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Merkel vor Abgas-Untersuchungsausschuss
Verschleppt, vertuscht, aber nichts gewusst?

2015 musste VW zugeben, jahrelang mit verbotenen Abschalteinrichtungen Abgastests manipuliert zu haben. Was wusste die Bundesregierung darüber? Das versucht seit Mitte vergangenen Jahres ein Untersuchungsausschuss des Bundestags aufzuklären. Am Mittwoch wird Bundeskanzlerin Angela Merkel dort als letzte Zeugin aussagen.

Von Gerhard Schröder | 07.03.2017
    Beleuchtete Büros sind am 06.12.2016 im Verwaltungshochhaus auf dem Gelände vom VW-Werk in Wolfsburg (Niedersachsen) zu sehen.
    Die Abgasmanipulationen haben den weltgrößten Autobauer in die tiefste Krise seiner Geschichte gestürzt. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Martin Winterkorn kommt durch den Seiteneingang, dunkler Anzug, rote Krawatte, in der Hand eine Aktentasche, zwei Rechtsanwälte an seiner Seite. Er steht jetzt mitten im Sitzungssaal, mit versteinerter Miene, die Arme vor der Brust verschränkt, vor ihm zwei dutzend Fotoreporter und Kamerateams, die den ehemaligen Vorstandschef des VW-Konzerns minutenlang ins Visier nehmen.
    Es ist der erste öffentliche Auftritt von Winterkorn nach seinem abrupten Rücktritt als Konzernchef am 23. September 2015. Was hat er gewusst von den Abgasmanipulationen, die den weltgrößten Autobauer in die tiefste Krise seiner Geschichte stürzte. Was hat er gewusst von der Schummelsoftware, die millionenfach in die Dieselfahrzeuge des Konzerns gebaut wurde. Und die dafür sorgte, dass die Fahrzeuge die Abgasgrenzwerte im Prüflabor einhielten, im Straßenverkehr die Gifte aber weitgehend ungefiltert in die Luft bliesen.
    "Die Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren unseres Konzerns widerspricht allem, wofür Volkswagen steht. Auch ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die Antworten auf alle Fragen, aber wir sind dabei, die Hintergründe schonungslos aufzuklären."
    Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Vorstandsvorsitzender, verlässt nach seiner Aussage vor dem Abgas-Untersuchungsausschusses den Bundestages in Berlin. 
    Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Vorstandsvorsitzender, nach seiner Aussage vor dem Abgas-Untersuchungsausschusses den Bundestages in Berlin. (picture-alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Untersuchungsausschuss zum VW-Skandal
    So äußerte sich Winterkorn am 22. September 2015, kurz vor seinem Rücktritt. Und das ist auch seine Leitlinie in der Befragung vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags am 19. Januar dieses Jahres. Er, Martin Winterkorn, habe von dem groß angelegten Betrugsmanöver nichts gewusst, nichts geahnt, versichert er. Herbert Behrens von der Linkspartei, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, nimmt ihm das nicht ab:
    "Wir halten es für ausgeschlossen, dass ein Vorstandschef nichts davon gewusst haben will, was auf einem zentralen Feld stattgefunden hat. Der Versuch, mit Dieselmotoren das Feld der Kleinwagen aufzurollen, ist ein zentrales Projekt für VW gewesen."
    Wer hat wann was von den Abgasbetrügereien bei VW gewusst? Hat die Bundesregierung früh genug reagiert und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen? Amtierende und frühere Minister wurden befragt, Beamte und Sachverständige, Automanager und Wissenschaftler.
    "Ich muss sagen, manche Antworten haben mich auch ein wenig schwindelig gemacht, insofern, was den Erkenntniszuwachs anbetrifft, habe ich kein gutes Ergebnis, was ich mit nach Hause nehme."
    Neue überraschende Fakten waren selten, die haben bislang eher Justiz und Medien ans Licht gebracht. Für Oliver Krischer, den Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, hat sich die Arbeit dennoch gelohnt:
    "Wir haben klar herausgearbeitet, dass eine Bundesregierung früher hätte handeln müssen, weil sie schon seit zehn Jahren Kenntnisse hat, dass die Grenzwerte zwar auf den Rollenprüfständen, aber nicht in der Realität eingehalten werden. Man hat den Tricksern und Betrügern die Möglichkeit gegeben, zu tricksen und zu betrügen, indem man einfach über Jahre systematisch weggeguckt hat."
