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Mehrkosten für Stuttgart 21
"Eindeutig eine Aufgabe der Deutschen Bahn AG"

Die Bahn will das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart verklagen und dazu verpflichten, sich an den Mehrkosten von Stuttgart 21 zu beteiligen. Es sei ein Witz zu glauben, nur weil die Bahn länger brauche und die Kosten unterschätzt habe, dass das Land seinen freiwilligen Zuschuss erhöhen müsste, sagte der Grünen-Politiker Andreas Schwarz im DLF.

Andreas Schwarz im Gespräch mit Christine Heuer |
    Stuttgart 21: Blick auf die Großbaustelle im Gleisfeld des Hauptbahnhofes
    Andreas Schwarz (Grüne) im DLF hält es für unwahrscheinlich, dass Gerichte die Landesregierung von Baden-Württemberg dazu verurteilen, sich stärker an den Mehrkosten für Stuttgart 21 zu beteiligen. (picture alliance / dpa / Benjamin Beytekin)
    Christine Heuer: Neuer Ärger um Stuttgart 21. Die Bahn will das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart verklagen. So ist es heute in verschiedenen Medien zu lesen. Der Konzern will damit juristisch durchsetzen, dass sich seine Vertragspartner an den milliardenschweren Mehrkosten für das umstrittene Bauprojekt Stuttgart 21 beteiligen müssen.
    Am Telefon ist Andreas Schwarz, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Guten Tag, Herr Schwarz.
    Andreas Schwarz: Hallo! Guten Tag.
    Heuer: Guten Tag! - Die Bahn wird voraussichtlich klagen. Wie sehr ärgern Sie sich darüber?
    Schwarz: Es war ja fast zu erwarten, dass die Bahn klagt. Ich kann dazu nur sagen: Die Deutsche Bahn AG weiß, dass Baden-Württemberg nicht mehr bezahlen wird, als im Finanzierungsvertrag geregelt ist.
    Die Bahn weiß auch schon seit vielen Jahren, dass es eine eindeutige Haltung des Landes Baden-Württemberg gibt. Der Ministerrat hat im September 2011 beschlossen, dass wir nicht mehr bezahlen werden. Die Deutsche Bahn handelt insofern auch auf eigenes Risiko. Und ich will auch noch mal betonen: Der Bau von Bahnhöfen und neuen Strecken ist eindeutig eine Aufgabe der Deutschen Bahn AG und des Bundes. Wir leisten hier einen freiwilligen Zuschuss.
    "Dieser Vertrag sieht keine Nachschusspflicht vor"
    Heuer: Herr Schwarz, nun haben sich die Grünen politisch entschieden, da keinen Pfennig mehr reinzustecken, als irgendwann einmal vereinbart worden war. Aber es ändert ja nichts daran, dass das Land und die Stadt Stuttgart Projektpartner sind.
    Ist es nicht eigentlich klar, wenn ein Projekt teurer wird, dass die Partner sich dann auch etwas mehr beteiligen müssen, als sie es ursprünglich wollten?
    Schwarz: Wir haben hier einen ganz klaren Vertrag abgeschlossen. Bei diesem Vertrag leisten wir einen freiwilligen Zuschuss. Das weiß die Deutsche Bahn AG. Dieser Vertrag sieht keine Nachschusspflicht vor. Der Vertrag sieht maximal vor, dass die Gesprächspartner miteinander Gespräche führen.
    Heuer: Das haben Sie vor?
    Schwarz: Wenn die Deutsche Bahn uns dazu auffordert, dann kommen wir dieser vertraglichen Verpflichtung, Gespräche zu führen, nach. Aber der Vertrag sieht nicht vor, dass wir da weiteres Geld beibringen müssen.
    "Die Deutsche Bahn ist an Recht und Gesetz gebunden"
    Heuer: Herr Schwarz, aber wenn Sie Gespräche führen, die führt man ja üblicherweise, um zu einem Kompromiss, zu einer Einigung oder wenigstens einer Annäherung zu kommen. Diese Mehrkosten für Stuttgart 21, die sind ja zum Beispiel entstanden durch die nötige Umsiedlung von Eidechsen. Das sind 8.600 Euro pro Tier. Das ist doch so was wie höhere Gewalt, da kann die Bahn doch nichts dafür.
    Schwarz: Die Deutsche Bahn ist an Recht und Gesetz gebunden. Die Deutsche Bahn AG weiß ganz genau, welche rechtlichen, welche naturschutzfachlichen, welche Vorgaben es im Brandschutz gibt. Dass die Bahn diese rechtlichen Vorgaben einhalten muss, ist klar. Und im Übrigen: Diese Vorgaben gehen auf das Bundesnaturschutzgesetz zurück und nicht auf Vorschriften des Landes Baden-Württemberg.
    Es ist doch ein Witz zu glauben, dass das Land, nur weil die Bahn länger braucht, weil sie da möglicherweise etwas unterschätzt hat, dass das Land seinen freiwilligen Zuschuss erhöhen müsste. Nein, das kann nicht sein.
    Heuer: Ausgerechnet die Grünen versperren sich Mehrkosten, die durch Tierschutz und Umweltschutz entstehen? Ist auch ein seltsames Signal, oder?
    Schwarz: Wir sperren uns nicht gegen Tierschutz, Umweltschutz, und wir sperren uns auch nicht gegen eine vernünftige Verkehrspolitik. Wir haben beispielsweise, was das dritte Gleis am Flughafen angeht, uns bereit erklärt, außerhalb des Finanzierungsvertrages auch eine Lösung zu finden, die zum besseren Flughafenbahnhof führt. Da sind wir immer gesprächsbereit. Aber die Deutsche Bahn AG weiß seit über fünf Jahren, dass wir für das Projekt Stuttgart 21 nicht mehr bezahlen werden als im Finanzierungsvertrag hinterlegt.
    "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ein Gericht anders entscheidet"
    Heuer: Herr Schwarz, das ist die Überzeugung der Grünen, natürlich deshalb auch Ihre Überzeugung. Aber was machen Sie denn, wenn die Gerichte irgendwann anders entscheiden?
    Schwarz: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gerichte anders entscheiden, denn wenn sie in unsere Verfassung gucken, dann ist der Bau von Schienenwegen eindeutig eine Aufgabe des Bundes und der Deutschen Bahn AG. Die Länder haben die Aufgaben, Leistungen im Schienen-Personennahverkehr zu bestellen, also Betriebsleistungen, dass da Züge fahren. Aber für den Bau von Strecken und von Bahnhöfen ist in erster Linie die Deutsche Bahn AG und der Bund zuständig. Wir leisten da einen freiwilligen Beitrag, so sieht das unsere Verfassung vor. Deswegen bin ich da auch total entspannt.
    Heuer: Vor Gericht und auf hoher See - Sie kennen den Spruch, ich muss den gar nicht zu Ende führen. Noch mal die Frage, Herr Schwarz: Sollten die Gerichte anders entscheiden, dann heißt das, der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten?
    Schwarz: Sollte ein Gericht uns dazu verurteilen, dann werden wir uns dieses Urteil sehr genau anschauen. Und selbstverständlich: Wir leben in einem Rechtsstaat. Dann akzeptieren wir das.
    Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es so weit kommt. Das ist ein freiwilliger Zuschuss. Die verfassungsrechtliche Situation in Deutschland zwischen Bund und Ländern, was die Aufgaben im Schienenverkehr angeht, ist eindeutig. Da habe ich gar keine Sorgen, da bin ich total entspannt.
    Heuer: Andreas Schwarz, Vorsitzender der Grünen im Landtag in Baden-Württemberg. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Schwarz: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.