Freitag, 19. April 2024

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Meister der Kurzgeschichte
Der Schweizer Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler

Er macht aus dem Alltäglichen etwas Besonderes und präsentiert in seinen Geschichten Absurdes, Schräges und neue Perspektiven auf die Wirklichkeit: Der Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler. "Ich möchte vom ganzen Leben erzählen, im Ernsten und im Humoristischen", erzählt der 71-Jährige im Deutschlandfunk.

Franz Hohler im Gespräch mit Ute Wegmann | 22.03.2014
    Ute Wegman: Die Schweiz ist Gastland in Leipzig. Umso mehr freut es mich, einen Schweizer Gast zu begrüßen. Er ist ein sehr berühmter Schweizer. Er ist ein hochproduktiver Schweizer. Er ist ein hochgelobter Schweizer, denn er hat eine ins Unendliche reichende Preiseliste. Er ist der Schweizer mit der wohl lustigsten Webseite. Er ist Franz Hohler. Schriftsteller und Kabarettist. Als Kabarettist aber auch als Schriftsteller ist er ein Freund der kurzen Form, das heißt, ein Meister der Kurzgeschichte.
    Franz Hohler, hat man als Bühnenmensch eine eingebaute Angst, zu lang zu sein?
    Franz Hohler: Ich habe immer gern die kurze Form gehabt, auch auf der Bühne. Etwas anzufangen und überraschend aufzuhören, ist besser als etwas anzufangen und nie damit aufzuhören.
    Wegman: Ich mag ja Ihre kürzeste Geschichte. Beginnen wir damit. Franz Hohler und seine kürzeste Geschichte:
    Hohler: "Der große Zwerg": Es war einmal ein Zwerg, der war 1, 89 groß.
    Wegman: Das ist jetzt nicht erstaunlich, dass Sie das auswendig konnten.
    Hohler: Das ist ja auch autobiografisch.
    Wegman: "Der große Zwerg" – ist auch der Titel einer Anthologie, die nun wiederum eine Auswahl aus "Das große Buch" ist. Von Nikolaus Heidelbach illustriert. Hier findet man auch längere Geschichten als die vorhin gehörte, bis zu drei Seiten. Was macht den Reiz der Kurzgeschichte aus?
    Hohler: Die Kurzgeschichte richtet ihren Scheinwerfer auf ein Motiv und dann leuchtet sie dieses Motiv aus, nach allen Seiten und dann blendet sie wieder aus. Die längere Geschichte begibt sich auf einen Spaziergang, wo man verschiedene Aussichten hat, verschiedene Einblicke. Und der Roman schließlich, das ist eine lange Wanderung, da geht man durch einen großen Park, kommt zu einem Berg, zu einem Fluss ... das ist eine etwas weitere Wanderung.
    "Verspielte Mischung aus Bildung und Fantasie"
    Wegman: Für die, die Sie nicht kennen: Sie sind in der Schweiz geboren, haben in Zürich Germanistik und Romanistik studiert, gingen dort 1965 mit Ihrem ersten literarisch-musikalischen Soloprogramm auf die Bühne. "Pizzicato" – was haben Sie dargeboten damals?
    Hohler: Rückblickend war das ein Versuch von mir, mit der Welt der Bildung irgendwie zurande zu kommen, in der ich mich bis dahin bewegt hatte. Ich hatte eine Matura gemacht, danach zu studieren begonnen und hatte mich nur mit dem Aufnehmen von Wissen beschäftigt. In dem Programm hab ich das Wissen wieder abgeladen und hab es verfremdet und karikiert. Eine Nummer hieß zum Beispiel: "Klassiker kaufen ein". Da ging Lady Macbeth in den Supermarkt und kaufte Seife für ihre blutigen Hände. Es war schon damals auch ein Blick auf Außenseiterfiguren. Aber das Programm war eine verspielte Mischung aus Bildung und Fantasie.
    Wegman: Es folgten etwa 14 Soloprogramme, aber vor sechs Jahren haben Sie aufgehört. Fehlt Ihnen die Kabarettbühne oder konnten Sie sie durch die literarische Bühne ersetzen?
    Hohler: Ja, so ist es. Sie fehlt mir überhaupt nicht. Wenn ich jetzt hier mit Ihnen spreche und hier sitzen nette Leute, ist das ja auch ein Publikum, wie man es sonst im Theater hat. Der Kontakt mit dem Publikum ist für mich durch die Lesungen nicht abgerissen.
