Dienstag, 07. Mai 2024

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Merkels Verzicht auf Parteivorsitz  
"Eine Stärkung der Kanzlerschaft"

Für die Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Katja Leikert, ist die Ankündigung Angela Merkels, den CDU-Parteivorsitz abzugeben, ein Ausdruck von Stärke. Indem Merkel die Forderungen der Parteibasis nach Veränderung aufnehme, könne sie ihre Machtposition festigen, sagte Leikert im Dlf.

Katja Leikert im Gespräch mit Christoph Heinemann | 29.10.2018
    Norbert Roettgen und Katja Leikertsitzen am 15.03.2018 nebeneinander im Plenum des Bundestag
    Katja Leikert (CDU) ist stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion (imago / Uwe Koch)
    Christoph Heinemann: Zwei Meldungen sorgten am Vormittag für Aufsehen. Angela Merkel ist offenbar bereit, den parteivorsitz der CDU abzugeben. Sie will nach dieser Legislaturperiode auch aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden. Das wird gemeldet. – Anschließend meldete die Deutsche Presseagentur, Friedrich Merz stehe für eine Kandidatur für dieses Parteiamt zur Verfügung, für die CDU-Spitze.
    Am Telefon ist jetzt Katja Leikert (CDU), stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Wahlkreis Hanau in Hessen. Guten Tag.
    Katja Leikert: Guten Tag, Herr Heinemann.
    Heinemann: Frau Leikert, wäre Friedrich Merz ein guter CDU-Vorsitzender?
    Leikert: Die Entwicklungen sind ja recht frisch. Die Tickermeldungen kamen ja gerade mal vor einer dreiviertel Stunde. Ich glaube, über Personalien jetzt an der Stelle zu reden, ist ein Stück weit verfrüht. Es ist ja gerade mal die Tatsache, dass die Kanzlerin sich dazu geäußert hat, auf den Parteivorsitz zu verzichten, und ich glaube, es tut auch der Partei gut, sich da ein bisschen Zeit zu lassen und bis Dezember die Diskussion zu führen und am Parteitag dann zu entscheiden.
    Partei fordert mehr Partizipation ein
    Heinemann: Frage an Sie persönlich: Würden Sie Friedrich Merz unterstützen?
    Leikert: Ich kenne Friedrich Merz aus den transatlantischen Bezügen gut. Ich schätze auch sein Profil, sein wirtschaftsliberales Profil. Ich würde jetzt an der Stelle keine weiteren Empfehlungen dazu abgeben, ob Friedrich Merz zu wählen ist oder nicht. Wie gesagt, die Diskussionen sind viel zu früh. Wir haben viele andere profilierte und bewährte Parteipolitiker bei uns in den eigenen Reihen und ich denke, es ist gut, wenn sich die Partei ein bisschen Zeit dafür lässt.
    Heinemann: Würden Sie als Vertreterin der jüngeren CDU-Politikerinnen sagen, jetzt müssten mal Jüngere ran?
    Leikert: Ich habe das Gefühl, dass es in der Partei – wir haben das ja auch gesehen bei der Diskussion um den Fraktionsvorsitz – in der Tat auch eine Forderung war gerade der Jüngeren, gerade derjenigen, die auch erst 2017 in den Deutschen Bundestag gekommen sind. Es geht dabei darum, dass andere Führungsstile gewünscht sind, mehr Partizipation. Das ist schon etwas, was sich in der Partei zeigt, was mehr eingefordert wird.
    Heinemann: Ist diese Ankündigung heute der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel?
    Leikert: Für mich wäre es eher eine Stärkung der Kanzlerschaft. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen paradox.
    Heinemann: In der Tat.
    Leikert: Ich sehe das eher so, dass das ihre Machtposition festigen könnte, weil es ja schon so ist – und das haben wir auch in der Hessen-Wahl wieder erlebt und da braucht man auch nicht darüber hinwegzureden -, dass durchaus die Basis auch Änderungen möchte. Von daher: Das aufzunehmen, ist, glaube ich, ein Ausdruck von Stärke.
    Führungsstil bei den Grünen abschauen?
    Heinemann: Können Sie sich das tatsächlich vorstellen, eine Koalition mit einer ehemaligen Parteivorsitzenden und zwei um ihr Amt kämpfenden Parteivorsitzenden, nämlich Frau Nahles und Herrn Seehofer?
    Leikert: Die Frage habe ich jetzt nicht ganz verstanden, wie Sie die meinen.
    Heinemann: Die Koalition in Berlin würde ja gebildet von drei Leuten, von der Bundeskanzlerin, dann eine ehemalige Parteivorsitzende, wenn sie abgelöst würde, und zwei Parteichefs oder Chefinnen, Frau Nahles und Herrn Seehofer, die doch sehr um ihr Amt auch kämpfen müssen.