    Hat die Politik, haben die Aufsichtsbehörden also versagt, hätte dieser Skandal verhindert werden können, wenn die zuständigen Ministerien und Kontrollgremien genauer hingeschaut hätten? Mit der Befragung der Kanzlerin am Mittwoch dieser Woche schließt der Ausschuss seine Ermittlungsarbeit ab. Für Ulrich Lange, den Obmann von CDU-CSU im Untersuchungsausschuss, steht aber jetzt schon fest:
    "Das von der Opposition am Anfang mit lautem Geschrei verkündete Staatsversagen kann man definitiv nicht erkennen, es gibt kein Versagen der Bundesregierung, der staatlichen Stellen."
    An Warnhinweisen hat es allerdings nicht gemangelt. Seit vielen Jahren war klar, dass die Dieselfahrzeuge viel mehr Schadstoffe in die Luft blasen als die Hersteller angeben, viel mehr auch, als erlaubt ist.
    "Fast so alt wie die Geschichte der Abgasgesetzgebung ist die Geschichte des Betrugs, der Abschalteinrichtung. Das ist nichts Neues", sagt Axel Friedrich, er war von 1994 bis 2008 Leiter der Abteilung Verkehr im Umweltbundesamt.
    Abschalteinrichtungen gab es schon vor 20 Jahren
    1999, also vor fast 20 Jahren, deckte die amerikanische Umweltbehörde Abgasmanipulationen bei Lkws auf. Die Hersteller hatten verbotene Abschalteinrichtungen verbaut, die dafür sorgten, dass die Abgasreinigung nur bei den Laborprüfungen voll arbeitete, nicht aber auf der Straße. Friedrich ging dem Verdacht nach und wurde auch in Deutschland fündig.
    "Ja, es war aufgefallen, auch in Europa, auch in Deutschland, dass die Lkw nur auf dem Prüfzyklus optimieren, also analog, was wir heute bei Pkw haben, und wir konnten dann durch Öffnung einer elektronischen Steuereinheit nachweisen, dass genau auf diese Punkte das System optimiert war. Das haben meine Kollegen in den USA auch festgestellt, nur hier hat es keine Konsequenzen gehabt. In den USA haben sie Hunderte von Millionen Strafe zahlen müssen."
    Abschalteinrichtungen, die dafür sorgen, dass die Abgase nur im Prüflabor gereinigt werden, nicht aber auf der Straße, waren schon vor 20 Jahren bekannt – und verboten. 2007 schrieb die EU-Kommission das noch einmal ausdrücklich in die Verordnung 715-2007, mit der neue strengere Grenzwerte festgelegt wurden. Ein wichtiger Schritt, um die Luft in den Städten sauberer zu machen. Vor allem die Belastung mit Rußpartikeln und Stickoxiden sollte gesenkt werden.
    Ein Auto mit zwei Auspuffen fährt in Berlin.
    Abschalteinrichtungen waren schon vor 20 Jahren bekannt - und verboten. (AFP / Johannes Eisele)
    "Der Hauptemittent ist der Verkehr, er macht zwei Drittel der Emissionen in der Stadt aus", sagt Martin Schmied, er ist Leiter der Verkehrsabteilung im Umweltbundesamt.
    "Wenn man sich den Verkehr genauer anschaut, dann macht zwei Drittel der gesamten Emissionen der Diesel-Pkw, daran erkannt man, es ist wirklich der Diesel-Pkw, der das Problem ist. Und nicht der Lkw- und auch nicht der Busverkehr, der kann an einzelnen Stellen, wo viele Busse fahren, das Problem sein, aber im Schnitt ist es der Diesel-Pkw."
    Um die Luft in den Ballungszentren zu verbessern, wurden die Grenzwerte für Stickoxide von 250 auf 180 Milligramm gesenkt, inzwischen dürfen neu zugelassene Fahrzeuge sogar nur noch 80 Milligramm pro Kilometer ausstoßen. Stickoxide können tödlich sein, warnte die Medizinerin Annette Peters vom Helmholtz-Zentrum in München im ZDF:
    "NO2 ist ein Reizgas, das in die unteren Atemwege eindringt und von da aus auf den gesamten Körper wirken kann. Wir finden bei einer erhöhten Belastung über das gesamte Jahr hinweg einen Anstieg der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen und aufgrund von Atemwegserkrankungen."
    Nach Berechnungen der europäischen Umweltbehörde starben in Deutschland allein im Jahr 2012 10.400 Menschen an der hohen Konzentration von Stickoxiden in der Luft. Verantwortlich dafür, da sind sich die Experten einig, waren in erster Linie die Dieselfahrzeuge.
    "Man sieht auch unterhalb der gegenwärtigen Grenzwerte einen Anstieg der Mortalität aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen – also der Sterblichkeit – der Sterblichkeit."
