Durak: Friedrich Merz macht also Ernst. Der frühere Bundestagsfraktionsvorsitzende der Union hat seine Unzufriedenheit mit der Großen Koalition, insbesondere mit wichtigen politischen Entscheidungen, nie verborgen. Nun aber will er gehen, noch bis zum Ende mitregieren und dann nur noch der Hauptberuf, erst mal jedenfalls. Mit der eigenen Landespartei, der CDU in Nordrhein-Westfalen, kommt er auch nicht mehr klar. Ein Mann, ein Wort: Merz geht.
Der Wirtschaftspolitiker Merz werde der Union fehlen, meint der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union Josef Schlarmann, der Verständnis für den Schritt von Friedrich Merz gezeigt hat. Schlarmann gestern hier im Deutschlandfunk zu Folgen für die Union in der Großen Koalition:
O-Ton Schlarmann: "Es ist eine Schwächung des Wirtschaftsflügels innerhalb der Partei. Die Fraktion verliert ihren ordnungspolitischen Vordenker und vor allem ihren wirtschaftspolitischen Sprecher, wobei das eigentlich für mich das schwierigste Signal ist. Es klingt eine gewisse Resignation durch und wenn er jetzt sagt, er will in der nächsten Wahlperiode nicht mitmachen, dann deutet er zumindest an, dass auch in der nächsten Wahlperiode mit einer Fortsetzung der Großen Koalition gerechnet werden kann, und davor behüte uns Gott."
Durak: Josef Schlarmann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union. - Am Telefon ist nun Professor Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität in Bonn. Schönen guten Tag Herr Langguth!
C: Hallo Frau Durak!
Durak: Da fürchtet sich der Herr Schlarmann vor der Vorstellung, die Große Koalition in Berlin würde fortgesetzt. Was meinen Sie? Worauf wartet Friedrich Merz?
Prof. Langguth: Worauf er wartet kann man ja nur erahnen, aber er muss doch ein erhebliches Frustpotenzial mit sich getragen haben und jeder der ihn kennt weiß das auch und wusste das auch. Natürlich ist noch nicht einmal auszuschließen, dass eine Große Koalition wieder bei den nächsten Wahlen kommen könnte, um das genau aufzugreifen, wenn wieder eine so schwierige Konstellation stattfindet, wie wir sie bei den letzten Bundestagswahlen hatten. Ich glaube nur, dass in der Tat der Rückzug von Merz eine schwierige Signalwirkung für die gesamte Union darstellt, denn die Union braucht ja, wenn sie eine Volkspartei sein will, auch starke Flügelpersonen. Sie braucht auch starke politische Autoritäten in den eigenen Reihen. Wenn ich mal in die Geschichte der Union zurückblicke: Da gab es immer meinetwegen mit Alfred Dregger jemand, der eher zu den Nationalkonservativen gehörte, oder Hans Katzer, der eher die soziale Dimension vertreten hat, oder Kai-Uwe von Hassel, der ein richtig guter Konservativer war. Diese Persönlichkeiten, die ja eine solche Volkspartei ausmachen, gibt es natürlich immer weniger in der Gegenwart in der Union. Und dass Friedrich Merz jetzt sozusagen Leine ziehen will, das finde ich ist schlecht für die Union und für das Image der Union.
Durak: Wer trägt Schuld? Ist es die CDU-Vorsitzende, die starke Flügelpositionen nicht zulässt?
Prof. Langguth: Es ist so, dass natürlich Merz schwer integrierbar ist. Er ist ein sehr selbstbewusster Politiker. Er ist eine Ausnahmeerscheinung. Er ist in der Tat rhetorisch geschliffen. Er ist von blitzgescheitem Verstand. Schon allein aus diesem Grunde darf man eigentlich nicht auf ihn verzichten. Er ist einerseits aber schwer integrierbar, andererseits will er glaube ich schon auch integriert worden sein, wenn er es denn gefragt worden wäre. Ich glaube das ist ein mangelndes Integrationsverständnis, das hier bei der Bundesvorsitzenden der CDU, bei der Bundeskanzlerin vorliegt, denn sie hätte es gar nicht so weit kommen lassen dürfen, dass Merz jetzt irgendwie enttäuscht sagt nein, ich will hier nicht mehr mitmachen.
Durak: Ist also Merz irgendwie ein Opfer von erstens Angela Merkel, zweitens der Großen Koalition, oder hat es doch etwas auch von einem Egotrip eines Enttäuschten, der eben mit dieser Frau auf keinen Fall kann?