    Leikert: Ja, gut. Auch da sind natürlich Diskussionen in CSU und SPD, die geführt werden müssen und die auch schon geführt werden. Die ganze Systematik, weil Sie vorhin danach gefragt haben, ob unbedingt die Kanzlerposition mit dem Parteivorsitz einher gehen muss. Ich sehe das sowieso nicht so. Ich sehe das sowieso so, dass solche Positionen gut in einer Tandemlösung geführt werden. Das ist ja was, was die Grünen uns zeigen, auf eine frische Art. Ein Stück weit kann man das sich an der Stelle vielleicht auch abschauen.
    "Unsere Kanzlerin steht auch in Europa für Stabilität"
    Heinemann: Kann die CDU mit einer Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Wahlen gewinnen?
    Leikert: Kanzlerin Merkel hat ja deutlich gemacht, dass sie für eine weitere Kandidatur nicht zur Verfügung steht. Auch das kam ja. Ich habe das vor Kurzem erst den Tickermeldungen so entnommen. Ich denke, das ist nicht das Ziel. Wenn ich mich aber in Europa umschaue, in anderen Ländern, dann haben wir nicht gerade die Situation, dass es da vor Stabilität nur so wimmelt, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Unsere Kanzlerin, die steht auch in Europa für Stabilität, und von daher ist es für mich wirklich entscheidend, dass auch die Legislatur von ihr so durchgeführt wird.
    Heinemann: Eine wesentliche Voraussetzung, die sie immer formuliert hat, wäre dann nicht mehr gegeben, nämlich diese Doppelfunktion von Kanzlerschaft und Parteivorsitz. – Übrigens wird gerade gemeldet, dass auch Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Kandidatur für den Parteivorsitz ankündigt. Das nur noch eingeflochten in dieses Gespräch.
    Leikert: Okay.
    Heinemann: Aber eine Angela Merkel, die nicht mehr Parteivorsitzende ist, eine Bundeskanzlerin, die aber beides immer in einer Person vereint sehen wollte, wäre die nicht extrem geschwächt?
    Leikert: Wie gesagt, aus meiner Sicht, ich sehe das wirklich anders an dieser Stelle, weil ich einfach denke, es ist auch ein Stück weit Stärke, in dieser Situation, die wir jetzt haben, frühzeitig eine Entscheidung zu treffen. Das ist was, was in anderen Parteien so – wie soll ich sagen – in der Form bisher noch nachgeholt werden muss. Von daher denke ich, dass es für die Kanzlerin wirklich, wenn sie eine Person des Vertrauens an die Seite gestellt bekommt von der Partei, dass das eine gute Teamlösung werden kann.
    "Ich rechne für Hessen ganz klar mit Schwarz-Grün"
    Heinemann: Wir haben jetzt im Laufe dieses Gespräches zwei Kandidaten für den CDU-Vorsitz: Einmal Friedrich Merz, einmal Annegret Kramp-Karrenbauer. Rechts von der CDU ist ja sehr viel Platz, und den hat die AfD genutzt. Wer von den beiden, Merz oder Kramp-Karrenbauer, könnte die AfD in die Knie zwingen?
    Leikert: Wenn ich mir das angucke in Hessen, warum Menschen AfD wählen – ich komme jetzt gerade hier auch aus einer Region, Main-Kinzig-Kreis, wo die AfD sehr stark ist mit 15 Prozent -, dann sind das Themen, die natürlich im Ausländerbereich sind. Aber es sind auch Themen wie beispielsweise Windkraftanlagen. Das hat jetzt nicht unbedingt was dann mit Annegret Kramp-Karrenbauer oder Friedrich Merz zu tun, sondern auch mit einer grundsätzlichen Positionierung und Programmatik der Partei. Ich würde das jetzt gar nicht so sehr an den Personen festmachen, kann ich nicht erkennen.
    Heinemann: Blicken wir noch kurz in Ihr Heimat-Bundesland. Mit welcher Regierungskoalition in Hessen rechnen Sie?
    Leikert: Ich rechne für Hessen ganz klar mit Schwarz-Grün. Das hat sich gut bewährt.
    Heinemann: Da reicht eine Mehrheit von einem Sitz.
    Leikert: Da gibt es eine Mehrheit von einem Sitz. Das würde eine hohe Disziplin erfordern in der Tat auch in der Koalition. Für Hessen sehe ich das aber als ganz klare Zukunftskoalition. Wir haben gesehen, wie erfolgreich die unter Bouffier geführte Landesregierung gearbeitet hat. Wir haben eine Top Bilanz in Hessen als eines der sichersten Bundesländer, als eines der Länder mit den höchsten Bildungsausgaben, eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder. Und in der Kombination mit Ökologie ist das für Hessen eine gute Sache.
    Heinemann: Katja Leikert (CDU), stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Leikert: Vielen Dank, Herr Heinemann. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.