    Die Luft wurde nicht sauberer
    Deshalb verschärfte die EU-Kommission die zulässigen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge. Das Problem war nur: Die Luft wurde nicht sauberer. Denn die meisten Fahrzeuge hielten die Grenzwerte nur im Prüflabor, bei den Zulassungstests, ein, nicht aber im Alltagsbetrieb auf der Straße. Das stellte der Allgemeine Deutsche Autmobilclub ADAC schon vor sieben Jahren bei Tests im Technik-Zentrum im bayerischen Landsberg fest. Reinhard Kolke ist Leiter des Zentrums:
    "Damals gab es bereits Abweichungen, die um den Faktor drei, vier, fünf, sechs über dem gesetzlichen Grenzwert lagen. Das heißt, Abweichungen, die bereits Anlass zur Sorge machten, dass wir bei der Luftqualität die entsprechenden Zielwerte reißen werden. Denn absehbar war, dass die Kommunen zunehmend unter Handlungsdruck geraten würden."
    Auch das Umweltbundesamt schlug Alarm. Seit 2009 macht die Umweltbehörde eine besorgniserregende Beobachtung: Trotz strengerer Grenzwerte blasen die neuen Fahrzeuge mehr schädliche Abgase in die Luft als ihre Vorgänger:
    "Bei Euro 4 lagen wir bei den realen Emissionen bei 540 NOx pro Kilometer, bei Euro 5 lagen wir plötzlich bei 680 Milligramm, daran merkt man, das ist schlechter geworden, gleichzeitig ist der Grenzwert von 250 auf 180 Milligramm gesenkt worden. Und da ist eine richtige Schere aufgegangen."
    Abgasreinigung arbeitet nicht bei niedrigen Temperaturen
    Die Abgaswerte bei den Dieselfahrzeugen sind alarmierend, befand der TÜV Nord 2008 in einer Studie für das Umweltbundesamt. Auch die gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission JRC stellte seit 2007 überhöhte Stickoxid-Werte bei Dieselfahrzeugen fest. Ein Grund für die hohen Werte laut JRC: Die Abgasreinigung arbeitet nicht bei niedrigen Temperaturen. Das Problem war der Politik bekannt, sagt ADAC-Technik-Chef Kolke:
    "Wir haben im Jahr 2010 ein Schreiben an das Bundesumweltministerium geschickt und haben davor gewarnt, dass wir aufgrund dieser Diskrepanz möglicherweise in ein erhebliches Risiko fahren bei der Luftqualität."
    Schon vor über zehn Jahren also war klar, dass die meisten Dieselfahrzeuge zu viele Stickoxide in die Luft bliesen, und damit die Gesundheit der Menschen gefährdeten. Warum hat die Politik nicht nachgehakt?
    "2007, -acht, -neun hatten wir ganz andere Sorgen, was die Automobilindustrie anbetrifft. Abwrackprämie, die Frage, ob unser Rückgrat, die Autoindustrie, den Bankencrash und die Strukturkrise überleben wird", sagt Wolfgang Tiefensee.
    Der Sozialdemokrat war von 2005 bis 2009 Verkehrsminister. Auch sein Nachfolger Peter Ramsauer hakte nicht nach, wurde auch nicht stutzig, als die Deutsche Umwelthilfe 2011 Alarm schlug:
    "Am 10. Februar 2011 haben wir Messungen vorgestellt, die wir von einem Whistleblower zugespielt bekommen haben und die belegen, dass hier beim VW-Motor, der später auch in Amerika auffällig wurde, ganz klar Abschalteinrichtungen dazu führen, dass auf der Prüfrolle die Werte eingehalten werden, dass dann aber bei einer vergleichbaren Fahrweise auf der Straße die Abgasreinigung nicht funktioniert. Wir haben von Skandal und Betrug gesprochen. Das Ministerium hat uns gesagt, sie würden das alles kennen und wissen, aber sie halten dies für eine legale Interpretation, denn man müsse ja nur bei der Prüfung im Labor die Grenzwerte einhalten."
    VDA-Präsident Matthias Wissmann, in ein Mikro sprechend, mit den Händen gestikulierend.
    VDA-Präsident Matthias Wissmann (dpa/picture alliance/Valentin Gensch)
    Auch Mathias Wissmann, der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie VDA, hält die abweichenden Messwerte für unproblematisch:
    "Klar ist, dass die Abgasemissionen, insbesondere die Stickoxidemissionen, im normalen Straßenverkehr nicht die sein können, die auf dem Rollenprüfstand erreicht werden. Fahrverhalten und Fahrprofil sind zu unterschiedlich, und hinzukommen, das wissen Sie ja auch, Messtoleranzen."