    Wegman: Sie haben Texte fürs Theater, fürs Radio und fürs Fernsehen verfasst. Sie schreiben neben den kurzen Geschichten Gedichte und Romane. Zwanzig Bücher sind erschienen. Zuletzt der Roman "Gleis 4" und Erzählungen aus vier Jahrzehnten "Der Geisterfahrer". Immer schon liefen bei Ihnen alle diese literarischen Stränge parallel. Sie haben auch immer schon für Kinder geschrieben. Es gibt zehn noch lieferbare Kinderbücher.
    Während nun in den Kurzgeschichten für Erwachsene pseudokauzige Männer auftauchen, Kinder, die ihre Eltern tyrannisieren oder verheiratete Männer, die sich Schauspielerinnen küssend unter Umständen in Lebensgefahr begeben, sind es in den Kindergeschichten Prinzen, Tiere, Spaghettifrauen auf Nudelpackungen, die Kinder in andere Welten locken oder Männer in Sirupflaschen oder auch mal Schrauben und Granitblöcke.
    Neben dem hier nur beispielhaft vorgestellten Personal – was macht für Sie den Unterschied, ob Sie für Kinder oder für Erwachsene schreiben?
    Franz Hohler macht aus dem Alltäglichen etwas Besonderes
    Hohler: Der Unterschied ist gar nicht so groß. In der Geschichtensammlung "Das große Buch", das sind etwa 90 Geschichten für Kinder und davon sind mindestens 30 ursprünglich nicht für Kinder, sondern einfach nur geschrieben. Zuerst den Erwachsenen vorgetragen und dann hab ich gemerkt, dass das auch für Kinder gut geht. Das Einzige, wo ich etwas stärker drauf achte, wenn ich für Kinder schreibe, ist, dass ich sie mit dem Vokabular nicht überfordere. Aber ich möchte mich auch nicht anbiedern mit der Sprache. Ich muss dann eine Sprache finden, mit der ich dann auch zufrieden bin.
    Wegman: Betrachtet man all die Hohler-Geschichten – so gelingt es Ihnen aus dem Alltäglichen, dem scheinbar Langweiligen (Granitblock) etwas Besonderes zu machen – sie schicken ihn ins Kino. Roger Willemsen sagt über Sie: "Er folgt der Überzeugung, dass sich das Phantastische im Wirklichen selbst entwickelt". Dazu muss man dieses Wirkliche aber gut kennen, denn nichts Irrationales setzt sich gegen das Rationale durch. Es beginnt vielmehr, wo dieses endet. Manchmal verbinden Sie auch Alltägliches mit mythologischen Figuren oder personifizieren Gegenstände und lassen Sie Abenteuer erleben.
    Nun habe ich vorhin von den Preisen gesprochen, der endlos langen Liste - einen möchte ich erwähnen, den Sie dieses Jahr bekommen haben. Der Alice Salomon Poetik Preis wird in Berlin vergeben, letztes Jahr bekam ihn der Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel. Vergeben wird er für besondere Formensprache und literarische Weiterentwicklung. In der Jurybegründung heißt es: Sie besäßen eine "Einbildungskraft, die Schönheit in unser Leben schmuggelt".
    Aber, Franz Hohler, Hand aufs Herz, Sie schmuggeln nicht nur Schönheit. Nicht immer ist alles nett und weich gespült, sondern es geht auch durchaus zur Sache.
    "Ein großer Schmuggelverkehr zwischen Schönem und Hässlichen in den Geschichten"
    Hohler: Es kann auch umgekehrt sein. Ich kann auch das Schlimme in das Schöne schmuggeln. Es ist ein großer Schmuggelverkehr zwischen Schönem und Hässlichem in den Geschichten. Sie lassen sich gar nicht aufschlüsseln: Oh, das ist eine schöne Geschichte. Oh, das ist eine schlimme Geschichte. Sondern jede schlimme Geschichte enthält ein Stück Schönheit, und jede schöne enthält auch einen Schatten.
    Wegman: Wollen Sie uns eine Geschichte vortragen, die doch eher etwas schattig ist. Ein Beispiel wären doch die "Die Riesen im Parkhaus".
    Hohler: Eine schattige Geschichte aus dem "Großen Buch":
    "Die Riesen im Parkhaus"
    Drei Riesen gingen einmal in ein Parkhaus.
    "Ich gehe ins Parterre", sagte der erste.
    "Ich in den ersten Stock", sagte der zweite.
    "Ich in den zweiten", sagte der dritte.
    Dann nahm jeder eine schwere Eisenstange, ging in seinen Stock und zertrümmerte alle Autos, die dort abgestellt waren.
    Nachher trafen sie sich am Ausgang, gingen zusammen fort und kamen nie wieder.
