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Merkel-Besuch in Ungarn
Eine Ohrfeige für Orbán

Die offene Kritik Angela Merkels an der Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán kam in Ungarn bei Vielen gut an - wenn sie denn ankam. Denn kritische Aussagen der Kanzlerin zeigte das Staatsfernsehen nicht. Auch regierungskritische Medien bekommen den autokratischen Kurs des Ministerpräsidenten deutlich zu spüren.

Von Stephan Ozsváth | 09.02.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. (AFP / Attila Kisbenedek)
    Ungewohnt offen hatte Angela Merkel bei ihrem Besuch in Budapest den ungarischen Premier Viktor Orbán kritisiert, auf die Rolle von Opposition, Medien und Zivilgesellschaft hingewiesen. Im Staatsfernsehen MTV wurde allerdings dieser Satz Merkels in den Nachrichten unterschlagen.

    "Mit dem Wort illiberal kann ich im Zusammenhang mit Demokratie - ehrlich gesagt - nichts anfangen."
    Eine Fundamentalkritik an Viktor Orbáns Konzept der "illiberalen Demokratie" à la Putin oder Erdogan. Hören konnte den Satz nur, wer sich die ganzen – mehr als 20 Minuten Pressekonferenz - anhörte. Viktor Orbáns Beharren auf der "illiberalen Demokratie" wurde dafür umso breiter in den regierungsfreundlichen Medien gestreut. Kein Wunder, meint László Majtényi vom Eötvös Károly Institut.

    "Die öffentlich-rechtlichen Medien können wir schon nicht mehr so nennen. Das ist ein Propaganda-Werkzeug der Regierung", sagt der Jurist.
    In den öffentlich-rechtlichen Medien hatte es in den letzten Jahren Säuberungswellen gegeben. 1.000 Redakteure hatten gehen müssen. Die Nachrichten wurden zentralisiert.
    Regierungskritische Medien - insbesondere im Internet - hoben aktuell die Ohrfeigen hervor, die Merkel austeilte: Ihre Kritik am autokratischen Kurs Orbáns. Und auch das Mäkeln deutscher Manager an mangelnder Rechtssicherheit und unberechenbarer Wirtschaftspolitik. Der ungarische Premier wurde in regierungskritischen Medien als Schuljunge dargestellt, Merkel als übergroße Mutter.

    "Wie sie über uns schreiben, erleichtert nicht gerade unsere Arbeit", beklagt der Regierungspolitiker László Simon. Orbáns Pressestab konterte die Negativ-Schlagzeilen im Zusammenhang mit dem Merkel-Besuch mit Jubelpropaganda: Von gigantischen Investitionen deutscher Autobauer in Ungarn war die Rede. Nur - das war eine Ente, stellte sich auf Nachfrage heraus.
    Seit die ungarische Regierung im vergangenen Jahr eine Werbesteuer eingeführt hat, die RTL Klub mit bis zu 50 Prozent Steuern belastet, führt der Privatsender Krieg. Mit einer Klage vor dem EU-Gerichtshof - und publizistisch: Mit Berichten über Korruption und Vetternwirtschaft rund um die Regierung.
    Die Regierung sitzt meist am längeren Hebel
    Auf Pressekonferenzen werden auch schon mal RTL-Mikrofone beiseite gestellt. Jetzt scheint ein Burgfrieden in Sicht: Werbesteuer von fünf Prozent, dafür Rückzug der Klage. Das ist laut Rudas der Deal - ein Erfolg der Kanzlerin?
    Dass die Regierung kritische Medien wirtschaftlich ausbluten will - diese Erfahrung musste auch Klubradio machen. Zweieinhalb Jahre lang lieferte sich der Privatsender einen Juristenkrieg mit der Medienbehörde um die Lizenzen.
    "Die Medienbehörde hat uns damit vom Werbemarkt ausgeschlossen und in eine katastrophale wirtschaftliche Lage gebracht", meint Geschäftsführer András Arató.
    Positive Nachrichten aus den Medien gibt es nur von Online-Medien. Jetzt startet ein neues Investigativ-Projekt: Direkt 36.
    Die Macher der Plattform kommen von Origo.hu - einem Newsportal, das der Telekom gehört. Nach Druck von seiten der Regierung wegen zu kritischer Berichte musste der Chefredakteur damals gehen. Andere folgten freiwillig. Einer ist András Pethö. Sie bilden den Kern von Direkt 36 – einer Art Investigativ-Agentur.
    "Bei den klassischen Investigativ-Themen gibt es reichlich aufzudecken. Was passiert mit Steuergeldern? Wohin gehen EU-Gelder? Warum werden wichtige politische Entscheidungen getroffen? Kurzum: Klassische Investigativ-Themen."
    Die Basis-Finanzierung kommt von einer Stiftung - und über Crowdfunding, also Abonnenten und Unterstützer. Und Direkt 36 kooperiert mit anderen Medien, veröffentlicht auch dort ihre Geschichten.