    Systematischer Betrug
    Die amerikanische Umweltbehörde EPA fand noch einen anderen Grund für die auffälligen Emissionswerte: systematischen Betrug. VW musste im September 2015 zugeben, seine Fahrzeuge jahrelang mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet zu haben, die dafür sorgte, dass die Abgase auf dem Prüfstand ordnungsgemäß gesäubert wurden, nicht aber im Straßenbetrieb.
    "Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor", so Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am 23. September 2015, drei Tage nachdem der Abgasskandal bekannt wurde.
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) spricht am 22.09.2016 in der Debatte um den Bundesverkehrswegeplan 2030 im Deutschen Bundestag in Berlin. 
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) (dpa-Bildfunk / Wolfgang Kumm)
    Dobrindt richtete eine Untersuchungskommission ein und versprach rasche Aufklärung. VW muss 2,5 Millionen manipulierte Dieselfahrzeuge zurückrufen und die illegalen Abschalteinrichtungen entfernen.
    Damit kommt VW ziemlich glimpflich davon, in den USA musste der Konzern über 20 Milliarden Dollar an Entschädigungen und Strafzahlungen an Kunden und Staat zahlen, in Deutschland muss er die manipulierten Fahrzeuge nur in einen gesetzeskonformen Zustand versetzen.
    Auch andere Autohersteller, die bei der Abgasreinigung getrickst haben, können zufrieden sein. Dobrindt ordnete den Rückruf von nur 630.000 Fahrzeugen an – auf freiwilliger Basis. Dabei war der Befund der Untersuchungskommission brisant:
    "Wir haben bei allen Fahrzeugen, die wir getestet haben, Thermofenster gefunden."
    Anders als VW haben Hersteller wie Opel, BMW, Fiat oder Mercedes die Abgasreinigung auf der Straße nicht generell herunter gefahren, sondern nur bei bestimmten Temperaturen, Einige bei 17 Grad, andere bei 15 oder 10 Grad.
    "Das ist dann zulässig, wenn die Einrichtungen notwendig sind, um den Motor vor Schaden oder Unfällen zu schützen."
    So steht es in der EU-Verordnung 715 von 2007. Tatsächlich können Motorventile verrußen, wenn die Dieselabgase zur Nachbehandlung noch einmal in den Zylinder geführt werden. Seit zehn Jahren gebe es aber technische Verfahren, um dieses Problem zu lösen, sagt Reinhard Kolke vom ADAC. Das Problem ist nur: Die saubere Dieseltechnik kostet mehr Geld:
    "Technisch ist das, zu vermeiden. Wir sehen auch, dass die Automobilhersteller hier mit entsprechenden technischen Lösungen arbeiten, aber man kann sich auch hier als Automobilhersteller ordentlich Geld sparen, und dann ist es nicht eine Frage der Kosten, sondern eine Frage des Gewinns."
    Weil die Autohersteller bei der Abgasreinigung sparen, steigen die Emissionen. Bei einem von Dobrindt in Auftrag gegebenen Straßentest hielten von 53 Fahrzeugen nur drei die gesetzlichen Grenzwerte ein, der Rest fiel glatt durch. Nicht aber beim Minister. Der erklärte kurzerhand eine Überschreitung des gesetzlichen Grenzwertes um das Dreifache für akzeptabel. Nur noch schmutzigere Autos sollen von den Herstellern zurückgerufen werden. Oliver Krischer von den Grünen reicht das nicht aus:
    "Dobrindt könnte sehr viel härter gegen Automobilunternehmen vorgehen. Wir haben Millionen Fahrzeuge auf deutschen Straßen, die die Grenzwerte nicht einhalten. Sanktionen gibt es nicht. Das Einzige, was wir bislang haben, sind freiwillige Rückrufe, das ist unserer Meinung nach nicht ausreichend."
    Tests im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe
    Ein grauer Dezembertag, es ist kalt, dunkele Wolken hängen über Berlin. Axel Friedrich steht in seinem Lagerraum in Zehlendorf im Südwesten Berlins. Messgeräte und Gasflaschen, Silikonmuffen und Edelstahlrohre liegen herum, all das, was er für seine mobilen Abgastests so braucht.
    Heute ist ein Landrover–Discovery-Sport, HSE TD4 dran, ein schwarzer Koloss mit vier Zylindern und 180 PS. Vom Auspuff führen chromglänzende Rohre zu einem Zylinder, der am Heck befestigt ist, von dort transportieren schwarze Schläuche die Abgase ins Wageninnere, zu zwei silberfarbenen Messgeräten. Hier werden die Schadstoffe analysiert und berechnet.
