiten "nicht mit einem Fingerschnipps" lösen, betont der ÖVP-Politiker in seinem Eröffnungsvortrag. In Österreich sei eine Diskussion über Medien dringend nötig. Dabei gehe es nicht nur um die Frage, "wie es mit dem ORF weitergeht".
Dass es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in weitergeht, daran zweifelt keiner der vier Podiumsredner zu Beginn der Tagung. Der Vertreter aus Deutschland, Verleger-Präsident Mathias Döpfner, geht - anders als in Deutschland im vergangenen Jahr - erst gar nicht direkt auf die Frage nach dem Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ein. Der 55-Jährige spricht über die Gefahren der Monopolisierung durch Digitalriesen aus den USA, die Erwartungen an die Politik und Brüssel sowei die Suche nach "Leadership" in Medien wie Politik.
"Unverzichtbarer demokratischer Bestandteil"
Der ORF als "relevantes Leitmedium" sei in seiner Existenz so wichtig wie bereits vor 20 Jahren, also vor der sogenannten digitalen Revolution, findet Gerhard Zeiler, über Jahrzehnte Manager privater Medien und vier Jahre lang Intendant des ORF. Als nicht-kommerzielles Unternehmen sei der ORF ein "unverzichtbarer Bestandteil für unsere demokratische Gesellschaftsordnung" und von "unschätzbarer Bedeutung für die Weiterentwicklung der nationalen Identität".
EU-Justizkommissarin Vera Jourova erinnert daran, dass der öffentliche Rundfunk häufig das erste Opfer autoritärer Regime sei. Der Erhalt unabhängiger Medien sei nicht zuletzt deshalb für demokratische Gesellschaften notwendig. Jourova weiß, wovon sie spricht: Auch in ihrer Heimat, Tschechien, wächst der Druck auf öffentlich-rechtliche Journalisten.
Demonstration für den ORF
Am Vorabend hatte in Wien eine Demonstration unter der Überschrift "Wir für den ORF" stattgefunden. Im Mittelpunkt stand auch hier die Sorge um die Unabhängigkeit des Rundfunks. Es gehe nicht nur um den Einfluss der Regierung, sagte "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher auf der Veranstaltung, sondern um Attacken auf das Prinzip des Öffentlich-Rechtlichen.
Solche Angriffe hat es in letzter Zeit immer wieder gegeben: So drohte FPÖ-Politiker Norbert Steger und ORF-Stiftungsratmitglied Norbert Steger jüngst mit einer Kürzung der Gelder für Auslandskorrespondenten, "wenn diese sich nicht korrekt verhalten".
Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte Mitte Februar auf seinem persönlichen Facebook-Profil geschrieben: "Es gibt einen Ort, wo Lügen und Fake News zu Nachrichten werden. Das sind der ORF und das Facebook Profil von Armin Wolf." Strache entschuldigte sich später bei Wolf, dem wohl bekanntesten Nachrichtenmoderator des Senders.
Kurz wünscht sich ergebnisoffene Diskussion
Dass Wolf ein unabhängiger Journalist ist, bewies er nur wenige Tage vor der Medienenquete. In einem Interview mit Wladimir Putin stellte der ORF-Journalist dem russischen Präsidenten auch kritische Nachfragen und unterbrach ihn immer wieder. Ein russischer staatlicher TV-Sender sprach daraufhin von "Lügenpresse".
Viele andere internationale Journalisten lobten Wolf dagegen für seine Interviewführung. Es könne sein, "dass Armin Wolf mit einem Putin-Interview den ORF praktisch im Alleingang gegen die Putinisten in Österreich gerettet hat", schrieb der Journalist und Schriftsteller Robert Misik auf Twitter.
Wie genau die Zukunft des ORF aussehen wird, entscheidet sich wohl nicht während der Medienenquete in den kommenden zwei Tagen. Stattdessen wird viel diskutiert, gerade auch über Forderungen der regierenden FPÖ: Die Rechtspopulisten machen sich für ein neues ORF-Gesetz stark, das unter anderem vorsieht, dass der Sender künftig nicht mehr über Gebühren, sondern direkt von der Regierung finanziert wird.
Denn anders als in Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt für unzulässig erklärt hat, sei das in Österreich grundsätzlich möglich, sagte Srdjan Govedarica, Hörfunkkorrespondent im ARD-Studio Wien, im Deutschlandfunk.
Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärte im Vorfeld der Medienenquete, er wünsche sich eine ergebnisoffene Diskussion. Klar sei aber: Eine Zerschlagung des ORF sei kein Thema.