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Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen
Das Ende des Plastikfußballs

Der Amateurfußball in Europa soll grüner werden: Kunstrasenplätze sollen nach Wunsch der Europäischen Chemikalienagentur in Zukunft ohne Granulat-Füllung auskommen. Der Deutsche Sport sieht sich gut gewappnet. DOSB und DFB sind sich aber trotzdem uneins.

Von Dorian Aust | 27.03.2021
Kunstrasen, teilweise aufgerollt
Zwei Drittel der primären Mikroplastik-Verschmutzung in Europa stammt laut der Europäischen Chemie Agentur von Kunstrasenplätzen (picture alliance / blickwinkel/fotototo | fotototo)
Es gibt viele Gründe dafür, warum die kleinen, ein bis drei Millimeter großen Granulat-Kügelchen in der Umwelt landen: über die Schuhe der Spieler, den Regen oder mit dem Laubbläser. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA geht von durchschnittlich 500 Kilogramm aus, die pro Platz im Jahr in der Umwelt landen. Zwei Drittel der primären Mikroplastik-Verschmutzung in Europa stammt von Kunstrasenplätzen.
Daran will die EU etwas ändern und hat jetzt seit Februar ein Gutachten und einen Vorschlag der ECHA vorliegen. Sie empfiehlt ein Verbot des Inverkehrbringens von Kunststoffgranulat. Übergangszeit: sechs Jahre. Der DOSB als Interessenvertreter des deutschen Sports geht davon aus, dass es dazu auch kommen wird. Im Gespräch waren zuvor nämlich auch bauliche Maßnahmen wie Balustraden oder Filtersysteme, so der Vizepräsident Breitensport Andreas Silbersack.
"Mir fehlt die Fantasie dafür, dass die ECHA sagt, wenn man sich dort schon damit befasst hat, dass sie dort sagen: Naja, ist egal, wir haben wichtigere Themen. Das kann ich mir nicht vorstellen und deshalb gehe ich einfach auch davon aus, dass es hier mittel- und langfristig ein Verbot geben wird."
Der deutsche Sport sei darauf bereits vorbereitet. Spätestens seit 2020 werden in allen Bundesländern keine Förderanträge mehr für Kunstrasenplätze mit dem klassischen Granulat bewilligt.

DFB will doppelt so lange Übergangszeit wie DOSB

Ein Streitpunkt scheint aber offenbar die Übergangszeit zu sein. Während der DOSB mindestens sechs Jahre Schonfrist fordert, will der Deutsche Fußball Bund sogar zwölf Jahre. Andreas Silbersack dazu:
"Wir sind von dieser Regelung mindestens sechs Jahre absolut überzeugt. Sie ist belastbar, sie schafft den notwendigen Interessenausgleich von Umwelt und Vereinen. Und deswegen ist das, was der DFB für sich in Anspruch nimmt nicht unsere Auffassung."
Blick auf den Kunstrasen von Eintracht Dortmund, der mit Kork statt Granulat gefüllt ist. 
Deutsche Umwelthilfe: "Kunstrasen ist ein massives Umweltproblem"
Kunstrasen setze etwa 10.000 Tonnen Plastik pro Jahr frei, sagte Philipp Sommer, Deutsche Umwelthilfe, im Dlf. Ein Verbot halte er aber nicht für wahrscheinlich.
Dem Vernehmen nach hat man sich auf höchster sportpolitischer Ebene um die Übergangsfrist gestritten. Der DFB fürchtet, dass zu viele Plätze nach Ende der Frist noch nicht ihre normale Lebensdauer erreicht haben, also teurer umgerüstet werden müssten. Nach DFB-Schätzung kämen dann Kosten von 1,8 Milliarden Euro auf Vereine und Kommunen zu. Christoph Rheinberger von der ECHA glaubt, die gewünschte längere Frist hat auch andere Gründe.
"Ich glaube, die Sportverbände sind sich dem Problem bewusst. Es ist nun mal einfach so, dass ein Problem, dass man ein paar Jahre rausschieben kann, auch für eine gewisse Zeit vergessen kann. Der andere Punkt ist, dass die Kommunen Angst haben, dass ihre Plätze nicht mehr genutzt werden können."
Dabei könnten die Vereine sogar vor Eintreten des Verbots Granulat auf Vorrat kaufen.

Granulat-Alternative wird noch gesucht

In Hamburg kann die Diskussion sehr entspannt verfolgt werden. Hier wird seit zehn Jahren auf Granulat verzichtet. Stattdessen sind die Plätz mit Quarzsand verfüllt. Plätze, auf denen Rugby oder American Football gespielt wird, seien mit Korkgranulat verfüllt. Die Alternative für die Zukunft gibt es aber noch nicht, meint Andreas Silbersack vom DOSB:
"Das Thema ist präsent in der Industrie, welche Ersatzstoffe gibt es. Im Augenblick ist das Thema Kork vordergründig, aber ich glaube nicht, dass es dabei bleiben wird. Es gibt vielleicht auch Holzgranulate, muss man mal sehen, ob das auch denkbar ist. Abschließend noch nicht sagbar, da wir uns auch bei der industriellen und wissenschaftlichen Entwicklung noch im laufenden Galopp befinden."
Fußballschuhe mit den deutschen Landesfarben tritt gegen den Ball, dabei löst sich Granulat aus den Kunstrasenhalmen
EU-Richtlinie zu Mikroplastik - Aufregung um Granulat für Kunstrasen
Tausenden Kunstrasenplätzen in Deutschland droht das Aus. Grund ist eine geplante EU-Richtlinie zur Vermeidung von Mikroplastik. Davon betroffen ist vor allem der Fußball.
Kork allerdings kann sich bei Feuchtigkeit vollsaugen und wird bei Frost brüchig. Andere Möglichkeiten sind kleinste Nuss- und Kokosnuss oder Olivenschalen. Ein gemeinsames Problem, sagt Christoph Rheinberger, ist aber die Haltbarkeit.
"Diese organischen Einfüllmaterialien müssen regelmäßig ersetzt werden, die können unter bestimmten Umweltbedingungen auch anfangen zu faulen oder zu schimmeln. Und das kann wiederum auch gesundheitliche Risiken für die Spieler bergen. Und dann muss das ersetzt werden und das passiert eben häufiger als mit dem Kunststoff."

Autoreifen als Granulat-Lieferant

Es wird also auch teurer. In Norwegen werden derzeit Kunstrasenplätze getestet, die keine Füllung brauchen, sondern eine Gummidämpfung unter dem Rasen besitzen. Wenn das Granulat-Verbot kommt, steht die EU allerdings vor einem weiteren Problem. Was passiert mit den alten Autoreifen, die bisher vor allem als Granulat auf den Sportplätzen gelandet sind? Es gilt nämlich ein Lagerverbot von Altreifen in der EU.
"Langfristig ist da die Hoffnung, dass man durch chemisches Recycling die Altreifen wieder in die Rohmaterialen zersetzen kann und damit wertvolle Rohstoffe zurückgewinnt. Weil so richtiges Recycling ist das ja nicht, weil man wiederverwendet die und danach werden sie verbrannt oder sie verteilen sich in der Umwelt."
Die Kunstrasenplätze in Deutschland und der EU sollen grüner werden – da sind sich alle einig. Beim Zeitplan und wie die Plätze der Zukunft aussehen sollen, herrscht allerdings noch Uneinigkeit.