    Wegman: Ist das ein radikales Wunschdenken im Sinne der Natur?
    Hohler: Ich kann Ihnen sagen, wie die Geschichte entstanden ist. Meine Frau hatte einmal einen Albtraum, den sie mir am Morgen erzählte. Sie träumte, sie war in einem Parkhaus und Riesen hätten dort alles zertrümmert. Und sie ist Schweiß gebadet erwacht. Da habe ich gesagt: Ich schreib dir jetzt was, damit diese Riesen nie mehr kommen und dann hab ich diese Geschichte geschrieben. Und seither hat sie nie mehr von Riesen in Parkhäusern geträumt.
    Wegman: Franz Hohler und die Natur ist dennoch ein Thema. Sie haben ein Buch herausgebracht "52 Wanderungen" – jede Woche haben Sie eine Wanderung unternommen und dazu kleine Textskizzen verfasst. Das neueste Buch zeigt Sie auf einem Berggipfel, winkend, und heißt "immer höher" – (frei nach Jandl). Immer höher und dann wieder hinab? Ist das ein gesellschaftliches Bild oder ein Naturbuch?
    Bergbesteigung als mythologischer Akt
    Hohler: Es ist ein Urbild. Die Besteigung eines Gipfels ist für mich etwas rational nicht Erklärbares. Kein Mensch wird gezwungen, auf einen Berg zu gehen, außer vielleicht irgendwelche Grenzwächter, die dort Menschen bewachen sollten, die nicht gezwungen werden auf einen Berg zu gehen. Oder Schmuggler, die Schönes in Hässliches schmuggeln und Hässliches ins Land des Schönen. Ich kann nicht erklären, wieso ich gern auf Berge gehe. Aber das Besteigen eines Berges, bis es nicht mehr höher geht und das Hinuntersteigen, ich will mal ganz pathetisch sagen, ist ein mythologischer Akt.
    In allen Mythen der Urvölker kommen immer wieder Berge vor, und zwar als Orte der Erkenntnis, als Orte der Begegnung, auch mit anderen Mächten. Auch bei Petrarca, der war der erste Abendländer, der einen Berg bestieg, um des Besteigens willen und um des geistigen Erlebnisses willen, das damit verbunden wäre. – Bei "immer höher" hab ich meine gesammelten Bergtexte zusammengefügt: Es beginnt mit dem niedrigsten Berg, dem Monte Rossola in Ligurien, und endet mit dem höchsten Berg, jede Besteigung ist etwas höher als die vorherige, mit dem Popocatepetl in Mexiko, 5400 Meter.
    Wegman: Die Natur, die Welt, ihr Anfang und ihr Erhalt führen zu einem anderen Buch, das Sie mit dem Schweizer Kollegen Jürg Schubiger geschrieben haben. Dieses kleinformatige Werk wurde illustriert von Jutta Bauer. "Aller Anfang" – 34 Hin- und Hergeschichten von der Schöpfung. Beide Schriftsteller gehen der Frage nach, wie die Welt entstanden sein könnte. Jeder mit seinen eigenen Ideen. War da ein Zauberer, der alles erfindet, gab's einen Urknall oder so beginnt Ihre Geschichte "Die Schöpfung": "Am Anfang war nichts außer Gott ..."
    Lesung: Die Schöpfung
    Wegman: Franz Hohler ist heute Gast im Büchermarkt. Samstags immer mit Büchern für junge Leser. Die Schweiz ist sehr präsent in Ihren Geschichten. "Wie die Berge in die Schweiz kamen" (ein lustiger Tausch mit Holländern gegen Tulpen) oder eine Geschichte über eine Lawinenschule (eine Schule für Lawinen). Und Sie verfassen auch das ein oder andere in Schwitzerdütsch. Zuletzt das fantastische Bilderbuch von Julia Donaldson und Axel Scheffler "Der Grüffelo". Es wäre toll, Sie würden uns etwas daraus lesen, damit wir endlich mal die Schweiz in die Sendung holen.
    Hohler: Ich weiß nicht, ob Sie den "Grüffelo" kennen. Es gibt ihn ja auch in einer deutschen Übersetzung. Aber der Beltz-Verlag fand, das Buch habe zu wenig Absatz in der Schweiz, und er erhofft sich mehr Absatz und dass das dann hinüberschwappt nach Deutschland. Also nach Süddeutschland.
    Lesung: Der Grüffelo
    Wegman: Franz Hohler ist heute Gast im Büchermarkt. Alle Titel können Sie im Internet nachlesen unter www.deutschlandradio. de. Ist das Schwitzerdütsch Ihre Sprache, Ihre Identifikation?