Prof. Langguth: Er ist, wie ich ja eben schon sagte, sehr selbstbewusst. Mit Merkel zusammenzuarbeiten muss für ihn eine Horrorvorstellung sein. Man darf ja auch nicht vergessen: er war immerhin Fraktionsvorsitzender, war sehr beliebt in der eigenen Fraktion als Vorsitzender und dachte ja seinerzeit, er könne dieses Amt fortsetzen, und hatte dabei unterschätzt, dass ein Fraktionsvorsitzender einer gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU eben nicht nur gewählt wird von den eigenen Mitgliedern der Fraktion, sondern zunächst einmal laut der Satzung zwischen den beiden Parteivorsitzenden von CDU und CSU ausgemacht wird. Da war eben Stoiber nicht mehr auf seiner Seite und Merkel hat ihn ausgebremst und das hat er ihr nicht vergessen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Merkel ihm wirklich ein Angebot gemacht hat, an führender Stelle eine wirklich wichtige Funktion für die Union wahrzunehmen.
Weil Sie nun gerade von Egotrip sprachen. Wenn jemand selbst überzeugt ist, dass er eigentlich die Dinge sehr viel besser machen kann, und sieht dann, dass auf seine Position kaum noch Rücksicht genommen wird, das führt natürlich zu erheblichen Frusterscheinungen. Man kann es negativ sehen mit dem Wort Egotrip, wie Sie sagten, aber man kann es auch mal anders sehen und kann sagen: dass ein Politiker in seinen besten Mannesjahren freiwillig aussteigt aus der Politik, das ist eigentlich ganz selten in der Geschichte des deutschen Parlaments. Die meisten hängen ja bis zur letzten Minute.
Durak: Aber nicht ohne Grund, Herr Professor Langguth, denn Merz kann es sich durchaus leisten zu gehen. Er hat einen Hauptberuf und hat sorgsam darauf geachtet. Wie viel Merz-Potenzial sehen Sie in der Bundestagsfraktion?
Prof. Langguth: Dass er immer mehr unabhängig wurde, das spricht ja auch nicht gegen einen Parlamentarier. Da sind wir übrigens genau in der Grundsatzdebatte drin: sollte ein Parlamentarier auch immer noch ein zweites Standbein haben oder nicht. Denn nur derjenige, der auch mal wieder in einen Beruf zurückkehren kann, ist wirklich ein Stück weit unabhängig.
Wie viel Potenzial gibt es in der Fraktion? Sicher gibt es viele, die ihm jetzt nachtrauern. Die Fraktion ist insgesamt politisch übrigens eher konservativer in vielen Dingen, als es vielleicht die Gesamtpartei ist oder auch die Wählerschaft der Union. Da wird natürlich Merz der Fraktion sehr fehlen.
Durak: Danke schön! - Professor Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität in Bonn. Der Abgang von Friedrich Merz und die Folgen für die Union. Besten Dank für das Gespräch!
Prof. Langguth: Danke auch!
Der Wirtschaftspolitiker Merz werde der Union fehlen, meint der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union Josef Schlarmann, der Verständnis für den Schritt von Friedrich Merz gezeigt hat. Schlarmann gestern hier im Deutschlandfunk zu Folgen für die Union in der Großen Koalition:
O-Ton Schlarmann: "Es ist eine Schwächung des Wirtschaftsflügels innerhalb der Partei. Die Fraktion verliert ihren ordnungspolitischen Vordenker und vor allem ihren wirtschaftspolitischen Sprecher, wobei das eigentlich für mich das schwierigste Signal ist. Es klingt eine gewisse Resignation durch und wenn er jetzt sagt, er will in der nächsten Wahlperiode nicht mitmachen, dann deutet er zumindest an, dass auch in der nächsten Wahlperiode mit einer Fortsetzung der Großen Koalition gerechnet werden kann, und davor behüte uns Gott."
Durak: Josef Schlarmann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union. - Am Telefon ist nun Professor Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität in Bonn. Schönen guten Tag Herr Langguth!
C: Hallo Frau Durak!
Durak: Da fürchtet sich der Herr Schlarmann vor der Vorstellung, die Große Koalition in Berlin würde fortgesetzt. Was meinen Sie? Worauf wartet Friedrich Merz?
Prof. Langguth: Worauf er wartet kann man ja nur erahnen, aber er muss doch ein erhebliches Frustpotenzial mit sich getragen haben und jeder der ihn kennt weiß das auch und wusste das auch. Natürlich ist noch nicht einmal auszuschließen, dass eine Große Koalition wieder bei den nächsten Wahlen kommen könnte, um das genau aufzugreifen, wenn wieder eine so schwierige Konstellation stattfindet, wie wir sie bei den letzten Bundestagswahlen hatten. Ich glaube nur, dass in der Tat der Rückzug von Merz eine schwierige Signalwirkung für die gesamte Union darstellt, denn die Union braucht ja, wenn sie eine Volkspartei sein will, auch starke Flügelpersonen. Sie braucht auch starke politische Autoritäten in den eigenen Reihen. Wenn ich mal in die Geschichte der Union zurückblicke: Da gab es immer meinetwegen mit Alfred Dregger jemand, der eher zu den Nationalkonservativen gehörte, oder Hans Katzer, der eher die soziale Dimension vertreten hat, oder Kai-Uwe von Hassel, der ein richtig guter Konservativer war. Diese Persönlichkeiten, die ja eine solche Volkspartei ausmachen, gibt es natürlich immer weniger in der Gegenwart in der Union. Und dass Friedrich Merz jetzt sozusagen Leine ziehen will, das finde ich ist schlecht für die Union und für das Image der Union.
