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Merkel-Kritiker in der Union "liefern der SPD Munition"

Der ehemalige Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, hat die unionsinterne Kritik an der Kanzlerin Angela Merkel heftig kritisiert. Die Kritiker machten sich durch die "rücksichtslosen und unbegründeten Angriffe auf die Kanzlerin" zu Handlangern der SPD. Es handele sich bei diesen Leuten jedoch nur um einen "sehr begrenzten, konservativ-neoliberalen Flügel innerhalb der CDU", so der CDU-Politiker.

Heiner Geißler im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Peter Struck ist Bundeskanzlerin Angela Merkel durch unionsinterne Kritik an ihrem Führungsstil beschädigt. Die Regierungschefin sei sehr angeschlagen und eindeutig geschwächt, erklärte Struck heute Früh im Deutschlandfunk. Er sehe dies mit großer Sorge, denn die SPD habe im Moment keinen handlungsfähigen Koalitionspartner. Merkel gelinge es derzeit überhaupt nicht, die Politik in ihrer Partei durchzusetzen. - Eine These, die geradezu nach Widerspruch ruft. Am Telefon begrüße ich den ehemaligen Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler. Guten Tag, Herr Geißler!

    Heiner Geißler: Guten Tag!

    Breker: Herr Geißler, ist es nicht eigentlich ein völlig normaler Prozess? In einer Großen Koalition verlieren beide Partner ein Stück weit ihre Identität. Das ist doch ganz normal!

    Geißler: Ja, das ist bei jeder Koalition so. Die Koalition lebt von einer Koalitionsvereinbarung, in der bestimmte politische Ziele festgelegt worden sind, und diese Koalitionsvereinbarung ist natürlich nicht identisch mit der Programmatik einer Partei. Insofern ist es ein völlig normaler Vorgang. Nur das Profil der Partei, die Programmatik der Partei kann nicht die Kanzlerin vertreten in der Öffentlichkeit, sondern das muss die Partei machen. Das ist die Arbeitsteilung, wenn sie vernünftig und erfolgreich funktionieren soll.

    Breker: Nun ist die Angela Merkel ja beides: Sie ist Bundeskanzlerin und sie ist Vorsitzende der CDU. Ist das ein Fehler? Sollten die Ämter getrennt werden?

    Geißler: Nein, das sollte natürlich nicht getrennt werden. Aber in der Geschichte der CDU ist dieses Problem ja schon bei Konrad Adenauer aufgetaucht. Man hat aus diesem Grund, damit aus der Partei kein Kanzlerwahlverein entsteht, die Funktion des Generalsekretärs geschaffen. Der Generalsekretär hat die Aufgabe, das Profil und die Programmatik der Partei zu vertreten. Das kann die Kanzlerin ja nicht; sie ist ja Vorsitzende einer Koalition. Sie kann es auf jeden Fall nicht in der Präzision, wie das eben die Partei selber machen müsste. Das ist eine ganz einfache Frage, die schon in der Geschichte der CDU seit mehreren Jahrzehnten immer wieder praktiziert worden ist, und das kann man bei einer vernünftigen Arbeitsteilung auch realisieren.

    Breker: Dann muss man sagen, Herr Geißler, wenn es Aufgabe des Generalsekretärs war, dann sollte die Union nicht über Angela Merkel streiten, sondern über den versagenden Herrn Pofalla.

    Geißler: Die Union ist es ohnehin nicht, und zwar ist es im Moment die CSU und es ist sozusagen fast ein Randzirkel innerhalb der Union, es ist ein begrenzter, konservativ-neoliberaler Flügel, der seine Kritik äußert. Ich sage ja auch gar nicht, dass die die Klappe halten sollen. Wir brauchen in einer politischen Partei die Auseinandersetzung, auch die öffentliche Auseinandersetzung. Aber man kann nicht einfach Führung reklamieren an die Adresse der Kanzlerin und einen konservativen Kurs fordern, ohne präzise zu sagen vom Inhalt her, was denn nun anders gemacht werden soll, denn niemand sagt ja, dass es zur Regierungspolitik, vor allem jetzt zur Rettung der Banken und zum Aufbau einer neuen Finanzstruktur eine Alternative gibt zu dem, was die Kanzlerin macht. Deswegen ist ein Streit, der nicht um Inhalte geht, sondern nur um Formalien, oder der personalausgerichtet ist, allerdings schädlich. Und die Leute, die das machen - das muss man ganz klar sagen und das ergibt sich auch aus dem, was der Herr Struck heute gesagt hat -, die machen sich insoweit durch diese rücksichtslosen und unbegründeten Angriffe auf die Kanzlerin natürlich zu Handlangern der SPD. Sie liefern der SPD Munition in der Form, wie das heute der Herr Struck getan hat.

    Breker: Aber ist denn Angela Merkel völlig unschuldig in dieser Debatte? Ist es nicht ihre Strategie, wenn wir jetzt die Schwesterpartei CSU nehmen, die in der Tat zurecht kritisiert werden kann, denn die CSU hat Steuererleichterungen gefordert - vor der Wahl in Bayern, sie hat die Rücknahme der Pendlerpauschale vor der Wahl in Bayern gefordert, damals hat die Kanzlerin gesagt, nein, das kommt nicht in Frage, und nun, schauen wir auf heute: Es gibt die Pendlerpauschale, es gibt Steuererleichterungen.

    Geißler: Gut, aber da war ja die Diskussion insoweit berechtigt, als es um eine Fachfrage ging. Darüber kann man immer debattieren. Ich persönlich war auch der Auffassung, dass die Pendlerpauschale wieder eingeführt werden sollte. In dem Moment, wo sich die Diskussion konzentriert auf bestimmte Sachfragen - das hat die CSU getan mit der Steuerreform -, ist die Sache auch in Ordnung. Darüber muss man sich auseinandersetzen. Aber allgemeine ideologische Angriffe, indem ein konservativerer Kurs verlangt wird oder Führungsqualitäten verlangt werden, ohne präzise zu sagen, was denn nun anders gemacht werden soll, was im Moment gemacht wird von einem begrenzten, ich muss noch mal sagen sehr begrenzten, konservativ-neoliberalen Flügel innerhalb der CDU, der überhaupt nicht die Mehrheit der CDU darstellt, das ist nicht in Ordnung.

    Breker: Liegt es nicht auch ein wenig am Stil von Angela Merkel, den sie von Helmut Kohl übernommen hat, nämlich wer etwas werden will in der Partei, der muss kuschen?

    Geißler: Ich will über das Thema nun überhaupt nicht reden und die Angela Merkel auch nicht mit Helmut Kohl vergleichen. Das ist völlig abwegig.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Heiner Geißler, der ehemalige Generalsekretär der CDU. Herr Geißler, danke für dieses Gespräch.