
Bundeskanzlerin Merkel erklärte auf einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses, in der Ukraine-Krise habe Diplomatie Vorrang. Sollte es jedoch keine Fortschritte geben, "werden auch weitere Sanktionen unvermeidbar sein", sagte Merkel. "Wir sind in Vorbereitung, solche Schritte auch zu gehen." Wann Wirtschaftssanktionen an der Zeit seien, lasse sich derzeit aber nicht vorhersagen.
Merkel: Russland missachtet Genfer Abkommen
Merkel warf Moskau vor, die Genfer Vereinbarung nicht einzuhalten. Die Übergangsregierung in Kiew habe dagegen erste Schritte zur Umsetzung des Abkommens vollzogen. "Ich hoffe, dass Russland seiner Verantwortung in Zukunft besser gerecht wird", sagte Merkel.
Auch US-Präsident Barack Obama erklärte, falls Russland die Lage weiter außer Kontrolle bringe, werde es rasch zusätzliche Schritte geben. Obama lobte Merkel als einen "unverzichtbaren Partner" in der EU und der G7-Gruppe und bedankte sich für ihre Unterstützung in der Ukraine-Krise. Zugleich kritisierte er die "ungeheuerliche Behandlung" der festgehaltenen internationalen Militärbeobachter in der Ost-Ukraine.
Obama: Militäroffensive Schritt zur "Wiederherstellung der Ordnung"
Die Militäroffensive der ukrainischen Übergangsregierung gegen pro-russische Kämpfer nannte der US-Präsident einen Schritt zur "Wiederherstellung der Ordnung". Die eskalierende Gewalt habe der Welt vor Augen geführt, dass die pro-russischen Kräfte in der Region keine friedlichen Demonstranten seien.
Zu den geplanten Wahlen in der Ukraine sagte Merkel, sie sollten mit Hilfe der OSZE so vorbereitet werden, dass sie echte Fortschritte bringen. Merkel verlangte, dass Russland die Abstimmung am 25. Mai nicht torpedieren dürfe und zur Entspannung im Nachbarland beitragen müsse. "Wir werden alles daransetzen, dass diese Wahlen stattfinden können".
Im Oval Office: Merkel, Obama pic.twitter.com/cqghdMkWWh— Stephan Detjen (@stephandetjen) May 2, 2014
Merkel betont Bedeutung des Freihandelsabkommens
Merkel ergänzte, als Folge des Konflikts in der Ukraine werde in Europa derzeit diskutiert, wie die Abhängigkeit von russischem Gas verringert werden könne. In diesem Zusammenhang bekomme das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wieder eine besondere Bedeutung.
Die Bundeskanzlerin drängte auf eine zügige Unterzeichnung – trotz Meinungsverschiedenheiten in gewissen Punkten. Laut Merkel könnte davon der Energiesektor profitieren, wie ähnliche Abkommen in anderen, konkurrierenden Regionen der Welt bereits gezeigt hätten.
Kanzlerin sieht Meinungsverschiedenheiten wegen NSA-Spionage
Im Hinblick auf die Ausspäh-Affäre sieht die Bundeskanzlerin nach wie vor Meinungsunterschiede zwischen Deutschland und den USA. Es gebe in diesem Punkt noch einige Schwierigkeiten zu lösen, so Merkel. Ziel sei, unterschiedliche Sichtweisen - etwa in der Frage der Verhältnismäßigkeit - zu überwinden. Deutschland, die EU und die USA müssten über die Balance zwischen dem Schutz der Bürger vor Gefahren und der Wahrung privater Freiheiten tief diskutieren.
Obama kündigte an, Ausländer verstärkt vor massenhaften Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA schützen zu wollen. "Gewöhnliche Deutsche sind nicht Ziel der laufenden Überwachung", sagte er. Es schmerze ihn, dass die NSA-Aktivitäten das Verhältnis belastet hätten, da Merkel zu seinen "engsten Freunden" auf der Weltbühne gehöre. Als Ergänzung zu den bereits angekündigten Reformen gehe es den USA um Transparenz und einen "Cyber Dialog" mit Deutschland. Man sei aber noch nicht ganz auf einer Linie.
Obama bestreitet, No-Spy-Abkommen angeboten zu haben
Die Darstellung der Bundesregierung, er habe ihr im vergangenen Jahr ein "No-Spy-Abkommen" angeboten, wies er zurück. Das sei "nicht wirklich zutreffend", sagte der US-Präsident. Die USA hätten mit "keinem unserer engsten Partner" einen vollständigen Spionageverzicht vereinbart. Stattdessen würden "eine Reihe von Partnerschaften" die Aktivitäten der befreundeten Geheimdienste regeln. Deutschland werde dabei nicht anders behandelt als andere Verbündete.
Die Kanzlerin war am Donnerstagabend zu ihrem rund 24-stündigen Besuch in der US-Hauptstadt eingetroffen. Sie kam am Abend zunächst mit einer Reihe von US-Senatoren zusammen, auch dabei ging es nach Angaben von Teilnehmern vor allem um die Krise in der Ukraine.
(tj/nin)