    Hohler: Ja, es ist meine Muttersprache. Das ist das, was man zuerst lernt, wenn beide Eltern Schweizerdeutsch sprechen. Das Hochdeutsche wird dann zur zweiten Muttersprache. Das Schweizerdeutsche verfügt über viele Nuancen, die für uns im Hochdeutschen etwas schwieriger auszudrücken sind.
    Wegman: Was schätzen Sie an der Schweiz, an Ihrem Mutterland am meisten?
    Hohler: Die Vielfalt. Dass so viele Menschen auf einem ziemlich kleinen Raum zusammenleben, mit verschiedenen Sprachen und dass das seltsamerweise funktioniert. Um so stärker bin ich erschrocken über die Abstimmung, die ja eine Abstimmung gegen die Vielfalt war. Zu der einheimischen Vielfalt sind ja nach und nach ausländische Vielfalten gekommen, andere Sprachen, andere Religionen, andere Farben. Und das war für mich die Bestätigung, dass das Modell Schweiz auch in einem größeren Rahmen funktioniert.
    Wegman: Franz Hohler, Sie haben ein Lied geschrieben, ich weiß nicht, ob es von der Schweiz erzählt, es erzählt auf jeden Fall vom Käse.
    Hohler: "s'Lied vom Chäs". Etwas Schweizerdeutsches. Das Lied vom Käse. Wir lassen mal dahingestellt, von welchem Land es erzählt. Es erzählt von einem Land, in dem einfach alles aus Käse ist.
    "S' Lied vom Chäs"
    Wär kennt das Land
    wo alles us Chäs isch
    alles zämen us Chäs?
    D Hüser si us Chäs
    d Strosse si us Chäs
    d Böim si us Chäs
    und d Blueme si us Chäs
    d Tram si us Chäs
    d Auto si us Chäs
    d Chilche si us Chäs
    und d Glogge si us Chäs
    alles isch us Chäs, us Chäs, us Chäs!
    Es steigert sich dann noch:
    Und s schlimmsten isch das
    au d Lüt si us Chäs
    und gäbe sech Küss us Chäs
    hei es Härz us Chäs
    und e Zungen us Chäs
    hei e Sproch us Chäs
    und Gedanken us Chäs
    hei Gebätt us Chäs
    zumene Gott us Chäs
    hei Tröim us Chäs
    wo si tröime, wie s wär
    imene Land ohni Chäs
    aber au die Tröim
    si us Chäs
    Wegman: Franz Hohler sang über ein Land aus Käse und wir hoffen, dass er nicht die Schweiz meint.
    Hohler: Es gibt ja auch Käse in Limburg.
    Wegman: Ja, in Holland auch. Absurdes, Schräges, neue Perspektiven auf Wirklichkeit - das präsentieren Sie uns in Ihren Geschichten. Häufig geschieht das durch die Personifizierung von Gegenständen, aber auch zum Beispiel, weil Sie mit altbekannten Märchenmustern brechen. Da hat ein Prinz keine Lust, eine Prinzessin zu befreien oder ein König fällt pupsend aus der Rolle. Das Märchenpersonal hat es Ihnen jedenfalls angetan. Gibt es ein Lieblingsmärchen?
    Der Schriftsteller bricht mit altbekannten Märchenmustern
    Hohler: Mir hat immer der Froschkönig gut gefallen. Aber in der Urfassung, wo die Prinzessin den Frosch nicht küsst, sondern ihn vor Empörung an die Wand wirft. Und in dem Moment, wo sie das sagt, was sie denkt und empfindet, wo sie sich nicht einer Norm unterzieht, in dem Moment erlöst sie den Prinzen.
    Wegman: Einige Geschichten beginnen mit dem klassischen Märchenanfang "Es war einmal ..."
    Vor allem aber gibt es einen Gedichtband, in dem jedes der 40 Gedichte so beginnt. Der Titel "Es war einmal ein Igel". Es folgen: Es war einmal ein Wal, ein Bär, ein Pferd, ein See, ein Hut und so weiter.
    Zwei Gedichte hören wir von Ihnen.
    Hohler:
    "Es war einmal ein Igel"
    Es war einmal ein Dachs.
    Der aß am liebsten Lachs.
    Doch das gab es fast nie.
    Da sprach er: "Irgendwie
    Ist’s ohne Lachs fast schöner."
    Jetzt aß er nur noch Döner.
    Es war einmal ein Fuchs.
    Der machte keinen Mucks.
    Er lag so still im Gras
    Dass sich ein dummer Has
    Zum Ausruhn auf ihn setzte.
    Das war dann auch das Letzte.
