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Merkel in Argentinien
Verbündete im Kampf um freien Handel

Argentinien blickt voller Hoffnung auf den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Land steckt noch immer in der Wirtschaftskrise, daran könnte auch der neue Präsident und Unternehmer Mauricio Macri bisher nichts ändern. Doch seit die USA auf die Handelsbremse treten, ist Südamerika wieder interessanter geworden für die EU.

Von Ivo Marusczyk | 08.06.2017
    Häusermeer von Buenos Aires aus der Luft gesehen
    Blick auf Buenos Aires (imago/imagebroker)
    Buenos Aires dürfte nach den Konfrontations-Gipfeln der letzten Wochen eines der angenehmeren Ziele für Angela Merkel sein. Argentinien erwartet die Kanzlerin mit offenen Armen und großen Hoffnungen. Die Regierung von Präsident Macri wertet den Besuch der Kanzlerin als Bestätigung und sogar als Auszeichnung.
    "Der Besuch von Angela Merkel ist sehr wichtig für uns. Das zeigt, dass Argentinien auf dem Weg der Öffnung ist. Wir wünschen uns engere Wirtschaftsbeziehungen, die beiden Ländern Wachstum bringen. Und deswegen verbinden wir große Erwartungen mit dem Besuch von Angela Merkel", sagt Patricia Bullrich, die Ministerin für Sicherheit im Kabinett von Präsident Macri. Während US-Präsident Trump auf Abschottung und Protektionismus setzen, geht Argentinien gerade den umgekehrten Weg. Das Land versucht nach Jahren der Abschottung, sich endlich wieder stärker mit der Welt zu vernetzen.
    Von Kirchner zu Macri ein tiefer Einschnitt
    Argentiniens Ruf hat sich verbessert, aber es dauert ziemlich lang, bis daraus auch engere Wirtschaftsbeziehungen werden, sagt Thomas Leonhardt, Vizepräsident der deutsch-argentinischen Handelskammer und langjähriger Vorsitzender der Deutschen Clubs in Buenos Aires. Der Wechsel von der linkspopulistischen Kirchner-Regierung zum wirtschaftsliberalen Macri vor anderthalb Jahren war ein tiefer Einschnitt für das Land.
    Aber die großen Hoffnungen, die mit dem Unternehmer Macri an der Staatsspitze verbunden waren, haben sich noch nicht erfüllt. Argentinien steckt noch tief in der Krise. Auch in diesem Jahr wird die Regierung ihr Ziel, die Inflation unter 20 Prozent zu drücken nicht einhalten, die letzten Zahlen deuten eher in Richtung 30 Prozent - nach 40 Prozent im Vorjahr. Wir müssen besser werden, sagt Ministerin Bullrich:
    "Argentinien hat zu viel Armut und die Kosten sind zu hoch. Alles, was man hier kaufen kann, ist teuer, Computer, Telefon, Kühlschränke, Kleidung. Deswegen müssen wir die Produktivität steigern, billiger produzieren."
    Hohe Schuldenlast
    Hohe Kosten, schlechte Produktivität, aufgeblähter und ineffizienter Staatsapparat - das schreckt Investoren ab. Dabei hatte Macri mit seiner Politik der wirtschaftlichen Öffnung vor allem auf Investitionen aus dem Ausland gesetzt. Aber die bleiben aus. Deswegen sind die Schulden des Landes zuletzt enorm gestiegen.
    Es war falsch sich auf einen kurzfristigen Aufschwung einzustellen. Selbst Macri war viel zu ungeduldig, sagt Leonhardt.
    Allerdings läuft dem Präsidenten die Zeit davon. Die Armutsrate ist auf mehr als 30 Prozent gestiegen, die Gewerkschaften gehen auf die Barrikaden und im Oktober stehen Parlamentswahlen an. Es gibt auch erste positive Zahlen. Die Rezession scheint zu Ende zu sein, Importe und Exporte ziehen langsam an. Allerdings geht das im Moment praktisch nur auf das Konto der Landwirtschaft, die Industrie Argentiniens kommt noch nicht in Schwung. Deshalb kommt Merkels Besuch für Macri genau zur rechten Zeit.
    "Die Anfragen, neue Dinge anzugehen, häufen sich, auch wenn sich noch nicht viel konkretisiert. Deswegen halte ich den Besuch von Merkel für sehr wichtig, für die Krönung."
    Abkommen noch in diesem Jahr abschließen
    Beide Seiten setzen auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur, also mit Argentinien, Brasilien und einigen kleineren Staaten Südamerikas. Die Verhandlungen laufen schon seit mehr als 20 Jahren - ohne große Fortschritte. Aber seit Trump den Fuß auf die Handels-Bremse gesetzt hat, ist Südamerika als Handelspartner wieder interessanter geworden. Die EU-Kommission hofft sogar, ziemlich optimistisch, das Abkommen noch in diesem Jahr abschließen zu können.
    Merkel und Macri sind jetzt Verbündete im Kampf um freien Handel. Und deswegen ist der Besuch der Kanzlerin in Buenos Aires viel mehr als nur ein Höflichkeitsbesuch in einem Land, um das sie bis jetzt immer einen Bogen gemacht hat.