Durak: Wer trägt Schuld? Ist es die CDU-Vorsitzende, die starke Flügelpositionen nicht zulässt?
Prof. Langguth: Es ist so, dass natürlich Merz schwer integrierbar ist. Er ist ein sehr selbstbewusster Politiker. Er ist eine Ausnahmeerscheinung. Er ist in der Tat rhetorisch geschliffen. Er ist von blitzgescheitem Verstand. Schon allein aus diesem Grunde darf man eigentlich nicht auf ihn verzichten. Er ist einerseits aber schwer integrierbar, andererseits will er glaube ich schon auch integriert worden sein, wenn er es denn gefragt worden wäre. Ich glaube das ist ein mangelndes Integrationsverständnis, das hier bei der Bundesvorsitzenden der CDU, bei der Bundeskanzlerin vorliegt, denn sie hätte es gar nicht so weit kommen lassen dürfen, dass Merz jetzt irgendwie enttäuscht sagt nein, ich will hier nicht mehr mitmachen.
Durak: Ist also Merz irgendwie ein Opfer von erstens Angela Merkel, zweitens der Großen Koalition, oder hat es doch etwas auch von einem Egotrip eines Enttäuschten, der eben mit dieser Frau auf keinen Fall kann?
Prof. Langguth: Er ist, wie ich ja eben schon sagte, sehr selbstbewusst. Mit Merkel zusammenzuarbeiten muss für ihn eine Horrorvorstellung sein. Man darf ja auch nicht vergessen: er war immerhin Fraktionsvorsitzender, war sehr beliebt in der eigenen Fraktion als Vorsitzender und dachte ja seinerzeit, er könne dieses Amt fortsetzen, und hatte dabei unterschätzt, dass ein Fraktionsvorsitzender einer gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU eben nicht nur gewählt wird von den eigenen Mitgliedern der Fraktion, sondern zunächst einmal laut der Satzung zwischen den beiden Parteivorsitzenden von CDU und CSU ausgemacht wird. Da war eben Stoiber nicht mehr auf seiner Seite und Merkel hat ihn ausgebremst und das hat er ihr nicht vergessen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Merkel ihm wirklich ein Angebot gemacht hat, an führender Stelle eine wirklich wichtige Funktion für die Union wahrzunehmen.
Weil Sie nun gerade von Egotrip sprachen. Wenn jemand selbst überzeugt ist, dass er eigentlich die Dinge sehr viel besser machen kann, und sieht dann, dass auf seine Position kaum noch Rücksicht genommen wird, das führt natürlich zu erheblichen Frusterscheinungen. Man kann es negativ sehen mit dem Wort Egotrip, wie Sie sagten, aber man kann es auch mal anders sehen und kann sagen: dass ein Politiker in seinen besten Mannesjahren freiwillig aussteigt aus der Politik, das ist eigentlich ganz selten in der Geschichte des deutschen Parlaments. Die meisten hängen ja bis zur letzten Minute.
Durak: Aber nicht ohne Grund, Herr Professor Langguth, denn Merz kann es sich durchaus leisten zu gehen. Er hat einen Hauptberuf und hat sorgsam darauf geachtet. Wie viel Merz-Potenzial sehen Sie in der Bundestagsfraktion?
Prof. Langguth: Dass er immer mehr unabhängig wurde, das spricht ja auch nicht gegen einen Parlamentarier. Da sind wir übrigens genau in der Grundsatzdebatte drin: sollte ein Parlamentarier auch immer noch ein zweites Standbein haben oder nicht. Denn nur derjenige, der auch mal wieder in einen Beruf zurückkehren kann, ist wirklich ein Stück weit unabhängig.
Wie viel Potenzial gibt es in der Fraktion? Sicher gibt es viele, die ihm jetzt nachtrauern. Die Fraktion ist insgesamt politisch übrigens eher konservativer in vielen Dingen, als es vielleicht die Gesamtpartei ist oder auch die Wählerschaft der Union. Da wird natürlich Merz der Fraktion sehr fehlen.
Durak: Danke schön! - Professor Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität in Bonn. Der Abgang von Friedrich Merz und die Folgen für die Union. Besten Dank für das Gespräch!
Prof. Langguth: Danke auch!