"Die Hornhauttransplantation ist die häufigste Form der Gewebetransplantation überhaupt: in Deutschland 8.000, 9.000 Mal im Jahr. Wir allein in Köln machen 800 Hornhautverpflanzungen im Jahr, das ist mehr als Leber, Niere, Lunge, Herz und so was alles zusammengenommen."
Viele Menschen erhalten mit so einer Transplantation ihr Sehvermögen zurück, sagt Claus Cursiefen, Direktor des Zentrums für Augenheilkunde an der Kölner Uniklinik.
Spenden künftig überflüssig?
Wenn sich die Hornhaut - die vorderste, glasklare Schicht im Auge - trübt, kann das bis zur Erblindung führen. Grund ist beispielsweise eine Verätzung oder eine vererbbare Krankheit.
Bei der Transplantation näht der Arzt nicht nur eine neue Hornhaut auf das kranke Auge. Er überträgt auch die Stammzellen, aus denen heraus sich die Hornhaut alle paar Tage erneuert. Ansonsten würde der Erfolg nicht lange vorhalten.
"Bei Patienten, die eine Schädigung nur auf einer Seite haben, macht man es so, dass man von dem gesunden Partner-Auge eine kleine Probe nimmt, also ein ganz kleines Gewebsstück von Stammzellen entfernt. Das ist dann so ein mal ein Millimeter groß. Dann werden diese Stammzellen in Kultur genommen, die vermehren sich und wenn das dann ausreichend viele sind, werden die dann so im Block auf das erkrankte Auge transplantiert."
Sind bei einem Patienten beide Augen geschädigt, muss man auf Hornhautspenden von Verstorbenen zurückgreifen. In Japan erproben Ärzte jetzt eine neue Methode: Vier Patienten bekommen Hornhautgewebe, das aus induzierten pluripotenten Stammzellen entstanden ist, den sogenannten iPS-Zellen. Das sind ausgereifte Körperzellen, die in der Laborschale zu Stammzellen zurückprogrammiert wurden. Der Japaner Shin'ya Yamanaka erhielt für dieses Verfahren im Jahr 2012 den Medizin-Nobelpreis. Es könnte Spenden in Zukunft überflüssig machen.
Erste Hornhaut-Transplantation mit iPS-Zellen
"Auch bei der Hornhauttransplantation gibt es einen Spendermangel. Der ist nicht ganz so schlimm wie bei den Organen, weil wir die Hornhaut auch noch über längere Zeit postmortal entnehmen können, weil es ja kein durchblutetes Gewebe ist. Aber auch da gibt es einen Spendermangel und der ist gerade auch in Ländern der sich entwickelnden Welt wesentlich größer noch als bei uns. Insofern wäre das ein Riesen-Fortschritt, wenn man das aus so iPS-Zellen züchten könnte."
Die erste Patientin, eine Frau in den Vierzigern, wurde vor wenigen Monaten an der Osaka University operiert. Bei ihr erneuerte sich die Hornhaut nicht mehr selbst. Dadurch sah sie verschwommen.
Das Team um Augenarzt Kohji Nishida züchtete aus iPS-Zellen Hornhautzellen - in einer Schicht, die nur ein zwanzigstel eines Millimeters dick war. Die transplantierten sie ins linke Auge der Frau. Ein erster spannender Schritt, meint Claus Cursiefen.
"Das ist ja noch nicht die gesamte Hornhaut, die da ersetzt wird, also nicht die gesamte Windschutzscheibe des Auges, sondern es geht ‚nur‘ erstmal um die äußere Schicht der Hornhaut, also um die Epithelzellen, die äußerste Deckzellschicht. Die längerfristige Vision, die der Professor Nishida da in Osaka auch verfolgt, nämlich aus diesen iPS-Zellen alle fünf Schichten der Hornhaut zu regenerieren und dann eine komplette iPS-basierte Hornhaut zu entwickeln und die dann zu transplantieren - das wäre wirklich ein Durchbruch."
Eines Tages auch die Netzhaut regenerieren
Der Patientin gehe es gut und sie könne wieder besser sehen, verkündete Nishida ein paar Wochen nach der Operation. Noch vor Ende des Jahres will er einen zweiten Patienten operieren. Cursiefen ist gespannt auf das Ergebnis.
"Wenn das mal klappt, diese ganzen anderen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben könnten: eben noch andere Dinge zu regenerieren, also auch vielleicht irgendwann auch mal die Netzhaut zu regenerieren. Das öffnet sozusagen ein Tor für alle möglichen potenziellen Anwendungen."
Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass japanische Ärzte iPS-Zellen in der Therapie nutzen: Sie haben damit bereits eine andere Augenkrankheit behandelt, Rückenmarksverletzungen sowie Parkinson.