    Wegman: Franz Hohler las zwei Gedichte aus dem Band: "Es war einmal ein Igel." In diesen Gedichten erleben wir Rotwein trinkende Schweine und ganz kurze Fürze. Gibt es für Sie Tabus im Kinderbuch?
    Hohler: Nein, im Prinzip nicht. Es kommt drauf an, wie es dargestellt wird. Aber ich möchte vom ganzen Leben erzählen, im Ernsten und im Humoristischen.
    Wegman: Bedeutet Schreiben auch, den Kindern Mut zu machen, zu Ihrer Fantasie zu
    stehen?
    Hohler: Ich freu mich, wenn ich ihre Fantasie oder ihre Kreativität unterstützen kann. Ich bekomme auf meine Kindergeschichten immer wieder Geschichten, die Kinder geschrieben haben. Ganze Schulklassen schicken mir was. Auch auf die Gedichte. Und die Kinder sagen: Das können wir auch.
    Und ich beneide die fast. Ein 8-Jähriger hat mir mal einen Vers geschickt:

    Es war einmal ein Rabe, der hatte eine Gabe.
    Er konnte rückwärts fliegen und das sogar im Liegen.
    Das sind für mich Traumerlebnisse, wenn man sieht, dass man bei seinen Leserinnen und Lesern etwas in Gang bringt. Und zwar nicht Bewunderung oder Ehrfurcht, sondern eigene Kreativität. Und das sie sagen: "Komm, das können wir auch. Jetzt machen wir eine blödsinnige Geschichte und dann schicken wir sie ihm." Und ich muss sie dann lesen und antworten.
    Schreiben als Medizin
    Wegman: Auf Ihrer Webseite hab ich ein Gedicht gefunden, das heißt "Alt?". Ein Gedicht mit vielen kurzen Strophen, eine Art Selbstbeobachtung, in gebührender Distanz gehalten durch die Form. Und da heißt es in der Mitte: "Was haben die Medikamente auf deinem Frühstückstisch verloren? Warum feiern so wenig Freunde den 40. und immer mehr den 60., 70., 80.?" Sie, Franz Hohler haben letztes Jahr den 70. Geburtstag gefeiert. Ist Schreiben eine Medizin, die bei solchen Fragen hilft?
    Hohler: Auf alle Fälle. Es ist meine Arbeit und zugleich meine Leidenschaft. Dann fühl ich mich lebendig. Ich will nicht sagen, dass ich mich jung fühle. Ich bin nicht jünger als diese 70 Jahre oder mittlerweile 71, aber ich fühle mich lebendig und das ist die Hauptsache.
    Wegman: Herzlichen Dank, Franz Hohler. Wir wünschen uns noch viele wunderbare Geschichten von Ihnen. Mein Gast war der Schweizer Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler. Die Liste der Titel finden Sie im Internet unter www. deutschlandradio.de. Man kann auf der Webseite die Sendung auch noch einmal anhören oder nachlesen. Und man findet viel Amüsantes und Informatives auch auf Franz Hohlers Webseite: www.franzhohler.ch.
    Franz Hohler, vielen Dank für das Gespräch und die Lesungen. Danke für Ihr Interesse. Ein schönes Wochenende wünscht Ute Wegmann.
    Hohler: Danke für die Einladung!
    Texte von Franz Hohler:
    • "Tschipo". dtv/Reihe Hanser, 172 Seiten.
    • "Tschipo und die Pinguine". dtv, Reihe Hanser, 236 Seiten.
    • "Der große Zwerg und andere Geschichten". Illustrationen von Nikolaus Heidelbach, dtv/Reihe Hanser, 116 Seiten.
    • "Das große Buch - Geschichten für Kinder". Illustrationen von Nikolaus Heidelbach, Hanser Verlag, 321 Seiten.
    • "Aller Anfang". Von Jürg Schubiger und Franz Hohler, Illustrationen von Jutta Bauer, Beltz & Gelberg, 123 Seiten.
    • "Der Grüffelo". In Schwitzerdütsch von Franz Hohler. Geschrieben von Julia Donaldson und Axel Scheffler, Beltz & Gelberg, 32 Seiten.
    • "Der Tanz im versunkenen Dorf". Illustrationen von Reinhard Michl, Hanser, 32 Seiten.
    • "Es war einmal ein Igel. Kinderverse". Illustrationen von Kathrin Schärer, Hanser, 59 Seiten.
    • "Immer höher". AS Verlag, 192 Seiten.
    • "Der Geisterfahrer". Luchterhand Verlag, 576 Seiten.
    • "Gleis 4". Luchterhand Verlag, 224 Seiten.