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Meinungsfreiheit
Türkei sperrt Internetseiten mit dem Titel Charlie Hebdos

Ein Gericht in der Türkei hat die Sperrung von Internetseiten angeordnet, die das Titelbild der neuen Ausgabe der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo" zeigen. Zuvor hatte eine regierungskritische Zeitung mit dem Nachdruck des Titelbildes einen Polizeieinsatz ausgelöst.

    Die erste Ausgabe von "Charlie Hebdo" nach dem Anschlag zeigt eine Karikatur Mohammeds auf dem Titel
    Die erste Ausgabe von "Charlie Hebdo" nach dem Anschlag zeigt eine Karikatur Mohammeds auf dem Titel (imago stock&people)
    Dies berichtete am Mittwoch die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. "Es wurde entschieden, den Zugang zu relevanten Sektionen von Internetseiten, die heute die Titelseite von 'Charlie Hebdo' zeigen, zu blockieren", erklärte das Gericht. Auf der Titelseite der am Mittwoch veröffentlichten ersten Ausgabe von "Charlie Hebdo" seit dem tödlichen Angriff auf die Zeitung vor einer Woche ist ein weinender Prophet Mohammed zu sehen, der ein Schild mit der Aufschrift "Je suis Charlie" hält.
    Zeitung "Cumhuriyet" gelingt Nachdruck mit einer Finte
    Zuvor hatte "Cumhuriyet" als einzige türkische Zeitung Teile der neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" veröffentlicht. Die Polizei ließ die Lastwagen mit den druckfrischen Zeitungen erst passieren, als sie sich vergewissert hatte, dass die Mohammed-Karikatur vom "Charlie Hebdo"-Titel nicht publiziert wurde. Doch die Polizisten hatten anscheinend nicht gründlich genug gesucht.
    Zwar fand sich die Karikatur nicht in der vierseitigen Beilage. Auch andere Mohammed-Karikaturen sind dort nicht abgedruckt, doch es gab eine Finte: Die Redaktion veröffentlichte den "Charlie Hebdo"-Titel in kleinerer Form in Kommentarspalten auf zwei Seiten anderswo im Blatt. Den ermordeten "Charlie Hebdo"-Machern hätte die Finte sicherlich gefallen. Die linksnationalistische "Cumhuriyet" zählt zu den Kritikern der islamisch-konservativen Regierung. Bei Twitter veröffentlichte "Cumhuriyet" den Vorgang und beklagte die Zensur.
    TGC: Cumhuriyet'e baskın sansürdür http://t.co/OJpMT6bUkZ pic.twitter.com/FfzyXvEvE0— cumhuriyet.com.tr (@cumhuriyetgzt) 14. Januar 2015
    Türkische Journalisten können in der Türkei kaum frei berichten
    Die ultrakonservative Zeitung "Yeni Akit" schäumte, der Nachdruck sei "eine große Provokation". Das Blatt veröffentlichte für seine mehrheitlich islamistische und mutmaßlich empörte Leserschaft auch gleich Namen und Fotos der beiden Kommentatoren, in deren Spalten die Karikatur erschien. Auch die entsprechenden Kommentarspalten fotografierte "Yeni Akit" ab, die Zeichnung des Propheten Mohammed verpixelte die Redaktion. Sicherheitshalber riegelte die Polizei die Umgebung des "Cumhuriyet"-Verlagsgebäudes in Istanbul ab.
    Unbequeme Journalisten in der Türkei leben unter Umständen gefährlich, wie etwa der "Spiegel"-Korrespondent Hasnain Kazim im vergangenen Jahr erfahren musste. Nach Morddrohungen und mehr als 10.000 Hassnachrichten verließ er vorübergehend das Land. Westliche Korrespondenten genießen dabei den Schutz ausländischer Regierungen. Für kritische türkische Journalisten gilt das nicht.
    Zwar stellte Präsident Recep Tayyip Erdogan die Türkei vergangene Woche als internationales Vorbild für die Pressefreiheit dar. Die Organisation "Freedom House" allerdings stuft die Medien in der Türkei als "nicht frei" ein. Im vergangenen Monat wurden zahlreiche Journalisten und angebliche Regierungskritiker festgenommen, was scharfe Kritik der EU hervorrief. Erdogan selbst bezichtigt besonders ausländische Medien immer wieder der "Lüge".
    (nch/ach)