    "Wir haben alles getestet, was verkauft wird, ob das VW, Audi, Daimler, Opel, Ford, Fiat, also quer durch alle Marken, denn wir möchten eben möglichst viele Marken abdecken."
    Axel Friedrich setzt sich ans Steuer, auf dem Beifahrersitz steht ein Laptop, der die Messwerte aufzeichnet. Wir fahren nach Süden, durch den dichten Stadtverkehr, vorbei an Baumärkten und Gewerbegebieten Richtung Stadtgrenze.
    "Die Strecke ist so ausgewählt, dass sie dem mittleren Fahrprofil der Menschen entspricht. Ein Drittel Stadt, ein Drittel Land, ein Drittel Autobahn."
    Nach 37 Minuten sind wir zurück in Zehlendorf, jetzt werden die Daten ausgewertet. Das Ergebnis: Der Landrover ist eine echte Dreckschleuder. 80 Milligramm Stickoxid darf er ausstoßen, der Computer hat 1183 Milligramm gemessen, 15 mal mehr als erlaubt ist.
    "Wenn ich der Eigentümer wär, ich würde den Wagen zurückgeben. Denn das Fahrzeug entspricht nicht dem, was ich gekauft hab. Ich hab ein Euro-6-Fahrzeug gekauft, und hab ein Euro-0-Fahrzeug bekommen. Das hält nicht mal die erste Stufe ein, die 1991 eingeführt wurde. Völlig unakzeptabel, so ein Auto würde ich zurückgeben."
    Von den 50 Autos, die Friedrich im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe in den vergangenen Monaten im Straßenbetrieb getestet hat, haben nur drei Fahrzeuge bestanden. Der ADAC kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Die neuen Dieselfahrzeuge fallen bei den Tests des Automobilclubs - bis auf wenige Ausnahmen – glatt durch, ADAC-Technik-Chef Reinhard Kolke:
    "Offensichtlich scheint es in der Automobilindustrie kein Interesse zu geben, zu zeigen, dass ein Diesel auch sehr sauber sein kann. Und das bedauern wir sehr."
    Künftig wird auf der Straße und nicht im Labor gemessen
    Immerhin: In Zukunft soll es für die Autohersteller schwieriger werden, das Gesetz auszuhebeln. Vom Herbst 2017 an werden die Abgasemissionen nicht mehr auf dem Prüfstand im Labor gemessen, sondern im Straßenbetrieb, mit portablen Messstationen, die bequem in den Kofferraum passen. Kay Lindemann, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie:
    "Kein Autohersteller wird es sich leisten können, das zu verletzen, die neuen Vorgaben, und das ist auch gut so. Und damit haben wir das Abweichungsproblem weitgehend gelöst, und das ist natürlich ein Quantensprung in der Gesetzgebung."
    Allerdings ist die Politik auf den letzten Metern noch einmal eingeknickt: Die Grenzwerte wurden kurzerhand angehoben, bis 2021 sind Überschreitungen um 110 Prozent, danach um 50 Prozent gestattet:
    "Aber selbst wenn die eingeführt werden, und ganz normal in die Flotte kommen, dann werden in den hochbelasteten Standorten die Grenzwerte, also die 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, erst im Jahr 2030 eingehalten."
    Ein KFZ-Servicetechniker mit einer Abdeckung vor einem vom Abgas-Skandal betroffenen 2.0l TDI Dieselmotor vom Typ EA189 in einem VW Touran in einer Autowerkstatt
    Auch vom Abgas-Skandal betroffen: 2.0l TDI Dieselmotor vom Typ EA189 in einem VW Touran. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Die bereits zugelassenen Dieselautos sorgen auch in den nächsten Jahren noch für schlechte Luft in den Städten. Das ist nicht hinnehmbar, sagt Martin Schmied vom Umweltbundesamt. Die alten Dieselfahrzeuge müssen schneller von den Straßen verschwinden. Fragt sich nur wie? Den schwarzen Peter haben jetzt die Städte und Gemeinden, sie werden um Fahrverbote für dreckige Autos nicht herum kommen, sagt auch der Abgastester Axel Friedrich.
    "Wer schmutzig ist, darf nicht reinfahren. Es gibt kein Recht, andere Leute umzubringen. So kann man es einfach formulieren. 10.000 Menschen sterben in Deutschland vorzeitig an diesen hohen Belastungen. Wenn ein anderer Sektor 10.000 Menschen umbringen würde, wäre ein Aufstand. Hier nimmt man es einfach hin."